3 Web 2.0
Nach dem Knall der geplatzten „New-Economy-Blase“, auch genannt der „DotCom-CrashF[2]F“ im Jahre 2000, erlangt das Internet wieder an Bedeutung. Unter dem Schlagwort „Web 2.0“ werden zahlreiche Online Angebote subsumiert. Nutzer „zelebrieren“ Publikationsfreiheit. Vor 15 Jahren war die Entwicklung des Internets nicht vorhersehbar. Wäre da prophezeit worden, was heute alles über das Netz möglich ist, wäre man wohl nur müde belächelt worden (vgl. Alby, 2008, S. 1).
Mitte bis Ende der achtziger Jahre waren heute gängige Anwendungen wie E-Mail, E-Banking oder das Surfen im World Wide Web erst in den Anfängen und die wenigen Nutzer wurden eher als „Freaks“ und nicht als Pioniere bezeichnet. Die Internet-Kultur hat sich gewandelt. Früher waren bloß wenige Unternehmen mit einer Internetpräsenz vertreten, heute ist es undenkbar für ein Unternehmen, keine zu besitzen. Während bei Software oder Hardware-Produkten in bestimmten Zeitabständen immer neue Versionen oder Nachfolgeprodukte auf den Markt gebracht werden, werden die aktuellen interaktiven Techniken und Dienste des Internets bisher zwar wahrgenommen und genutzt, aber der Wandel des Internets wird bloß nebenbei bemerkt (vgl. Link 26).
Jahrzehnte lang war das Internet ein Zusammenschluss vernetzter Server, das als weltweites Forschungsnetz genutzt wurde. Es existierten parallel dazu Hypertext-Systeme als lokale Anwendungen, die so genannte Basisinnovation „Web 1.0“. Das „Web 1.0“ ist ursprünglich eine Gesamtheit von Milliarden statischer Webseiten, die via Hyperlink angesteuert werden. Der „Gutenberg des Web“ ist Bernert-Lee, der mit seiner Basisinnovation „Web 1.0“ berühmt wurde. Bei „Web 2.0“ gibt es weder einen Urvater noch eine zentrale Innovation; es beruht auf einer Vielzahl von Beiträgen und Verbesserungen (vgl. ebd.).
Durch die Entwicklung des Internets wurden innovative Kanäle für die Verbreitung von Ideen aus beispielsweise den Unternehmensbereichen Marketing, Handel, oder Vertrieb entwickelt (vgl. ebd.).
Laut der ARD/ZDF Online Studie 2007 sind mehr als 40 Millionen Deutsche online (vgl. ARD/ZDF Online Studie, 2007, S. 364). Weltweit ist fast jede fünfte Person online. Die Tendenz ist steigend. Erreichen klassische Kommunikations- und Marketing-Maßnahmen eine derartige Bandbreite von Menschen? Die ARD/ZDF Studie beschäftigt sich mit dem Nutzerverhalten in Verbindung mit der Entwicklung der Technologien. Laut der Studie wird das Internet zu 49,6 Prozent aktiv-dynamisch genutzt, d.h. dass der Nutzer die Informationen filtert und diejenigen aussucht, die er benötigt. Im klassischen Marketing konsumiert der Kunde Informationen aus einer „Lean-Back-Haltung“. Die Information wird vom Konsumenten passiv aufgenommen. „Web 2.0“ macht ein aktives Teilnehmen möglich. Mit der „Move-Forward-Haltung“ wird Wissen und selbst Werbeinhalte entwickelt (siehe Abbildung 11). Im Mittelpunkt steht ein offener Dialog zwischen Produzent und Konsument. Gespräche von den früheren örtlichen Marktplätzen wurden durch die Erschaffung des Mediums Internet globalisiert. Das Internet ist ein kostenloses und für jedermann zugängliches Instrument, um mit Menschen in der ganzen Welt zu kommunizieren. „Die Märkte sind nichts anderes als Gespräche“ (Levine, 2000, S. 15) und diese Gespräche finden im Internet statt. Kunden werden Bestandteil der Unternehmenskommunikation, können an Produkt und Preisgestaltung teilhaben, sogar das Markenimage kreieren sie mit. Die Nutzer werden durch das Medium Internet zu Akteuren (vgl. Link 1). Nutzer wünschen sich unkomplizierte Werkzeuge, die sie geräteunabhängig aufrufen und nutzen können, ob von zu Hause, im Büro oder an jedem Ort auf der Welt. „Web2.0“ reduziert technische Komplexität, da es geräte- und ortsunabhängige Dienste bereitstellt (vgl. Link 26).
Abbildung 11: Media Evolution 1.0, 2.0, 3.0
(Quelle: TrendOne, 2007 zitiert in Kreßner, 2008, S. 24)
3.1 Definition und Abgrenzung des Begriffs Web 2.0
In diesem Kapitel werden die Begriffe „Internet“ und „Web 2.0“mit ihren Werkzeugen definiert und näher erläutert. Dies soll zum Verständnis des Medium Internet und des Schlagworts „Web 2.0“ beitragen, um die Verbreitung, bzw. dem Verlauf einer online Marketing Epidemie nachvollziehen zu können.
Das Internet ist das „weltweit größte Computernetzwerk, das aus miteinander verbundenen Netzwerken besteht“ (Linux Glossar, Link 27).
Ein Netzwerk ist ein „Verbund von Computern, die über verschiedene Leitungen verbunden sind und sich gemeinsame Ressourcen, wie Daten und Peripheriegeräte teilen“ (ebd.).
Aktuelle Gespräche, die im Zusammenhang mit dem Internet und dessen Anwendungen geführt werden, beziehen sich zu großen Teilen auf eine Entwicklung, die unter dem Leitwort „Web 2.0“ zusammengetragen wird. Es existiert für den Begriff „Web 2.0“ noch keine allgemein gültige Definition. Die Suchmaschine „Google“ fand dazu 401 Millionen Einträge (Abfrage am 02.07.08). „Web 2.0“ wird oftmals mit den verschiedenen Technologien, die auf Social Software beruhen, umschrieben (siehe Kapitel 3.3, S. 45-52).
„Web 2.0“ bezeichnet den aktuellen Umgang und die Entwicklungen im Netz. Die populärsten Social Software Anwendungen werden als Beispiele für Inhalte des „Web 2.0“ beschrieben. Diese Beschreibung füllt aber nicht den ganzen Rahmen des „Web 2.0“, sondern Social Software ist lediglich eine „Untermenge von Web 2.0“ (vgl. Szugat/Gewehr/Lochmann, 2007, S. 14). Internetangebote wie Diskussionsforen oder Chats bestanden schon lange vor der Schöpfung des Wortes „Web 2.0“, das erstmals 2004 bei der vom Verleger Tim O’Reilly organisierten Brainstorming-Session aufkam. Die „Web 2.0“ Diskussionen drehen sich, laut Alby (2008, S. 1), um Blogs (siehe Kapitel 3.5.5, S. 64-69), Partizipation (siehe Kapitel 3.4, S. 52-55), Social Software (siehe Kapitel 3.5, S. 55f), AJAX (siehe Kapitel 3.3, S. 48-50) oder Tagging (siehe Kapitel 3.5.3, S. 59). O’Reilly entwickelte mit seinem Aufsatz „What is Web 2.0“ sieben Kernkompetenzen, wovon ein im „Web 2.0“ tätiges Unternehmen zumindest eine besitzen sollte (vgl. Link 28):
Anwendung des Internets als Plattform für das Angebot von Diensten.
Einbeziehung der kollektiven Intelligenz bzw. des kollektiven Wissens der Anwender (siehe Kapitel 3.4.2, S. 55).
Zugriff auf eine exklusive Datenbank, die als Einkommensquelle auftritt.
Betriebsabläufe, die die ständige Pflege und fortlaufende Entwicklung der Software ermöglichen, die auch die Nutzer mit einbezieht (siehe Kapitel 3.3, S. 45-48).
Entwicklung von „Lightweight Models”, die auf Einfachheit und Koppelbarkeit beruhen und sich auf die Ebenen Programmierung, Benutzerschnittstellen und Geschäftsmodelle beziehen können (siehe Kapitel 3.3, S. 44-52).
Entwicklung von Software, die über das einzelne Endgerät Computer hinausgeht (siehe Kapitel 3, S. 36ff).
Einbeziehen der so genannten „Long Tail“ durch Systeme, die einen Self Service ermöglichen (aufgrund fehlender Relevanz wird darauf in der vorliegende Arbeit nicht näher eingegangen).
O’Reilly versteht „Web 2.0“ als Plattform. Web-2.0-Anwendungen sind von den einzelnen Geräten und Betriebssystemen unabhängig. Es geht eher um Service statt um Software. Das Wertvolle sind nicht die Anwendungen, sondern die Daten, die sich anhäufen, die gut zugänglich sein müssen, um mit anderen Quellen kombiniert werden zu können. Aus Nutzern werden Entwickler, Betreiber von Webseiten, Autoren oder Filmemacher. Die Daten werden von Nutzern nicht per Formular abgeliefert, sondern dadurch dass sie online aktiv sind. Diese Aktivitäten werden von den Webanwendungen dauerhaft gespeichert (vgl. Szugat/Gewehr/Lochmann, 2007, S. 14). Alby (2008, S. 3ff) geht konkret auf die Veränderungen des Internets ein, die „Web 2.0“ erst realisierbar gemacht haben. Die Entwicklung der Zugangsmöglichkeiten und Zugangsgeschwindigkeit sind dank aktueller Technologien gestiegen. Dies ermöglicht datenintensive Dienstleistungen.
Die Integration von „AJAX“ oder „RSS“ (siehe Kapitel 3.3, S. 48-50 und S. 51-52) (vgl. Alby, 2007, S. 139ff) in die Internetprogrammierung führten zu einer einfacheren und effizienteren Bedienbarkeit des Internets. Durch eine weiterentwickelte Wettbewerbssituation und durch Integration neuer Gebührenmodelle sind die Internet-Nutzkosten parallel dazu gesunken. Das führte zur Erhöhung der Internetnutzzeit (vgl. ebd.). Das Verhalten der Nutzer des Internets und ihre Einstellung dem Medium Internet gegenüber haben sich positiv gewandelt. Das Vertrauen in das Medium ist gestiegen. Von Anonymität oder Pseudonymität des Internets war früher die Rede. Heute ist die öffentlich dargestellte Identität eines „Bloggers“(siehe Kapitel 3.5.5, S. 65), eines Mitglieds einer „Social Networking Seite“ (siehe Kapitel 3.5.7, S. 76-81) oder eines Nutzers einer „Social Commerce Seite“ (siehe Kapitel 3.5.4, S. 63-64) Grundlage, um von der Internetanwendung wie gewünscht zu profitieren. Durch diese Veränderungen ist das „Web 2.0“ erst möglich geworden (vgl....