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E-Book

Warum Hitler King Kong liebte, aber den Deutschen Mickey Maus verbot

Die geheimen Lieblingsfilme der Nazis

AutorVolker Koop
VerlagBeBra Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783839301272
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Hitler ließ sich fast jeden Abend mehrere Spielfilme vorführen. Propagandaminister Goebbels stellte schönen Schauspielerinnen nach und versuchte nebenbei vergeblich, den deutschen Film auf Hollywood-Niveau zu bringen. Viele NS-Größen verfügten über private Kinosäle, in denen sie ungestört ausländische Musicals und Komödien genießen konnten. Gauleiter und Generäle bemühten abstruse Argumente, um den Zeichentrickfilm 'Schneewittchen und die sieben Zwerge' sehen zu dürfen ... Volker Koop enthüllt in diesem Buch nicht nur die Lieblingsfilme des 'Führers' und seiner Getreuen, sondern beschreibt auch, wie sich zahlreiche Filmschaffende bei den Nazis anbiederten und von deren Gunst profitierten.

Volker Koop, geboren 1945 in Oberbayern, arbeitet seit 1994 als freier Buchautor und Publizist. Im Jahr 2003 erhielt er gemeinsam mit Marcel Reich-Ranicki in Rom den italienischen Kulturpreis 'Capo Circeo'. Seine Bücher sind u. a. auch ins Japanische und Tschechische übersetzt worden.

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Leseprobe

King Kong und Micky Maus


Der Filmgeschmack des deutschen Diktators


Die Karriere eines Cineasten


Hitler wurde nicht erst als Reichskanzler zum Filmenthusiasten. Schon in den 1920er-Jahren, als er in München seine politische Karriere als Redner, Parteiführer und Putschist begann, war er ein regelmäßiger Kinogänger. Sein langjähriger Weggefährte Ernst Hanfstaengl notierte: »Die Abwechslung, der Hitler selbst im wildesten Trubel dieser spannungsgeladenen Zeit mit bemerkenswerter Pünktlichkeit und Regelmäßigkeit nachging, waren seine Kinobesuche. Diese Gewohnheit behielt er auch in seinen Kanzlerjahren bei, und ihr zuliebe ließ er sogar wichtige Besprechungen ausfallen.«[1] Das deckt sich mit den Eintragungen in Goebbels’ Tagebüchern, die vor 1933 zahlreiche gemeinsame Kinobesuche mit Hitler verzeichnen; so waren die beiden zum Beispiel im Februar 1932 von einem Film mit Greta Garbo »ergriffen und erschüttert«.[2]

Seine Bewunderung für die großen Stars der Stummfilmzeit wie Greta Garbo, Henny Porten oder Pola Negri bewahrte sich Hitler zeitlebens. Auch daran wird deutlich, dass seine Karriere als Filmliebhaber früh begonnen haben dürfte. Reinhold Hanisch, sein Geschäftspartner aus Wiener Zeiten, berichtete sogar von einem Kinobesuch Hitlers um 1910.[3] Das erscheint nicht unwahrscheinlich, denn gerade in dieser Zeit erlebte das europäische Kino einen ersten Boom und erreichte mit zahlreichen Neueröffnungen und erschwinglichen Eintrittspreisen zunehmend auch die einfachen Bevölkerungsschichten der Arbeiter, Angestellten und Arbeitslosen – also genau das damalige Milieu des späteren Diktators. Die Faszination Hitlers für das neue Medium Film wird auch an vielen Stellen seines Pamphlets »Mein Kampf« deutlich, dessen erster Band im Juli 1925 erschien. Darin beklagte er sich etwa darüber, »wie in Theater und Kino, in Schundliteratur und Schmutzpresse Tag für Tag das Gift kübelweise in das Volk hineingeschüttet wird«[4] und beschrieb mehrfach seinen Abscheu beim Anblick der »Auslagen und Anschlagsäulen«, auf denen die »gräßlichen Machwerke für Kino und Theater« angepriesen wurden.[5] Was für eine Genugtuung muss es für ihn gewesen sein, als er nach 1933 den »Speisezettel unserer Kinos, Varietes und Theater« nach seinem eigenen Gusto bestimmen durfte. Ob er sein erklärtes Ziel, das Kulturleben – und damit auch den Film – »von dem erstickenden Parfüm unserer modernen Erotik (…) genau so wie von jeder unmännlichen prüden Unaufrichtigkeit« zu befreien,[6] tatsächlich erreichte, darf angezweifelt werden.

Bagatellniveau auf dem »Berghof«


In vielen Erinnerungen und Memoiren von Personen aus Hitlers Umgebung ist die Rede von Filmvorführungen mit ihm. Die im Folgenden zitierten Schilderungen zeichnen allerdings nur ein unvollständiges Bild; oftmals sind es nur einzelne Sätze, die auf Hitlers Manie verweisen. So erwähnt der NS-Chefideologe Alfred Rosenberg in seinen Tagebüchern ein einziges Mal, nämlich unter dem 18. März 1935, »dass er mit Hitler »einen Film im Saal des Führers« angesehen habe.[7] Es ist jedoch davon auszugehen, dass er häufiger an solchen Vorführungen teilhaben durfte und dass es anderen, von denen keine Tagebücher vorliegen, ähnlich erging.

Bei einer Wannsee-Fahrt, deren Datum nicht überliefert ist, unterhielten sich Hitlers Chefadjutant Julius Schaub, der Fotograf Heinrich Hoffmann und der Regisseur Veit Harlan über Hitlers Filmleidenschaft. An der Reling stehend und »tief aufatmend« sagte Schaub zu Harlan: »Glauben Sie nur nicht, dass ich ein schönes Leben habe. Ich habe mir gestern Abend drei – sprich: drei! – Filme ansehen müssen und heute früh wieder einen. Und das auf nüchternen Magen. Der Führer hat darin eine unbeschreibliche Ausdauer. Leider interessiere ich mich für Filme überhaupt nicht. Glauben Sie mir, ich sitze in einem goldenen Käfig, aus dem ich nie wieder in die Freiheit komme«[8] Hoffmann schloss sich der Klage an und beschwerte sich darüber, dass Hitler Filme, die ihm gefielen, immer wieder ansehe.[9] Ihm bleibe dann nichts anderes übrig als mitzumachen. Den Siegfried[10]-Film aus Fritz Langs Nibelungen-Epos habe Hitler mindestens zwanzigmal gesehen, die Komödien Die Finanzen des Großherzogs[11] und Die Feuerzangen-Bowle[12] (beide mit Heinz Rühmann) nicht viel seltener. Der Hinweis auf die Feuerzangen-Bowle ist – sollte es sich nicht um eine Verwechslung Hoffmanns handeln – insofern von Bedeutung, als damit deutlich wird, dass Hitler auch in den letzten Kriegsmonaten von seiner Filmleidenschaft nicht lassen mochte.

 

Hitler bei der Uraufführung des Films »Morgenrot« im Berliner Ufa-Palast, 1933.

 

Zu den engsten Vertrauten Hitlers gehörte Julius Schaub. 1920 in die NSDAP eingetreten, war er 1925 von Hitler privat als persönlicher Mitarbeiter angestellt worden und hatte im Oktober 1940 dessen bisherigen Chefadjutanten Wilhelm Brückner abgelöst. Das enge Verhältnis zu Hitler zeigte sich unter anderem daran, dass dieser Trauzeuge bei Schaubs zweiter Hochzeit war. Kaum einer war über viele Jahre so nah an Hitlers Seite zu finden wie Schaub, wenngleich ein Gericht später meinte, er sei lediglich ein »besserer Kammerdiener« gewesen. Was er in seinen Erinnerungen über Hitlers Verhältnis zum Film schreibt, kann daher als glaubwürdig eingeschätzt werden. Dies gilt auch für die Beschreibung eines ganz normalen Tagesablaufs auf dem »Berghof«, Hitlers 1928 gemieteten und 1933 gekauften Landsitz bei Berchtesgaden. Jeden Abend sei dort, so Schaub, »bis zum letzten Friedenstage« ein Film vorgeführt worden und Hitler habe sich jeden dieser Filme angesehen.[13] Anschließend hätten sich zwanglose Gruppen zur Unterhaltung zusammengefunden. Im eintönigen, immer wiederkehrenden Prozedere der »Berghof«-Abende habe es selten eine Abwechslung gegeben.[14] Wenn prominente Schauspielerinnen oder Schauspieler zufällig nach Berchtesgaden kamen, seien sie auf den »Berghof« eingeladen worden. Auch der damalige Direktor der Bavaria-Filmgesellschaft, Helmut Schreiber, sei zwei- bis dreimal dort erschienen. Schreiber, unter dem Pseudonym Kalanag zugleich ein erfolgreicher Magier und Illusionist, war Präsident des »Magischen Zirkels« und begeisterte Hitler dann oft mit Zauberkunststücken.[15]

Fritz Wiedemann, im Ersten Weltkrieg als Leutnant Hitlers Vorgesetzter und ab 1935 einer seiner Adjutanten, schilderte später, dass jeweils nach dem Abendessen der »unvermeidliche Film« gezeigt worden sei.[16] Wiedemann brachte allerdings Verständnis für die Marotte seines Chefs auf, denn Hitler habe Ablenkung gebraucht und nicht allzu oft in öffentliche Theater gehen können. »Aber warum mussten es nun täglich Filme sein?«, fragte er. »Das Jahr hat 365 Tage, und es gab nicht viele Tage, an denen die Filmvorführungen ausfielen.« Für die Adjutanten, also auch für ihn, sei es nicht immer einfach gewesen, neue Filme zu besorgen. »Uns standen zwar alle Filme zur Verfügung, die im Propagandaministerium einliefen, selbstverständlich auch die ausländischen, aber wie viele gute Filme gibt es überhaupt im Jahr? Somit war es also meist eine recht seichte Unterhaltung, mit der wir uns die ersten Abendstunden vertrieben. Immerhin vermittelten die vielen ausländischen Filme Hitler wenigstens einige Eindrücke über das Denken und die Lebensgewohnheiten anderer Völker.« Wiedemann vermutete, dass Hitler sich seine Meinung über die Kultur anderer Nationen und ihre Denkweise vorwiegend aus der Vielzahl der von ihm konsumierten Unterhaltungsfilme gebildet habe. Hitlers meist von Halbwissen geprägte Ausflüge in die Geschichte oder in Bereiche der Wissenschaft sprechen für die Richtigkeit dieser Einschätzung.

 

Die Entourage des »Führers« – v. r. n. l.: Albert Bormann, Martin Bormann, Julius Schaub und Hans Lammers, 1942.

 

Hitlers Luftwaffen-Adjutant Nicolaus von Below berichtete, dass sich die Adjutanten bemüht hätten, für die abendlichen Zusammenkünfte unterhaltsame Gäste zu finden, mit denen Hitler gern sprach. Auch er ging auf die Filmvorführungen ein, die im Anschluss an die Gespräche stattfanden: »Während des Essens legte der Diener die Liste der neuesten Filme vor. Goebbels ließ auch gute und internationale ausländische Filme auf diese Liste setzen. Die deutschen Filme waren oft noch nicht in den öffentlichen Filmtheatern gelaufen. Stand ein besonders guter neuer Film auf der Liste, kam es vor, dass Goebbels abends anwesend war, um Hitlers Ansicht über den Film kennenzulernen, auch um manchmal Hitlers Meinung zu beeinflussen. Der Film wurde im Musiksalon vorgeführt. Das in der Führerwohnung anwesende Personal, also Diener, Hausmädchen, Begleitkommando und wartende Fahrer von Gästen, konnte sich ebenfalls die Filme ansehen. Nach der Filmvorführung begab sich Hitler in das Rauchzimmer und nahm mit seinen Gästen und seinem Stab Platz vor dem Kamin. Es wurden Getränke nach Wunsch gereicht, vom Tee bis zum Sekt. Wenn der Abend lang wurde, gab es noch Gebäck und Schnittchen.«[17]

 

Auf dem »Berghof«: Hinter dem Gobelin befand sich die Filmvorführkabine.

 

Albert Speer, der Architekt, Reichsminister für Rüstung und Bewaffnung sowie Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt Berlin, beschrieb das räumliche Umfeld, in dem sich Hitler auf dem Obersalzberg nahezu Abend für Abend verlustierte.[18] Die Halle des »Berghofs« war vom Architekten Paul Ludwig Troost zwar sparsam, aber mit überlebensgroßen Möbeln eingerichtet worden: mit einem Schrank von über...

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