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VWL für Finanzpraktiker

Geldpolitik, Wirtschaftszyklen, Konjunkturindikatoren, Zahlungsbilanz

AutorOliver Letzgus
VerlagSchäffer-Poeschel Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl164 Seiten
ISBN9783791041186
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis33,99 EUR
Welche Folgen haben Globalisierung und neuer Protektionismus? Warum wertet der Dollar ab, wenn die Fed den Leitzins senkt? Welche konjunkturellen Indikatoren bewegen die Märkte? Die geld- und währungspolitischen Zusammenhänge bergen auch für Profis an den Märkten und in der Wissenschaft viele Rätsel. Didaktisch gut aufbereitet vermittelt der Autor das nötige VWL-Know-how. Neben den volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Grundlagen der monetären Ökonomie werden die Rolle des Staates in einer marktwirtschaftlichen Ordnung, Konjunktur und Wachstum sowie das Verhältnis von Ökonomie und Umwelt betrachtet.

Oliver Letzgus Prof. Dr.Oliver Letzgus, Duale Hochschule Baden-Württemberg Mosbach Campus Heilbronn.

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Leseprobe

2   Grundlagen der monetären Ökonomie


2.1   Geld und Inflation


2.1.1   Das Wesen des Geldes


Wirtschaftliche Laien sind immer wieder überrascht darüber, dass selbst unter Fachleuten keine Einigkeit über den Begriff des Geldes herrscht. Es ist deswegen auch häufig die Rede vom „Rätsel Geld“. Wegen des Fehlens einer allgemeingültigen Definition behilft man sich des Umwegs, wonach all das als Geld anzusehen ist, was folgende drei Funktionen erfüllt:

  • Recheneinheit oder Wertmaßstab: Durch die Existenz von Geld kann der Marktwert aller wirtschaftlichen Güter – zumindest innerhalb eines Währungsraumes – unmittelbar miteinander verglichen werden. Geld dient als anerkannte Recheneinheit bei allen Tauschvorgängen. Es übernimmt in der Volkswirtschaft damit die Rolle, die etwa ein Längenmaß in der Entfernungsfeststellung innehat. 1 Euro besitzt damit grundsätzlich dieselbe Bedeutung wie der „Urmeter“ in Paris: So, wie jede Strecke durch die genannte Längeneinheit quantifiziert werden kann, so kann auch der Wert eines Gutes durch die Recheneinheit Geld bestimmt werden. (Anmerkung: Stillschweigend soll an dieser Stelle davon ausgegangen werden, dass Geld wertstabil ist.)

  • Tausch- und Zahlungsmittel: Das Vorhandensein von Geld erleichtert Tauschvorgänge. Es entbindet die Tauschpartner von dem in Vor-Geldwirtschaften üblichen Naturaltausch „Ware gegen Ware“. Stattdessen erfolgt ein Tausch „Ware gegen Geld“. Der Verkäufer einer Ware – sprich der Empfänger von Geld – ist in diesem Fall viel flexibler in der Verwendung der erhaltenen Gegenleistung als wenn er eine andere Ware bezogen hätte, für die er mit viel Mühe wieder einen Tauschpartner hätte suchen müssen, um letztendlich in den Genuss genau der Ware zu gelangen, die er ursprünglich gewollt hatte. Hinzu kommt, dass Geld nahezu beliebig teilbar ist, was den Tausch ebenfalls erleichtert. Eine moderne arbeitsteilige und hoch spezialisierte Volkswirtschaft wäre ohne Geld jedenfalls nicht denkbar.

  • Wertaufbewahrungsmittel: Neben den beiden genannten Funktionen dient Geld zudem als Wertspeicher. Wirtschaftssubjekte werden dadurch in die Lage versetzt, Einnahmen (Einkommen der Haushalte, Gewinne der Unternehmen, Steuereinnahmen des Staates) und Ausgaben (Konsum, Investitionen) zeitlich auseinanderfallen zu lassen – also zu sparen. Dies beruht unter anderem auf der Eigenschaft von Geld, im Gegensatz zu vielen herkömmlichen Waren nicht verderblich zu sein – wenn man unterstellt, dass Geld nicht von Inflation verdorben wird. In der Rolle als Wertspeicher konkurriert Geld jedoch mit anderen Vermögensgegenständen wie Aktien, Anleihen, Gold oder Immobilien. Der Mangel an Ertrag – Geld wirft in der Regel keine oder nur geringe Zinsen ab – wird jedoch durch seine hohe Liquidität wettgemacht. Oder anders formuliert: Geld kann sofort zum Güterkauf verwendet werden. Für eine Immobilie etwa muss zunächst aufwändig ein Käufer gefunden werden, damit der Verkäufer später ein flüssiges Tauschmittel in den Händen hält.

Legt man diese drei Funktionen zu Grunde, besitzen lediglich Bargeld (Geldscheine, Münzgeld) und Giralgeld – Buchgeld („Sichteinlagen“), über welches jederzeit per Anweisung verfügt werden kann (z. B. per Girokarte oder via Mobile Payment übers Smartphone) – uneingeschränkt Geldcharakter. Das vor der Einführung von Münzen und Geldscheinen gebräuchliche Warengeld (etwa Rinder, Olivenöl oder Diamanten) spielt in modernen Gesellschaften keine Rolle mehr, da es im Vergleich zu Bargeld Probleme bei der Haltbarkeit, Teilbarkeit oder beim Transport bereitet. Selbst der unmittelbare Vorläufer unseres modernen Geldes, sprich Warengeld auf der Basis wertvoller Metalle wie Gold oder Silber, wurde inzwischen fast vollständig vom Papier- und Giralgeld verdrängt.

Papiergeld und heutige Münzen besitzen keinen eigenen, stofflichen Wert. Sie stiften nur einen abgeleiteten Nutzen, der darauf beruht, dass man damit nützliche Dinge erwerben kann. Geld wird also nicht um seiner selbst willen angestrebt, sondern als Voraussetzung für Konsumtätigkeiten oder für Sparzwecke (sprich aufgeschobenen Konsum).

Streng genommen ist Geld lediglich eine Forderung. Je nachdem, gegen wen sich diese Forderung richtet, spricht man von Zentralbankgeld oder Geschäftsbankengeld. Zentralbankgeld umfasst neben Bargeld noch Sichteinlagen der Geschäftsbanken bei der Notenbank („Mindestreserve“). Ausschließlich Zentralbankgeld gilt als gesetzliches Zahlungsmittel. Geschäftsbankengeld („Geld auf dem Girokonto“) repräsentiert Forderungen der Kunden gegenüber ihrem Kreditinstitut. Die Inhaber von Sichteinlagen können von ihrer Bank den jederzeitigen Umtausch in Bargeld verlangen. Bezogen auf das Gesamtvolumen stellt Bargeld nur einen kleinen Teil der gesamten Geldmenge dar. Der Löwenanteil entfällt auf Buch- oder Giralgeld.

Quelle: Eigene Darstellung

Abb. 2.1: Geldarten

Die Übergänge von Geld in seiner Funktion als Wertaufbewahrungsmittel zu anderen Anlageformen sind fließend. Zwar kann etwa über Spareinlagen nicht per Girokarte verfügt werden, weshalb diese nicht als Geld im engeren Sinne gelten. Es stellt jedoch kein größeres Problem dar, Sparguthaben auf das Girokonto zu übertragen und so zu Geld zu machen. Für Spar- und Termineinlagen, aber auch Geldmarktfondsanteile, hat sich deshalb auch der Begriff des Quasigeldes (near money) eingebürgert.

Die Notenbanken, die für die Geldversorgung verantwortlich sind, haben diesem Umstand Rechnung getragen, indem sie die Geldmenge in verschiedene Aggregate (M1, M2 und M3) unterteilten. M1 umfasst mit Bar- und Giralgeld dabei Geld im klassischen Sinne. Bei den Geldmengenaggregaten M2 und M3 kommen ergänzend verschiedene andere mehr oder minder geldnahe Finanzanlagen hinzu, wie der Abbildung 2.2 zu entnehmen ist. Zu berücksichtigen ist, dass jeweils nur Geld erfasst wird, das sich in Händen von im Euroraum ansässigen „Nichtbanken“, also Staat, Privathaushalten und Unternehmen, befindet. Geldbestände bei Banken und Bausparkassen fallen nicht darunter.

Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, Mai 2017

Abb. 2.2: Geldmengenkonzepte der EZB

An dieser Stelle will ich ausdrücklich mit einem immer noch weit verbreiteten Missverständnis aufräumen. Eine irgendwie geartete Golddeckung gibt es heute nicht mehr. Viele Menschen sind noch dem Gedanken verhaftet, zumindest ein nennenswerter Teil des Geldumlaufs sei durch Goldbestände der Notenbank gedeckt. Der Goldstandard ist aber schon lange beerdigt, in Deutschland mit Beginn des 1. Weltkriegs. Stattdessen wird Geld von einer staatlich beauftragten Notenbank im Umlauf gebracht. Stoffwertloses Papier wird durch staatlichen Erlass zum gesetzlichen Zahlungsmittel. Wer es in den Händen hält, vertraut darauf, dass es auch von den anderen Marktteilnehmern akzeptiert wird. Darin liegt sein eigentlicher Wert. Geht dieses Vertrauen verloren, etwa weil zu viel Geld gedruckt wird, ist eine Geldwirtschaft relativ rasch am Ende. Die wichtigste Aufgabe einer Notenbank liegt deshalb darin, die Geldmenge knapp zu halten, denn nur ein knappes Gut besitzt auch einen ökonomischen Wert. Im Euroraum ist hierfür die Europäische Zentralbank (EZB) verantwortlich.

2.1.2   Zum Wert des Geldes: Inflation und Deflation


In modernen Volkswirtschaften wird der Tauschwert eines Gutes, sein Preis, üblicherweise in Geldeinheiten ausgedrückt („Eine Tafel Schokolade kostet einen Euro...“). Der Wert des Geldes bestimmt sich daraus, welche Gütermenge mit einer bestimmten Geldsumme erworben werden kann. Die Kaufkraft des Geldes und die Güterpreise stehen demnach in einer gegenläufigen Beziehung: Mit einer gegebenen Geldsumme kann bei einem niedrigen Preis(niveau) für ein bestimmtes Güterbündel eine verhältnismäßig große Menge gekauft werden. Bei (durchschnittlich) steigenden Preisen wird diese Menge kleiner. Die Kaufkraft des Geldes nimmt ab, der Geldwert sinkt.

Geld fungiert aber bekanntermaßen nicht nur als Recheneinheit zur erleichterten Abwicklung von Tauschvorgängen. Es dient auch als Wertaufbewahrungsmittel, also für Sparzwecke. Wie groß der Anteil der Einnahmen ist, der für spätere Ausgaben zurückgelegt wird, hängt unter anderem von der Einkommenshöhe (Haushalte mit hohem Einkommen haben gewöhnlich eine höhere Sparquote als Haushalte mit niedrigem Einkommen), der Zeitpräferenz (wie stark bevorzugen Haushalte Gegenwarts- gegenüber Zukunftskonsum) und der Prämie für die Geldhaltung – sprich der Zinshöhe – ab. Eine zentrale Rolle für das Sparverhalten spielt zudem die Erwartung zur zukünftigen Kaufkraft des Geldes: Ist mit einer Geldentwertung, also mit allgemein steigenden Güterpreisen zu rechnen, dürfte die Sparneigung nachlassen, sofern keine ausreichende Kompensation durch die Zinserträge erfolgt. Alle Geldfunktionen hängen damit unmittelbar von der Preisniveauentwicklung ab.

Messung von Preisniveauänderungen

Das gebräuchlichste Maß für die Entwicklung der Kaufkraft des Geldes ist die Veränderung der Verbraucherpreise. Die hierfür verwendeten Preisindizes der privaten Lebenshaltung („Verbraucherpreisindizes„) basieren auf Warenkörben, die das Verbrauchsverhalten repräsentativer Konsumenten widerspiegeln und in regelmäßigen Abständen in ihrer Zusammensetzung an die Entwicklungen des Verbraucherverhaltens angepasst werden. Geldentwertung wird...

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