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Vom Burgenbau und Burgenleben in Nord- und Mitteldeutschland

Faszination und Mystik

AutorBernd Sternal
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783741233425
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,49 EUR
Das Mittelalter fasziniert die Menschen unserer modernen Gesellschaft. Diese Geschichtsepoche zwischen der Antike und unserer Neuzeit bietet viel Stoff für Mystik und Fantasie. Jedoch was ist es eigentlich, was uns das Mittelalter so interessant erscheinen lässt? Sind es die mächtigen Burganlagen, die Ritter mit Schwert und Rüstung auf ihren geharnischten Pferden oder ist es das einfache, ursprüngliche Leben. Vielleicht ist es auch der Umstand, dass wir über diese Epoche, die als dunkles Zeitalter bezeichnet wird, recht wenig wissen. Der Autor, der bereits 5 Burgenbücher verfasst hat, möchte daher mit diesem Buch versuchen, ein wenig Licht in das Dunkel um Burgenbau und Burgenleben im Mittelalter zu bringen.

Bernd Sternal, Ingenieur, Publizist und Autor, wurde 1956 in Gernrode/Harz geboren. Er war als Manager, Unternehmer und Berater tätig, bevor er sich seit 2006 fast ausschließlich dem Schreiben und Publizieren widmete.

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Leseprobe

Seit der Jungsteinzeit sind befestigte Plätze verschiedener Art, die im weiteren Sinne als Burgen angesprochen werden können, nachgewiesen. Man nutzte sie in Notzeiten als Zufluchtsstätten (Fluchtburgen) oder bewohnte sie ständig. Als bisher älteste bekannte Stadt der Welt gilt das an einer bedeutenden Ost-West-Straße, und an einer fruchtbaren Oase im Jordantal, gelegene Jericho. Es gilt als gesichert, dass spätestens 8300 v. Chr. begonnen wurde, die Stadt zu befestigen. Hethiter, Griechen, Phöniker und andere Völker aus Vorderasien errichteten schon Jahrhunderte vor Christi Geburt befestigte Königs- oder Fürstensitze sowie Stadtburgen. Ihnen nach folgten die Römer u.a. mit ihrer arx auf dem Kapitol sowie ihren massiv befestigten militärischen Standlagern castra stativa. Diese Mehrzahl vom lateinischen castrum (Festung) klingt bis heute in vielen europäischen Städtenamen nach.

Nördlich der Alpen gab es schon Jahrhunderte vor Beginn unserer Zeitrechnung befestigte Siedlungen, so in Biskupin in der Woiwodschaft Posen. Auf einer früheren Insel im Biskupiner See bestand etwa zwischen 550 und 400 v. Chr. eine Siedlung für mehrere hundert Menschen, die umfangreich mit Holz-Erde-Befestigungen geschützt war.

Tor und Wall in Biskupin - rekonstruierte Siedlung der Lausitzer Kultur aus der Bronzezeit, Urheber: Fazer 2005

Bau der Heuneburg (Anfang 6. Jh. v. Chr.) (Diorama im Heuneburg-Museum, Hundersingen) Foto: LepoRello

In Süddeutschland zeugt die Heuneburg (Hünenburg) im Saulgau südlich der Schwäbischen Alb von frühen Befestigungsaktivitäten. Diese gewaltige Ringwall-Anlage zwischen den Ortschaften Hundersingen und Binzwangen in Baden-Württemberg stammt aus der Hallstatt-Kultur und wurde archäologisch intensiv untersucht. Die Grabungsarbeiten wurden von dem renommierten Archäologen Prof. Kurt Bittel geleitet. Die dabei gefundene griechische Importkeramik deutet zweifelsfrei auf bestehende Handelsbeziehungen in den Mittelmeerraum hin. Erstaunlicher ist aber die Tatsache zu werten, dass diese Heuneburg nicht immer nur den typischen Ringwall-Charakter hatte. Vielmehr erhielt sie in der zweiten ihrer insgesamt sechs Hauptbauphasen – etwa im 6. Jahrhundert v. Chr. – eine auf Steinfundamenten ruhende Mauer aus getrockneten Lehmziegeln mit rechteckigen Bastionen. Im Gegensatz zu der erwähnten Importkeramik weist diese Bauphase nicht nur auf Handelsbeziehungen in den Mittelmeerraum hin, sondern auf weit darüber hinausgehende enge Beziehungen, die wir heute wohl als Kooperationen bezeichnen würden. Diese Grabungen und Forschungen wurden im Zeitraum von 1950 - 1979 durchgeführt.

Tauchen wir nun in die mitteldeutschen und norddeutschen Regionen ein, denen ich mich in diesem Buch widmen möchte.

Lange Zeit konnten in diesen norddeutschen Gebieten dennoch keine vor- und frühgeschichtlichen Befestigungsanlagen ausgemacht und nachgewiesen werden. Das veranlasste den hochgeschätzten und renommierten Archäologen und Geschichtsforscher Prof. Dr. Carl Schuchhardt zu der Annahme, dass die Völker in diesen Regionen verhältnismäßig friedlich zusammenlebten und sich vor Feinden nicht mit Wehrbauten schützen mussten. Inzwischen sind Prof. Schuchhardts Theorien in dieser Form wohl nicht mehr haltbar.

Dass die norddeutsche Landschaft noch von skandinavischem Eis bedeckt war, als südlich der Alpen, im Mittelmeerraum sowie in Vorderasien bereits Hochkulturen blühten, ist der maßgebliche Grund für die späte kulturelle Entwicklung des Norddeutschen Flachlandes. Verhältnismäßig schnell holte diese Region den Rückstand jedoch auf!

Besonders in neuerer Zeit wurden in Nord- und Mitteldeutschland vor- und frühgeschichtliche Befestigungsbauten nachgewiesen – moderne Prospektionsmethoden bringen hierbei viele neue Erkenntnisse. Ein respektables Beispiel dieser Region ist die Hünenburg bei Watenstedt im Landkreis Helmstedt, der wir uns nun etwas detaillierter zuwenden wollen.

Die wissenschaftlichen Untersuchungen an dieser Anlage begannen bereits im Jahr 1878. Zuvor hatte man auf dem Gelände ein Gräberfeld der jüngeren Bronze- und frühen Eisenzeit entdeckt. Die Wissenschaft der Archäologie steckte damals noch in den Kinderschuhen. Aber der angesehene Braunschweiger Geschichtsverein nahm sich der archäologischen Untersuchungen an, die bis 1907 andauerten. In neuerer Zeit, über neunzig Jahre später, wurden diese Grabungen und Untersuchungen seit 1998 mit modernen Methoden fortgesetzt und sie dauern bis heute an.

Hünenburg bei Watenstedt

gezeichnet von Michael Zeitzmann nach Foto am Objekt

Die Forschungsergebnisse sind richtungweisend und rücken unsere Geschichte zum Teil in ein neues Licht: Diese Watenstedter Anlage entstand bereits während der Bronzezeit um 1300 v.Chr. und sie war anscheinend Sitz einer elitären Bevölkerungsgruppe. Die Anlage wurde am westlichen Rand des Heeseberges errichtet und liegt auf 133 m ü. NN zwischen dem Höhenzug des Elm und der Niederung des Großen Bruches. Wer den Heeseberg besaß, hatte die Kontrolle über die an seinem Fuße vorbeiführenden Heer- und Handelsstraßen. Ein solcher strategisch exponierter Standort musste jedoch geschützt werden. So begann man die Siedlung zunächst zu befestigen, um sie schrittweise zur Befestigungsanlage auszubauen. Die Ausgrabungen ergaben, dass die Hünenburg bereits im elften vorchristlichen Jahrhundert massiv befestigt war. Zunächst bestand die Befestigung aus einer Holz-Erde-Konstruktion, die dann eine steinerne Verblendung erhielt. Eine weitere grundlegende Bauphase begann zudem etwa um 700 v.Chr. und die einstige Siedlung wurde strategisch zu einem stadtartigen Handels- und Herrschaftszentrum ausgebaut. Ihr Reichtum basierte auf dem Handel mit Erzen aus dem Harz, deren Verarbeitung zu Geräten und Waffen sowie auf Salzhandel. Es wird angenommen, dass die bronzezeitlichen Bewohner von skandinavischer Herkunft waren, die wohl einer frühen nordgermanischen Bevölkerung zugeordnet werden können. Diese These basiert auf dort gefundenen Bronzebecken samt passenden Gießformfragmenten, von denen Parallelen bisher nur aus Dänemark bekannt sind. Verfestigt wird diese These durch den Fund eines Feldes mit 450 Gargruben durch Archäologen der Universität Göttingen. Solche Gruben, in denen Speisen auf erhitzten Steinen gegart wurden, sind ansonsten weiter östlich und vor allem im skandinavischen Raum weit verbreitet.

Jedoch ging die Hünenburg mit Beginn der Eisenzeit in einer Brandkatastrophe unter. Ob die Bewohner dabei ums Leben kamen, oder ob ihre Spuren nur im Kulturumbruch der Eisenzeit mit ihren zahlreichen Neuankömmlingen untergingen, ist uns bisher verborgen geblieben.

Mittelalterlicher Burgenbau

zeitgenöss. Dartstellung, Autor unbekannt

Die bronzezeitliche Anlage verschwand für etwa tausend Jahre aus dem Fokus der hiesigen Bevölkerung. Erst in der Völkerwanderungszeit sowie im frühen Mittelalter setzte eine neuerliche Nutzungs- und Bebauungsphase ein. Zu dieser Zeit wurden die Wallanlagen noch einmal deutlich erhöht. Etwa zur Zeit der Sachsenkriege, im 8. Jahrhundert n. Chr., muss die Befestigungsanlage wohl von den Franken zerstört worden sein. Die Ausgrabungen von 1998 konnten belegen, dass die Anlage schon kurze Zeit später wieder aufgebaut wurde und nun den Karolingern als wichtiger Stützpunkt diente; wie lange diese Nutzungsphase andauerte ist jedoch bislang nicht klar.

Der Herrschaftssitz mit Handelszentrum in Watenstedt ist als eine der größten bisher bekannten bronzezeitlichen Siedlungen in Mitteleuropa anzusehen. In ihr wohnten bis zu 500 Menschen, was für damalige Verhältnisse eine enorme Zahl darstellt.

Steinmetze im Mittelalter, Holzschnitt von unbekanntem Autor

Wenn wir uns nun wieder dem Kernthema meiner Ausführungen, dem Burgenbau, zuwenden, so kann uns diese Anlage exemplarisch die Entwicklung von Befestigungsanlagen aufzeigen. Das Burgplateau wurde durch eine Befestigungsmauer aus Erde und Holz, heute noch als Erdwall im östlichen Bereich am jetzigen Standort erhalten, geschützt. Der ursprünglich das ganze Burgareal umfassende Verteidigungsring wurde im Norden und Westen durch künstlich geböschte Hänge, im Süden durch den nördlichen Geländeabfall, im Osten zum Hochplateau hin durch einen vorgelagerten Graben zusätzlich geschützt. Das im Süden gelegene Haupttor war, zum Wallverlauf rechtwinklig versetzt, so angelegt, das potentielle Angreifer sich diesem mit der rechten, vom Schildarm ungeschützten Seite nähern mussten. Allerdings sind diese vor- und frühgeschichtlichen Befestigungsanlagen nicht Schwerpunkt dieses Buches, dennoch werde ich gelegentlich darauf zurückkommen.

Bau eines Turmes mit Hilfe von Leitern, Aufzügen und Treträdern, rechts wird ein Quader mit einer Steinzange nach oben gezogen; Darstellung aus dem 14. Jh., Autor unbekannt

Das Bauwesen und die Geschichte von Burgen nennt man Burgenkunde, und die kann man durchaus als Rückgrat der frühgeschichtlichen und mittelalterlichen Forschung ansehen. Sicherlich verbirgt der Boden noch unzählige archäologische Hinterlassenschaften, die helfen könnten unser Geschichtsbild aufzuhellen. Aber Archäologie ist kostspielig und langwierig, auch muss oftmals der Zufall seine Hand im Spiel haben, um bedeutsame Funde zu machen. Jeder Fund, mag er noch so unbedeutend erscheinen, ist jedoch ein Puzzle-Stein in unserem Geschichtsbild. Allein die Hinterlassenschaften der Befestigungsanlagen sind im Wesentlichen oberirdisch und somit prädestiniert, ihnen besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

Burgenbau, Holzschnitt aus dem...

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