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E-Book

Vom Alk zum Hulk

Es war einmal in Südberlin

AutorSilla
Verlagriva Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783959711395
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Die Fähigkeit zum Kampf wird im Kampf geboren und das Leben hat Silla zu einem Kämpfer gemacht. Aufgewachsen in Berlin-Tempelhof entdeckte er früh seine Leidenschaft für Rap. Im Berliner Untergrund wurde er von King Orgasmus One unter Vertrag genommen, schlug ein Angebot von Bushidos Label ersguterjunge aus und bewegte sich von da an im Dunstkreis von Aggro Berlin. Der Hype war da, doch der Druck war zu groß. Silla begann immer exzessiver zu trinken, bis er 2009 schließlich mit fast fünf Promille in ein Krankenhaus eingeliefert und wiederbelebt werden musste. Ein Wendepunkt. Er entschloss sich, seine Alkoholsucht zu bekämpfen, schloss sich dem frisch gegründeten Label Maskulin an, machte einen Entzug und entdeckte den Sport als seine 'Ersatzdroge'. Silla verwandelte sich in eine Fitnessikone und stürmte die Charts. In seiner Autobiografie erzählt er von seinem Weg, beleuchtet, was hinter den Kulissen der Deutschrapszene passiert, berichtet von seinem Kampf gegen den Alkohol, von der Erlösung durch den Sport. Eine fesselnde Geschichte von Erfolg, Misserfolg, Absturz und Wiedergeburt.

Silla, geboren 1984, heißt mit bürgerlichem Namen Matthias Schulze. Aufgewachsen in Berlin gilt er als einer der aufstrebenden deutschen Rapper. Sein letztes Album Vom Alk zum Hulk stieg auf Anhieb in die Top Ten der deutschen Albumcharts ein. Außerdem gilt er in der Szene als Fitnessikone.

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Leseprobe

PROLOG


Ein kleines Dorf im hessischen Nirgendwo.
September 2015


Man kann einen Kampf nur gewinnen, wenn man lernt, sich selbst zu besiegen. Und diese Fähigkeit entwickelt der Mensch in seinen dunkelsten Stunden. In Momenten, in denen er seinen eigenen Dämonen ausgeliefert ist. Ängsten, denen er nicht mehr entkommt. Sorgen, die ihn ersticken. Meine Dämonen kamen regelmäßig. Ich wusste, dass ich sie irgendwie besiegen musste, damit sie mich nicht eines Tages besiegten.

Und jetzt frage ich mich, ob sie das womöglich längst getan haben.

»Folgen Sie mir, Herr Schulze«, sagt der Pfleger und drückt mir meine Louis-Vuitton-­Tasche in die Hand. Er hat sie eine gefühlte Ewigkeit gefilzt, jedes einzelne T-Shirt abgeklopft und ausgeschüttelt. Nichts Persönliches, reine Routine sei das, meint er. Wie trostlos doch alles ist. Wir laufen durch lange Korridore und es riecht nach Linoleum. Die Fenster sind keine richtigen Fenster. Die Fenster sind bloß undurchsichtige Milchglasscheiben. Echtes Krankenhaus-Feeling. Jeder Gang hier sieht aus wie der nächste. Und überall sind Türen. Einige von ihnen stehen einen Spalt weit offen, andere sind geschlossen.

»Sind das alles Patienten?«, frage ich den Pfleger, der vor mir herläuft. Mit seinen langen Haaren und der Brille sieht er aus wie ein zu spät geborener Hippie.

»Gäste. Wir nennen sie Gäste.«

»Ach so«, sage ich und versuche, in eines der Zimmer zu gucken. Es gelingt mir nicht.

Dann ein kurzer, lauter Schrei.

»Was ist das?«

»Keine Sorge, wir haben alles im Griff«, sagt der Hippie-Pfleger und schlurft ganz entspannt weiter. Plötzlich herrscht Aufregung auf den Gängen.

Drei Krankenschwestern kommen uns entgegen. Sie sind sehr hektisch. »Zur Seite, zur Seite, zur Seite.« Sie stoßen eine Tür auf und ich höre wieder diesen Schrei. Als würde jemandem etwas ganz Schreckliches widerfahren.

»Ist nichts Schlimmes. Machen Sie sich mal keine Gedanken«, sagt mein Pfleger und schließt eine Zimmertür auf. »Und hier wären wir. Das ist Ihr neues Reich, Herr Schulze. Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause.« Ich schaue mich um. Mein Zimmer ist ein fünf Quadratmeter kleines Loch. Es gibt hier fast gar nichts. Einen Wandschrank aus Holz und ein Bett. Nicht mal einen Schreibtisch haben sie mir reingestellt.

Was für ein Absturz.

»Ganz wichtig noch, Herr Schulze: Rauchen ist grundsätzlich erlaubt. Aber für Sie als Neuling erst nach drei Tagen. Entgiftung. Sie wissen. Haben Sie noch Zigaretten in der Jackentasche?«

»Nein«, lüge ich.

»Gut. Wenn Sie etwas brauchen, rufen Sie einfach.« Der Kerl grinst mich an und verschwindet dann wieder auf den ewig gleichen Fluren.

Wo bin ich hier nur gelandet.

Ich spüre, wie sich ein neuer Schweißausbruch anbahnt. Ganz ruhig, Silla. Du kennst das doch. Es wird nichts passieren. Ich setze mich auf mein neues Bett in meinem neuen Reich und schließe die Augen. Es hört nicht auf. Meine rechte Hand fängt an zu zittern. Ich atme ganz ruhig. Ein und aus. Ein und aus. Das wird schon. Ganz cool bleiben. Komm schon, Silla. Du hast schon ganz andere Scheiße überlebt. Nach ein paar Minuten ist wieder alles in Ordnung, die Panikattacke vorbei. Ich räume meine Tasche aus und ziehe mir den komischen Trainingsanzug an, den ich in meinem Schrank finde.

Dann ziehe ich eine Packung Zigaretten aus meiner Jackentasche und erkunde mein neues Zuhause. Ich habe kein Zeitgefühl mehr. Ich weiß nicht, ob es früh oder spät am Tag ist oder ob wir schon Nacht haben. Es fühlt sich an, als hätte man mich aus meinem normalen Leben rausgerissen und in eine andere Welt versetzt, in der Zeit und Raum keine Rolle mehr spielen. Alles wirkt so surreal.

Als ich über den Flur schlendere, öffnet sich eine Tür. Ein junges Mädchen kommt raus. Sie trägt denselben komischen Trainingsanzug wie ich, ist vielleicht 18 oder 19 und guckt verschüchtert auf den Boden.

»Haste ’ne Kippe für mich?«, fragt sie, ohne mich anzuschauen.

Als sie ihre zitternde Hand ausstreckt, sehe ich, dass ihr Oberarm von Nadelstichen bedeckt ist. Ihr ganzes Gesicht ist komplett eingefallen, sie hat tiefe, schwarze Augenringe und die Zähne, die noch übrig sind, sind gelb.

»Danke«, sagt sie, als ich ihr die Zigarette gebe. Ich versuche, mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr mich ihre Erscheinung erschreckt.

Nach ein paar Minuten entdecke ich den Aufenthaltsraum. Ein Fernseher läuft und vor diesem Fernseher sitzt ein Mann im Bademantel auf einer Couch. Er zappt durch das Programm. Der Kerl ist vielleicht 50 Jahre alt, hat einen Schnäuzer, wirres graues Haar und einen dicken Bierbauch.

»Na, bisse neu?«, fragt er mich mit rheinischem Akzent.

»Gerade gekommen.«

»Ah, keine Sorge, Jung. De erste Tach is de schwerste. Is bei allen so. Isch bin übrijens der Juppes und isch bin polytox.«

»Was heißt das?«

»Süchtisch nach allem.« Dann fängt der Mann an zu lachen und sein Lachen endet in einem fürchterlichen Hustenkrampf.

Das Ganze kommt mir vor wie ein Albtraum. Die Menschen hier sind wie Zombies. Und dann sackt mein Kreislauf zusammen. Ich muss mich an der Wand abstützen, um nicht hinzufallen.

»Immer sachte mit de jungen Pferde, wa?«, lacht Jupp.

Ich will hier weg. So schnell es geht. Ich stolpere schwitzend und komplett fertig zurück in mein Zimmer.

Und dann liege ich in meinem kleinen trostlosen Bett und starre die graue Decke an. Wie viel Zeit ist vergangen? Eine halbe Stunde? Ein halber Tag? Mir wird schlagartig bewusst, dass ich innerhalb von nur einer Woche alles verloren habe. Alles, was ich mir so mühsam aufgebaut habe, ist wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen. Nichts ist mehr geblieben. Außer mir. Und meinen Dämonen.

Ich versuche, die Augen zu schließen, will nur einschlafen, alles hinter mir lassen. Doch meine Gedanken lassen mich nicht zur Ruhe kommen. Sie kreisen um Karo. Immer wieder um Karo. Sie sollte doch meine Rettung sein. Wieso hat sie alles kaputt gemacht? Wieso hat sie unsere Zukunft zerstört? Ich sehe ihr Gesicht. Es verschwimmt vor meinen Augen. Nach und nach löst es sich einfach auf. Und dann bin ich wieder zu Hause. In meiner Wohnung. In meinem Bett. In Karos ­Armen.

»Alles wird gut, mein Schatz«, flüstert sie mir ins Ohr. »Wir werden das schaffen.«

Ich sehe mich um. Alles ist, wie es immer war. Unsere Wohnung. Unser Zuhause.

»Was hast du getan?«, frage ich sie. »Warum hast du alles zerstört?«

»Pschhhht«, sagt sie und streicht mir über den Kopf. »Es war alles nur ein böser Traum.«

Ich atme tief ein, atme ihren Duft ein. Ich versuche, mich zu beruhigen. Ist das echt? Ich schaue Karo an. Sie hat die Augen geschlossen und lächelt. Ich streiche ihr über den Bauch. Nur ein böser Traum, hallen ihre Worte nach, und ich spüre, wie meine Hand zittert. Ich versuche, es zu unterdrücken. Doch es wird immer schlimmer. Das Zittern wird stärker. Ich muss … ich muss etwas trinken, sagt eine Stimme in meinem Kopf, die nicht meine ist. Du musst etwas trinken, höre ich sie jetzt stark verzerrt.

»Warte kurz, mein Engel«, sage ich zu Karo und stehe auf.

Sie sitzt unbeweglich auf dem Bett. Ihr Lächeln hat sich in ihr Gesicht eingebrannt, ihre Augen sind noch immer geschlossen. Es sieht auf einmal fürchterlich erstarrt aus. Ich löse meinen Blick von ihr und gehe durch meine Wohnung. Sie ist in einen grünen Nebel gehüllt. Wo kommt der her? Ich gehe zum Kühlschrank und ziehe eine Flasche Whisky raus. Ich nehme einen tiefen Schluck. Als ich mich wieder umdrehe, sehe ich, dass MoTrip und JokA hinter mir stehen.

»Alter! Ich kriege hier gleich einen Herzinfarkt. Was macht ihr hier?«, frage ich die beiden voll geschockt. Sie starren mich nur an.

»Ey!«, versuche ich es noch mal. Sie schweigen. Und dann werden sie von dem grünen Nebel umhüllt und verschwinden nach und nach in ihm. Der Rauch nimmt jetzt den ganzen Raum ein. Alles verschwindet, ich kann nicht mal mehr meine eigenen Hände sehen. Als er sich wieder legt, bin ich im alten Haus meiner Eltern. In Marienfelde. Ich stehe in der Küche. Und vor dem Kühlschrank hockt ein kleiner Junge. Er ist vielleicht sieben oder acht Jahre alt.

»Was ist hier los?«, schreie ich.

Er starrt mich an.

»Wer bist du?«

Er antwortet nicht. Ich höre ein Lachen. Erst ganz leise, dann immer lauter. Ich weiß nicht, wo es herkommt. Es scheint überall zu sein. Es hört sich an, als würden Hunderte von Stimmen gemeinsam lachen.

»Was ist hier los? Was passiert hier?«, frage ich den Jungen und werde immer aggressiver und irgendwie habe ich mich nicht mehr im Griff. Ich habe keine Kontrolle mehr über meinen Körper. Ich packe den Jungen und schlage ihn gegen den Kühlschrank. Es passiert einfach, ich kann nicht aufhören. Dann schlage ich mit meinen Fäusten auf ihn ein. Er wehrt sich nicht. Er starrt mich nur an. Alles läuft automatisch ab. Ich prügele weiter auf ihn ein. Ich fange an zu schreien. Was passiert hier nur?

Meine Hände greifen den Jungen und würgen ihn. Und dann verschwindet auch er im grünen Nebel. Ich schaue auf die Uhr. Sie hat keine Zeiger. Was für ein Albtraum. Und dann geht das Lachen wieder los. Es wird immer lauter. Ich laufe los. Ich reiße die Tür auf und laufe aus dem Haus meiner Eltern. Ich laufe durch Alt-Marienfelde. Ich laufe durch Tempelhof.

Es passiert automatisch. Ich sprinte durch die Stadt. Alles ist menschenleer. Aber hinter den Hochhäusern sehe ich ein...

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