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Vom Gottesteilchen zur Weltformel

Urknall, Higgs, Antimaterie und die rätselhafte Schattenwelt

AutorRüdiger Vaas
VerlagFranckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl512 Seiten
ISBN9783440144787
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Das Wissen über die Elementarteilchen steht vor einer Revolution: Mit der größten Maschine der Menschheit wurde das legendäre Higgs-Boson entdeckt - und für dessen Voraussage der Nobelpreis verliehen. Andere Forscher fahnden nach Antiteilchen aus dem All und dem Schattenreich der Dunklen Materie. Was ist nach dem Urknall geschehen? Wie sind die Bausteine des Universums entstanden? Woraus besteht die Welt - und warum gibt es sie überhaupt? Wissenschaftsreporter und Kosmologie-Spezialist Rüdiger Vaas spannt den Bogen vom Allerkleinsten zum Allergrößten. Er analysiert den aktuellen Erkenntnisstand und berichtet über die Suche nach einer 'Weltformel', die erklärt, was das Universum im Innersten zusammenhält. Eine einzigartige Exkursion vom Urknall zu anderen Universen und ins Innerste der Materie: Mikrokosmos - den Bausteinen der Materie auf der Spur Gottesteilchen - eine verwegene Annahme mit schwerwiegenden Folgen Antimaterie - die Erforschung der verschwundenen Gegenwelt Dunkle Materie - der unsichtbare Dirigent im Universum Symmetrie - ein Code der Natur, der Einheit und Vielfalt schafft Weltformel - auf der Suche nach einer 'Theorie von Allem'

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Leseprobe

Gottesteilchen


Ein schöpferisches Feld und sein Verkünder

Das Higgs-Boson ist eine verwegene Annahme mit schwerwiegenden Folgen: Als Quant eines neuartigen Felds, das den gesamten Weltraum ausfüllt, weist es auf einen kurz nach dem Urknall angesprungenen Mechanismus hin, der Elementarteilchen ihre Masse gibt.

© ATLAS (2012), CERN.

Signatur des Neuen: Zerfallsspur eines mutmaßlichen Higgs-Teilchens in zwei Paare von Myonen (lange Linien), gemessen im ATLAS-Detektor.

»Wissenschaft ist nicht nur ein Katalog von in Erfahrung gebrachten Tatsachen über das Universum. Es ist eine Art und Weise des Fortschritts, manchmal quälend, manchmal unsicher.«

Arthur Stanley Eddington (1882 – 1944), britischer Astrophysiker

Der große Preis


Die Nobelpreis-Ankündigung ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Denn die Zeiten haben sich verbessert: Dank Internet-Livestream kann die interessierte Menschheit die Bekanntgabe im kleinen, holzgetäfelten Saal der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften im Zentrum Stockholms fast simultan verfolgen. Um 11:45 Uhr sollte es am 8. Oktober 2013 soweit sein: Der Physik-Nobelpreis stand an. Doch außer ein paar im Raum wartenden Journalisten war zunächst nichts zu sehen. Mehrfach wurde der Termin verschoben, bis es dann um 12:45 Uhr doch los ging. Zunächst sprach der Sekretär des Nobelpreis-Komitees in schwedisch. Doch die entscheidende Nachricht, die Namen der Gewinner, verstand jeder. Und es war eigentlich keine Überraschung – im Gegenteil: Physik-Experten hätten sich doch sehr gewundert, wenn in diesem Jahr eine andere Leistung ausgezeichnet worden wäre (aber angesichts einiger seltsamer früherer Preis-Entscheidungen wäre vielleicht nicht einmal das erstaunlich gewesen).

Kurzum: Der seit 2012 mit acht Millionen Schwedischen Kronen (916.000 Euro) dotierte Nobelpreis für Physik 2013 geht an François Englert von der Université Libre de Bruxelles im belgischen Brüssel und Peter W. Higgs von der University of Edinburgh in Großbritannien. Verliehen wird er »für ihre theoretische Entdeckung eines Mechanismus, der zum Verständnis des Ursprungs der Masse von subatomaren Teilchen beiträgt, und der kürzlich bestätigt wurde mit der Entdeckung des vorausgesagten Elementarteilchens durch die Experimente ATLAS und CMS des Large Hadron Collider am CERN«, wie es in der Begründung etwas umständlich, aber durchaus sorgfältig formuliert heißt. Nach der englischen Wiederholung derselben Nachricht wurden kurz die Arbeiten von Englert mit Robert Brout – der den Preis ebenfalls erhalten hätte, wenn er nicht 2011 gestorben wäre – und von Peter Higgs vorgestellt und die enormen experimentaltechnischen Anstrengungen gewürdigt, die 2012 schließlich am CERN zum Nachweis des Teilchens führten, dessen Existenz aus dem inzwischen als Brout-Englert-Higgs-Mechanismus bezeichneten theoretischen Modell zwingend folgt.

© CERN (2012).

Glück im Alter: François Englert (links) und Peter Higgs trafen sich hier erstmals in ihrem Leben am 4. Juli 2012 am CERN – bei der Bekanntgabe der Entdeckung des mutmaßlichen Higgs-Teilchens. Dessen Existenz wurde von ihrer Theorie vorausgesagt, für die die beiden Wissenschaftler rund 50 Jahre später mit dem Physik-Nobelpreis 2013 ausgezeichnet wurden.

»Ich bin sehr glücklich«, sagte Englert in einem Telefonat mit der Schwedischen Akademie der Wissenschaften im Anschluss, das ebenfalls live übertragen wurde. Peter Higgs hingegen war nicht erreichbar – vermutlich deshalb ist die Veranstaltung um eine Stunde verschoben worden, weil er zuvor natürlich noch hätte benachrichtigt werden sollen. »Ich werde ihm gratulieren«, versprach Englert. Abends war er im Fernsehen zu sehen, wie er vom Balkon seiner Wohnung aus lächelnd den Journalisten winkte.

Nicht ausgezeichnet wurden Tom Kibble, Gerald Guralnik (gestorben 26. April 2014) und Carl Hagen, die ebenfalls 1964 unabhängig von Englert, Brout und Higgs dieselbe Idee ausgearbeitet hatten – deren Publikation aber knapp einen Monat nach der von Higgs erschien, weil sie sich Zeit gelassen hatten, die Richtigkeit ihrer Rechnungen noch einmal zu überprüfen. Das darf man als ungerecht empfinden. Traditionell werden aber maximal drei Personen pro Nobelpreis ausgezeichnet. Die Statuten sehen nur diese Varianten vor: eine Person, zwei Personen je zur Hälfte, drei je zu einem Drittel, oder eine Person zur Hälfte und zwei jeweils zu einem Viertel.

»Vor der Wahl, die Regeln zu befolgen oder eine gleichberechtigte Entscheidung zu fällen, hielten sich die Schweden an ihre Statuten«, kommentierte Hagen nicht ohne Bitternis. Auch Tom Kibble, der Englert und Higgs ebenfalls gratulierte, freute sich darüber, dass die Schwedische Akademie der Wissenschaften die Forschungen anerkannt hat. »Meine beiden Mitarbeiter, Gerald Guralnik und Carl Richard Hagen, und ich haben zu dieser Entdeckung beigetragen. Aber unser Artikel war ohne Frage der letzte der drei Publikationen. Es ist deshalb keine Überraschung, dass die Schwedische Akademie sich nicht in der Lage dazu sah, uns einzuschließen aufgrund ihrer selbst auferlegten Regel, dass der Preis nicht unter mehr als drei Leuten geteilt werden soll«, räumte er ein.

Niemand bezweifelt allerdings, dass Englert und Higgs den Nobelpreis »wahrlich verdient« haben, wie es Sean Carrol vom California Institute of Technology ausdrückt. »Ihre Leistung ist eines der absolut beeindruckendsten Beispiele für das Verständnis, mit welcher Präzision die Natur auf einer tiefen Ebene funktioniert«, sagt der Theoretische Physiker, der 2012 ein sehr lesenswertes Buch über den Higgs-Mechanismus und alles Folgende veröffentlicht hatte, The Particle at the End of the Universe. »Das ist die Anerkennung eines Triumphs der Grundlagenphysik, der in den Geschichtsbüchern Jahrtausende überdauern wird«, stimmt Ben Allanach zu, ein Theoretischer Physiker an der Cambridge University. »Ich bin begeistert über diesen Preis, und sowohl Englert als auch Higgs haben ihn sehr verdient. Man kann die Bedeutung der Entdeckung gar nicht überbetonen.«

Spekulationen, neben Englert und Higgs könnte das CERN der Dritte im Bunde sein, gab es zwar auch. Doch sie waren eigentlich müßig. Denn Institutionen sind für Wissenschaftsnobelpreise nicht vorgesehen. Obwohl manche dachten, Forscher wie Laien, dass das Nobelpreis-Komitee vielleicht die Statuten ändern würde – und viele das auch für erforderlich halten angesichts der immer größeren Teams in der Grundlagenforschung. Zumindest in einigen Bereichen ist die Zeit des »einsamen Genies« in der Wissenschaft vorbei. Man könnte daher natürlich auch pars pro toto einer Person den Preis verleihen – doch wem? In diesem Fall CERN-Generaldirektor Rolf-Dieter Heuer? Oder einem der Hauptverantwortlichen beim Bau des Large Hadron Colliders, etwa dem Projektmanager Lyndon Evans? Oder den – aktuellen oder aber bei der Entdeckung des Teilchens amtierenden – Sprechern der Detektoren ATLAS und CMS, mit denen das Higgs-Boson schließlich nachgewiesen wurde?

»Keiner von uns arbeitet für den Preis, sondern aus Neugier und innerem Antrieb«, betonte Thomas Naumann vom Forschungszentrum DESY in Zeuthen, der zum ATLAS-Team gehört. »Ein lustiger Vorschlag war, dem Teilchen selbst den Preis zu verliehen, als Dank dafür, dass es uns allen Masse verleiht.«

Am CERN war die Freude über den Nobelpreis jedenfalls groß – die Rolle des Forschungszentrums wurde in der Begründung, in allen Reden und Schriften ja auch ausführlich gewürdigt, ebenso im Echo der Presse. »Es ist ein großer Tag für die Teilchenphysik, sowohl für die Theorie als auch für die Experimente«, sprach CERN-Generaldirektor Rolf-Dieter Heuer zu ein paar hundert Kollegen, die sich in der Eingangshalle des CERN-Gebäudes 40 versammelt hatten (wo viele ATLAS- und CMS-Forscher wie auch Heuer ihre Büros haben), um live die Nobelpreis-Bekanntmachung über den Webstream zu hören. Applaus brandete auf, und Heuer ermunterte alle, auch sich selbst zu applaudieren, denn »wir sollten alle stolz sein auf diese Leistung«. Mit mehreren Wissenschaftlern hielt Heuer dann kurze Zeit später, um 14 Uhr, auch eine Pressekonferenz ab.

© M. Brice, A. Pantelia (2013), CERN (2013).

Nobelpreis-Freude: Im Anschluss an die Nachricht aus Stockholm hielt Generaldirektor Rolf-Dieter Heuer eine kurze Ansprache am CERN.

Hinter vorgehaltener Hand war bei manchen Forschern gleichwohl eine Spur Enttäuschung zu vernehmen. Schließlich hätten ohne die LHC-Entdeckung des Bosons Englert und Higgs den Preis schwerlich erhalten, so die Überzeugung. Aber das alles ist »soziales Rauschen«, und um Preise sollte es in der Forschung ohnehin nicht gehen. (Außerdem können die LHC-Spitzenleistungen ja auch künftig noch bedacht werden, und einige andere renommierte Preise haben sie bereits eingeheimst.)

Peter Higgs ist in dieser Hinsicht auch menschlich-moralisch ein Vorbild. Bescheiden, fast scheu, war ihm der bereits vor ein paar Jahren einsetzende Rummel um seine Person nie recht geheuer. Selbst der Trubel unter den Physikern, als er im April 2008 das CERN besucht hatte, um die LHC-Detektoren anzuschauen, war ihm fremd. (Er musste sogar einige der unter Tage obligatorisch zu tragenden Plastikhelme signieren, die kurz darauf von den Autogrammjägern versteigert wurden.) Auch das gesellschaftliche Prestige-Traritrara meidet er. So lehnte er den britischen »Ritterschlag« ab, weil er nicht »diese Art von Titel« wollte.

Peter Higgs, der weder Handy...

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