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E-Book

Warum ich Religion hasse. Und Jesus liebe.

AutorJefferson Bethke
VerlagGerth Medien
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783961220052
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Religion ist der Mensch, der sich nach Gott ausstreckt - Christentum aber Gott, der sich nach dem Menschen ausstreckt. Jefferson Bethke räumt kräftig mit unseren Vorstellungen von Religion auf. Er zeigt, dass sie Feindbilder schafft, Jesus aber Freunde. Dass Religion unfrei macht und verletzt, Jesus aber befreit und heilt. Dass Religion nach Fehlern sucht, Jesus aber Unterschiede feiert. Und er geht der Frage nach, was in unseren Gemeinden passieren könnte, wenn wir Liebe, Gnade, Frieden und Hoffnung wirklich leben würden. Ein Buch für Denker, Suchende und Fragende. 'Wir haben den echten Jesus verloren - oder zumindest haben wir ihn gegen einen neueren, ungefährlicheren, keimfreien, unwirksameren eingetauscht. Wir haben eine christliche Subkultur geschaffen - mit ihren ganz eigenen Bräuchen, Regeln, Ritualen, Vorbildern und Produkten -, die nicht das Geringste mit dem wilden, revolutionären Glauben des biblischen Christseins zu tun hat. Der Jesus, den unsere Subkultur anbetet, wäre niemals gekreuzigt worden - dazu ist er viel zu nett.' Jefferson Bethke

Jefferson Bethke ist verheiratet und lebt mit seiner Familie auf Hawaii. Er ist Mitinhaber einer Firma mit Namen 'Claro Candles'. Bekannt wurde er durch sein Video 'Why I Hate Religion, But Love Jesus'.

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Leseprobe

2

WARUM ICH

IMMER NOCH DAVON

ÜBERZEUGT BIN,

DASS JESUS RELIGION

HASST (UND DU DAS

AUCH TUN SOLLTEST)

Es war die Zeit des Jahres, in der auf dem Campus eine seltsame Stimmung herrschte – einerseits war da die Freude darüber, dass das Semester bald vorbei war, andererseits aber auch der Druck, zunächst noch die Abschlussklausuren schreiben zu müssen. Alle waren gestresst. Es war recht still auf dem Campus, weil die Studenten versuchten, alles nachzuholen, was sie in den vergangenen dreieinhalb Monaten nicht gelernt hatten. Ich freute mich schon auf ein paar willkommene Unterbrechungen durch kleine Belohnungen oder Aktivitäten, die der Studentenausschuss während der Prüfungswoche immer organisierte. Manchmal gab es kostenlos Massagen in der Cafeteria. Manchmal auch Gratis-Mahlzeiten oder -Süßigkeiten.

Ich war zwar gerade erst von einem selbst ernannten christlichen College an eine säkulare Universität der Freien Künste gewechselt, rechnete aber trotzdem weiterhin damit. Während ich in meinem Zimmer saß und lernte – wahrscheinlich auf Facebook chattete, aber lassen wir das –, klopfte es an meine Tür. Ich machte auf und wurde von meiner liebenswürdigen Wohnheimsprecherin begrüßt, die mir mit der einen Hand einen Korb mit Lutschern und mit der anderen einen Korb mit Kondomen hinhielt.

Fröhlich meinte sie: „Lutscher und Kondome! Für geschützten Verkehr und eine stressfreie Prüfungswoche!“

Ich weiß noch, wie ich dachte: Genau das hat mir bei der Vorbereitung auf meine Prüfungen gefehlt – eine Überdosis Zucker und vollelastische Verhütung.

Ich war definitiv nicht mehr an einem christlichen College! Einige Monate später machten sie noch einmal etwas Ähnliches: Sie klebten Plakate mit der Aufschrift „Was ihr schon immer über Sex wissen wolltet“ und Kondome an die Wände des Wohnheims. Ich glaube, früher haben sie das mit Reißnägeln gemacht, aber du kannst dir sicher denken, dass das nicht so effektiv war.

Es war eine radikale Umstellung. Innerhalb von ein paar Stunden erkannte ich den krassen Unterschied zwischen meinem strengen frommen College in San Diego und meiner neuen Universität der Freien Künste in Portland. Alles war typisch für Portland: Es war das Mekka der Schwulenrechte. Es gab kein Wasser in Plastikflaschen, weil das nicht umweltfreundlich war. Alle trugen Rastalocken und die Mädchen rasierten sich die Achselhaare nicht. Na gut, Letzteres stimmt nicht so ganz. Es war eine Universität für progressiv-liberale Körnerfresser, an der aus Lehrbüchern von bekennenden Atheisten und linksgerichteten Politikwissenschaftlern unterrichtet wurde. Aber ich war gerne dort. Wirklich. Es war wunderbar. Wenn ich mich noch einmal entscheiden müsste, würde ich wieder dorthin gehen.

Das Lustige an der Sache ist, dass ich kein Christ war, als ich auf ein christliches College ging, aber als ich auf eine säkulare Universität ging schon. Man sollte meinen, dass ich mich zu dem christlichen College zurückgesehnt hätte. Aber das Gegenteil war der Fall. Ich fand die christliche Schule muffig, heuchlerisch und mit Vorurteilen behaftet. Ich ertrug es nicht länger, nach jedem Baseballtraining mit dreißig Jungs zusammen zu beten, die alle ein Kreuz um den Hals trugen und ein paar Stunden später in der einen Hand ein Bier und im anderen Arm ein Mädchen haben würden (und ich selbst war da auch nicht besser). Es klingt seltsam, aber an meiner neuen Uni fühlte ich mich geliebt und angenommen. Man musste nicht mehr raten, wer wirklich Christ war und wer nicht. Wenn man hier behauptete, Christ zu sein, brachte einem das keine Extrapunkte – man konnte im Gegenteil sogar welche einbüßen. Diese Atmosphäre hatte etwas, das mich anzog.

In meinem letzten Studienjahr war ich Wohnheimsprecher, was bedeutete, dass ich quasi der „Hausvater“ war. Ich machte den Leuten auf, die sich ausgesperrt hatten, meldete es, wenn jemand gegen die Regeln verstieß – von denen es nicht viele gab –, und war für die da, die persönliche Probleme oder Probleme im Studium hatten. Weil ich jeden Tag mit Studenten zu tun hatte, bekam ich ein Gespür dafür, was sie über Gott, Jesus, Religion und Christen dachten.

Was mich immer wieder überraschte, war, wie wenig die meisten Studenten über Jesus wussten. Ich hörte Sätze wie: „Ich könnte niemals Jesus nachfolgen. Ich will weiter Bier trinken können.“ Oder: „Warum sollte ich Jesus mögen? Er hasst Schwule.“ Ich weiß noch, wie ich dachte: Hä? Ich trinke immer noch Bier und hasse keine Schwulen. Am besten gefiel mir die Antwort meines Kommilitonen aus dem Baseballteam, als ich ihn einmal fragte, was er von Jesus hielt: „Klar, ich liebe Jesus – und Buddha auch. Ich bin ein christlicher Buddhist.“ Ich musste mich gewaltig beherrschen, um nicht loszulachen. Ein christlicher Buddhist? Das ist in etwa das Gleiche wie ein Käseliebhaber mit Laktoseintoleranz.

Eine Universität ist ein interessanter Ort. Studenten haben wenig bis gar keine Verantwortung, stellen alles infrage, woran wir glauben, und leben nur hundert Meter von all ihren Freunden entfernt. Die meisten Unis haben auch eine ziemlich dunkle Seite. Als Wohnheimsprecher erlebte ich das ganze Leid meiner Generation aus erster Hand. Heutzutage sind Unis eine Brutstätte für falsche Entscheidungen, seelischen Zerbruch und großen Schmerz.

Das alles geschieht natürlich hinter den Kulissen, denn dem Mädchen, das im ersten Semester vergewaltigt wird, oder dem junge Mann, der mit Depressionen kämpft, sieht man das nicht an, wenn sie in der Vorlesung sitzen. Wenn Menschen etwas beweisen wollen, dann stellen sie ihr zerbrochenes Inneres nicht zur Schau. Aber ich habe immer wieder erlebt, dass Menschen ausgepackt haben – nachts, in ihrem Zimmer, nach einer weiteren Katastrophe oder wenn sie wieder mal zu viel getrunken hatten. Sie gaben alle zu, dass sie ihr Leben nicht im Griff hatten. Sie waren innerlich leer, voller Sehnsucht und Verlangen, auf der Suche.

Die Schwester eines Freundes hatte ihrer Familie gerade gestanden, dass sie lesbisch war. Es zerriss die Familie, weil der Vater sich weigerte, „eine lesbische Tochter zu haben“. Eine andere Freundin gestand mir, dass sie sich selbst hasste, weil sie mit ihrem Exfreund, mit dem sie nicht einmal mehr sprach, geschlafen und ihre Jungfräulichkeit verloren hatte. Ein anderes Mädchen trug die ungeheure Last, neben dem Studium für ihre kleine Schwester sorgen zu müssen, weil ihr Vater die Familie verlassen hatte und ihre Mutter arbeiten musste.

Ich sah, wie einige meiner Kommilitonen sich fast zu Tode tranken oder versuchten, sich das Leben zu nehmen – und wenn der Krankenwagen nicht rechtzeitig gekommen wäre, hätten sie es vielleicht auch geschafft.

Ich fragte mich: Was ist bei mir anders? Noch zwei Jahre zuvor hatte ich selbst mit Depressionen gekämpft. Ich hatte mit Selbstmordgedanken gekämpft. Ich kämpfte mit Schuldgefühlen und dem schlechten Gewissen, das oft die Folge von One-Night-Stands ist. In meinem ersten Jahr auf dem College hatte ich mich ständig betrunken, mit Mädchen rumgemacht und gelebt, als sei die ganze Welt nur dazu da, meine Bedürfnisse zu erfüllen. Ich hatte keine Sekunde daran gedacht, die seelischen, geistlichen und geistigen Splitter herauszuziehen, die durch meinen ich-bezogenen Lebensstil in meiner Seele steckten. In meinem Inneren war ich einfach nur ein verängstigter, kleiner Junge, der sein ganzes Leben lang zutiefst verunsichert gewesen war und immer in der Hoffnung lebte, dass andere ihm sagten, er sei gut genug.

Natürlich würde niemand das so offen zugeben, und neunzehn Jahre lang habe ich es auch nicht getan, aber ist es nicht wahr? Warum sonst tun wir so viele der Dinge, die wir tun? Es gab noch keine Generation, die so vaterlos und zutiefst verunsichert war wie meine eigene, und wir würden alles dafür geben, dass uns jemand sagt, dass wir geliebt werden.

Wenn wir doch nur wüssten, wie sehr wir in Wirklichkeit geliebt werden.

Jetzt, wo ich ein Nachfolger Jesu war und wusste, wie gnädig er mir gewesen war, als er mir nachgegangen, mich geheilt und wiederhergestellt hatte, sehnte ich mich zutiefst danach, diesen Studenten von seiner Liebe zu erzählen. Aber jedes Mal, wenn ich das Thema in ein Gespräch einfließen ließ, bekam ich die gleiche Antwort. Für diese Studenten ging es beim Glauben an Jesus buchstäblich nur noch darum, dass man nicht mehr fluchen durfte. Sofort nannten sie unwichtige Randthemen, die Jesus kaum je erwähnt hatte, als ihren größten Hinderungsgrund, an ihn zu glauben. Ironischerweise war das, was sie gegen Jesus vorbrachten, oft auch das, was Jesus gegen die religiösen Menschen seiner Zeit vorgebracht hatte. In der Hälfte der Fälle hatten sie eigentlich gar nichts gegen Jesus, sondern waren gegen genau die gleichen Dinge, gegen die er auch war!

Eines Abends saß ich auf dem Bett und fragte mich: Seit wann ist eigentlich „hasse Schwule, trinke keinen Alkohol und lass dich nicht tätowieren“ der Kern des christlichen Glaubens? Da wurde mir klar, dass ich nicht meinen Freunden die Schuld für ihre Irrtümer geben durfte. Sie hatten diese Vorstellungen von den Menschen übernommen, mit denen sie aufgewachsen waren, von den Kirchen, in die sie als Kinder gegangen waren, oder von den Predigern, die sie im Fernsehen gesehen hatten. Die Kirche war schuld daran, dass sie dachten, das sei das wahre Christsein. „Von 100 ungläubigen Menschen liest vielleicht einer...

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