Movie-Yoga
„Eine Organisation intelligenter Leute fürchtet Intelligenz – auf lange Sicht unklug.“
Iron Man in Marvel‘s The Avengers
Frodo: „Dann weiß ich, was ich tun muss. Es ist nur, ich hab solche Angst davor.“
Galadriel: „Selbst der Kleinste vermag den Lauf des Schicksals zu verändern.“
Aus Der Herr der Ringe
„Ich hab da ein verdammt mulmiges Gefühl“
Aus Star Wars
„Das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft“
Aus Casablanca
„Probier’s mal mit Gemütlichkeit, mit Ruhe und Gemütlichkeit…”
Aus Das Dschungelbuch
„Deine Heimat sind die sanften Hügel und kleinen Flüsse des Auenlandes.
Aber Daheim verblasst. Und die Welt rückt nah.”
Aus Der Hobbit
„Bereit, wenn Sie es sind“
Dr. Hannibal Lecter in Das Schweigen der Lämmer
Selbst dem „härtesten Kerl“, der „taffsten Frau“ sind wohl schon mal die Tränen oder zumindest feuchte Augen bei gewissen Filmszenen gekommen. Gefühle sind die perfekte Basis für Movie-Yoga. Da mögen einem die Augen wässrig werden, wenn im Actionspektakel das Traumauto geschrottet wird, während andere das nur nervend finden. Der eine mag vor Langeweile fast einschlafen, wenn Leonardo DiCaprio in „Titanic“ langsam, seine Liebe rettend, in den Tiefen des Meeres versinkt, wo andere zutiefst berührt still weinen. Langeweile und Trauer sind starke Gefühle und gut für das Abenteuerspiel Filmerlebnis geeignet.
Das Basisspiel besteht nun aus zwei leicht einzuübenden Punkten des Movie-Yoga. Zuallererst müssen wir unsere Gefühle bewusst wahrnehmen, um sie nicht gleich wieder zu vergessen oder zu verdrängen. Dann brauchen wir eine bestimmte Vorgehensweise, wie wir mit diesen Gefühlen „umgehen“. Klingt vielleicht im Moment etwas kompliziert, ist aber mit ein wenig Übung doch einfach.
Das bewusste Aufmerksamkeits-Positionierungs-System APS
Mit unserer Aufmerksamkeit können wir bewusst steuern, was wir in unserer Umgebung wahrnehmen und uns daher eher in Erinnerung bleibt. Wer schon mal frisch verliebt im Kino gesessen ist und nur Augen für die Geliebte im Arm hatte und ans Küssen dachte, kann dabei schon mal die ganze Filmhandlung verpassen. Plötzlich geht das Licht an, der Abspann wird abgespult und eben hatte doch erst die Vorschau begonnen. Die Zeit verging wie im Flug. Frisch verliebt zu sein ist vielleicht keine so gute Voraussetzung um das Abenteuerspiel Filmerlebnis zu spielen.
Wenn wir unsere Gefühle runterschlucken, vor uns und anderen verstecken, nicht zulassen oder vergessen, sind sie für uns Abenteuerspieler verloren. Wohl gemerkt, wir reden hier ausschließlich von Gefühlen, die bei gewissen Szenen nun einmal da sind. Genau das sind die Gefühle, die wir für das Spiel brauchen. Nichts künstlich Gemachtes, Übertriebenes oder Vorgespieltes. Prinzipiell eignen sich alle Formen von Gefühlen wie Freude, Angst, Entsetzen, Hoffnung, Liebe, Hass, Ärger, Trauer, Berührt-Sein, Abscheu, Spaß oder Langeweile. Letzteres ist wohl eher für fortgeschrittene Spielerinnenn .
Um unsere Gefühle wahrzunehmen, brauchen wir nichts weiter zu tun, als unser Bewusstsein in den Modus „Ich registriere, was in mir vorgeht“ zu bringen. Tav Sparks spricht vom „Bewusstseins/Aufmerksamkeits-Positionierungs-System APS“ (im englischen Original: Awareness Positioning System). Wir brauchen lediglich unser APS online zu schalten und weiter den Film zu genießen.
In diesem Bewusstseinszustand, sei es „live“ während des Filmes oder danach in der Erinnerung, werden wir bemerken, dass manche Filme, bestimmte Themen, Szenen, Dialoge oder andere Elemente von Filmen uns besser im Gedächtnis bleiben und emotionale Reaktionen in uns aktivieren. Alle diese Elemente sind für das Abenteuerspiel Filmerlebnis geeignet. In den „Erweiterungssets“ werden wir diese näher kennen lernen.
Für das Basisspiel und damit ganz allgemein für Movie-Yoga und das Abenteuerspiel Filmerlebnis brauchen wir neben dem APS-Bewusstseinszustand auch eine bestimmte Haltung, eine spezifische Einstellung, wie wir mit den an uns beobachteten Regungen umgehen. Ganz allgemein: freundlich und verständnisvoll. Schließlich sind wir es, um die es hier geht.
Normalerweise geben wir „den Umständen“, den Dingen, die da draußen um uns sind, die Schuld dafür, wie wir uns fühlen. So mag der „harte Kerl“ uns erklären, dass er Liebesfilme langweilig findet, den DiCaprio als Schauspieler nicht mag, die Dialoge platt sind, der Filmschnitt langatmig und das Ende vorhersehbar ist. Letzteres ist bei „Titanic“ auch nicht wirklich überraschend. Diese Haltung nennen wir Außenposition oder horizontale Perspektive, im Unterschied zur Innenposition oder vertikalen Perspektive.
Dieser Unterschied ist vielleicht nicht ganz einfach, aber absolut wesentlich für Movie-Yoga und um das Abenteuerspiel Filmerlebnis zu verstehen und spielen zu können.
Die Innenperspektive ist ein radikaler Positionswechsel weg von der Frage: „Was macht mich (da draußen) ärgerlich, ängstlich, traurig, was auch immer …“ hin zu: „Was ist in mir, dass ich so fühle?“ Vom „was macht es mit mir hin zum was mache ich mit mir“. Wir suchen somit die Antworten auf unsere Fragen, warum wir so und so auf den Film reagieren in uns selbst. Ganz nebenbei erfahren wir so etwas über uns selbst. So hatte der „harte Kerl“, bevor er ganz hart wurde, eine unglückliche Liebesbeziehung. Obwohl er sehr um die Liebe gekämpft hatte und viel von sich dafür geopfert hatte, verließ sie ihn, nachdem sie ein Verhältnis mit seinem damals besten Freund einging.
Wechselt unser „harter Kerl“ in die vertikale Innenperspektive, so wird er diesen Zusammenhang erkennen. Er wird den Mechanismus durchschauen, wie er sich mit dem Gefühl von Langeweile immunisiert hat, um nicht an die Trauer der damaligen Ereignisse erinnert zu werden. Dabei bemerkt er, dass er nicht nur dem Gefühl von Trauer in den letzten Jahren aus dem Weg gegangen ist. Auch seine Fähigkeit, sich berühren zu lassen und mitzufühlen, hat darunter gelitten. Diese Erkenntnis macht den DiCaprio für ihn nicht zu einem besseren Schauspieler. Seine Kritik am Film „Titanic“ bleibt möglicherweise bestehen. Die Dialoge sind für ihn immer noch platt, der Filmschnitt langatmig und das Ende vorhersehbar. Dennoch hat er durch die Innenperspektive etwas Wesentliches über sich erfahren und damit ein Stück mehr Freiheit erlangt, durch die Möglichkeit, das Vergangene nun besser ruhen lassen zu können, um in der Gegenwart genussvoller (mit allen Gefühlen) zu leben.
Wenn wir Filme voll und ganz genießen wollen, sind beide Perspektiven wichtig, die innere-vertikale und die äußere-horizontale. Wenn wir Antworten auf unsere Fragen suchen, macht es doch manchmal Sinn, von der Außenperspektive „jenseits des Horizonts“ zur Innenperspektive zu wechseln, einem „in mir selbst“, vertikal aufgespannt zwischen Himmel und Erde. In „Die unendliche Geschichte“, der Verfilmung des Romans von Michael Ende, erleben wir den radikalen Perspektivenwechsel, wenn wir mit Bastian nach Phantasien gelangen und so mitten in der Geschichte Teil der Geschichte werden.
Humorvoll erleben wir den Perspektivenwechsel in der Actionparodie „Last Action Hero“. Der elfjährige Danny erhält eine Zaubereintrittskarte. Der Besitzer dieser Karte kann zwischen Film- und Realwelt hin und her wechseln. Das führt zu einem unterhaltsamen Spektakel, wenn Arnold Schwarzenegger in der Filmwelt den Helden Jack Slater und in der Realwelt sich selbst spielt.
Theorie
In der Psychologie wird in diesem Zusammenhang von Ursachenzuschreibung bzw. Attribution gesprochen. Dabei wird zwischen interner (vertikal) und externer (horizontal) Ursachenzuschreibung unterschieden. Psychologinnen gehen dabei der Frage nach, inwieweit sich Menschen für ihre Motive, Wünsche, Handlungen, Gedenken und Gefühle intern (sich selbst) oder extern (andere) verantwortlich machen.
Intern: Bedeutet, dass Menschen Ursachen ihren Fähigkeiten, ihrem freien Willen, ihrer Selbstwirksamkeit, Absicht und Eigenverantwortung zuschreiben.
Extern: Bedeutet, dass andere Personen oder äußere Umstände Schuld und Verursacher sind. Die eigenen Verhaltensweisen werden „nur“ als „Reaktionen“ auf die anderen, die äußeren Bedingungen, die Politik, das Schicksal, das Wetter oder die Sternenkonstellation aufgefasst.
Des Weiteren wird untersucht, in welchen Fällen welche Art von...