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Warum wir Putin stoppen müssen

Die Zerstörung der Demokratie in Russland und die Folgen für den Westen

AutorGarri Kasparow
VerlagDeutsche Verlags-Anstalt
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl416 Seiten
ISBN9783641182700
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Kreml-Gegner Kasparow über Putins Bestrebern die freie Welt zu spalten
Der Aufstieg des hochrangigen ehemaligen KGB-Offiziers Wladimir Putin zum russischen Präsidenten im Jahr 1999 hätte für uns ein Warnsignal sein können, dass sich Russland in eine nicht demokratische Richtung bewegt. In den folgenden Jahren jedoch - während die USA und die anderen führenden Nationen eine auf Russland zielende Appeasement-Politik betrieben - hat sich Putin nicht nur zu einem Diktator, sondern zu einer globalen Bedrohung entwickelt. Mit seinem riesigen Arsenal an Nuklearwaffen bildet Putins Russland das Zentrum eines weltweiten Angriffs auf die politische Freiheit. Putins Russland stellt sich wie der IS oder wie Al Qaida gegen die demokratischen Länder dieser Welt. Es ist noch immer dem Kalten Krieg verhaftet und hat seine Lektionen daraus nicht gelernt.

Damit wir uns nicht weiter in einen neuen kalten Krieg verwickeln, fordert Kasparow, dass wir in den USA und Europa auf wirtschaftlicher und auf diplomatischer Ebene eindeutig Stellung gegen Putin beziehen. Solange die Staatschefs der demokratischen Länder nach wie vor Beziehungen zu Putin unterhalten und mit ihm verhandeln, hat er Anerkennung, Glaubwürdigkeit und Rückhalt im eigenen Land.

Kasparow argumentiert mit der ihm eigenen klaren Logik und aus seiner Überzeugung und der Liebe zu seinem Land heraus. 'Warum wir Putin stoppen müssen' ist ein Aufruf zu handeln und die Bedrohung durch Putins Russland nicht länger zu ignorieren.

Garri Kasparow?, geboren 1963 in Baku, war von 1985 bis 2000 Schachweltmeister. 2005 beendete er, an der Spitze der Weltrangliste stehend, offiziell seine professionelle Schachkarriere. Seit dem Rückzug vom Schach ist Kasparow als russischer Oppositionsaktivist tätig. Er war Vorsitzender der Vereinigten Bürgerfront und gründete unter anderem das oppositionelle Bündnis »Das andere Russland«, das mit der Begründung, es handele sich um keine Partei, nicht zu den russischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 2007/2008 zugelassen wurde. Im Dezember 2008 gründete er zusammen mit Boris Nemzow?, der im Februar 2015 mitten in Moskau erschossen wurde, die außerparlamentarische Oppositionsbewegung Solidarnost. Garri Kasparow lebt jetzt mit seiner Frau und seinen Kindern im selbstgewählten Exil in New York.

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Leseprobe

Einleitung

Am 19. August 1991 berichtete CNN ohne Unterbrechung live über einen Putschversuch gegen den sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow. Mit dem KGB verbündete Hardliner des in Auflösung begriffenen kommunistischen Regimes hatten Gorbatschow auf seiner Datscha auf der Krim festgesetzt und den Ausnahmezustand verhängt. Rund um den Erdball diskutierten besorgte Experten und Politiker in den Medien über das mögliche Ende der Perestroika. Es drohte sogar ein Bürgerkrieg, denn durch die Straßen Moskaus rollten Panzer.

Ich war an jenem Abend in der Talkshow von Larry King zu Gast, wo ich mit der ehemaligen amerikanischen Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Jeane Kirkpatrick, einem Professor aus Kalifornien und einem ehemaligen KGB-Agenten die Lage analysieren sollte. Als einziger erklärte ich, dass der Putsch keinerlei Aussicht auf Erfolg habe und in 48 Stunden beendet sein werde, während Kirkpatrick und andere einen monatelangen Konflikt voraussagten. Ich erklärte, die Putschisten hätten keinerlei Unterstützung in der Bevölkerung, weshalb ihr Versuch, die Reformen aufzuhalten und den zu erwartenden Zerfall der Sowjetunion zu verhindern, zum Scheitern verurteilt sei. Die herrschende kommunistische Bürokratie war ebenfalls gespalten, denn viele ihrer Mitglieder glaubten, nach dem Ende der Sowjetunion bessere Aufstiegschancen zu haben. Meine Einschätzung wurde bestätigt, als der russische Präsident Boris Jelzin in jener berühmten Szene auf einen Panzer kletterte und die Moskauer Bevölkerung für Freiheit und Demokratie auf die Straße ging. Die Putschisten begriffen, dass sie die Bevölkerung nicht auf ihre Seite bringen konnten. Zwei Tage später gaben sie auf.

Der Putschversuch war nicht nur gescheitert. Er beschleunigte den Zerfall der Sowjetunion noch, indem er das Volk vor eine klare Wahl stellte: Die Aussicht auf eine Auflösung des Imperiums und eine Zukunft in Unabhängigkeit machte ein wenig Angst, aber schlimmer als die totalitäre Gegenwart konnte diese Zukunft nicht werden. In den folgenden Monaten fielen die Sowjetrepubliken der Reihe nach wie Dominosteine und erklärten ihre Unabhängigkeit. In Moskau brachte eine begeisterte Menge zwei Tage nach dem Ende des Putschversuchs vor der KGB-Zentrale die Statue des »eisernen« Felix Dserschinski zu Fall, des gefürchteten Gründers der sowjetischen Geheimpolizei.

Es fällt mir schwer, nüchterne Distanz zu wahren, wenn ich die Kommentare der Menschen lese, die an jenem Tag vor der KGB-Zentrale von den Journalisten befragt wurden. »Jetzt beginnt der Prozess der Reinigung«, sagte ein Bergmann und Gewerkschaftsführer. Ein orthodoxer Priester erklärte: »Wir werden die riesige, gefährliche, totalitäre KGB-Maschine zerschlagen.« Die Menge skandierte »Nieder mit dem KGB!« und »Swo-bo-da!« (Freiheit). Polizisten nahmen ihre Barette ab und schlossen sich der Kundgebung an. Die Demonstranten schmierten Parolen wie »KGB-Schlächter vor Gericht!« auf den Sockel der verhassten Statue. Ein Arzt sagte, diese Kundgebung unterscheide sich von denen in den vergangenen Monaten: »Wir haben das Gefühl, neu geboren zu werden.«

So beglückend dieses Gefühl der Befreiung war, so niederschmetternd ist es, dass nur acht Jahre später, am 31. Dezember 1999, ein ehemaliger Oberstleutnant des KGB zum Präsidenten Russlands ernannt wurde. In den folgenden Jahren wurden die demokratischen Reformen Schritt für Schritt rückgängig gemacht. Die Regierung schaltete die Medien gleich und unterdrückte die Zivilgesellschaft. Die russische Außenpolitik wurde wieder aggressiv und kriegerisch. Die Reinigung hatte nicht stattgefunden. Die Mörder waren nicht vor Gericht gestellt, die KGB-Maschine nicht zerschlagen worden. Die Dserschinski-Statue war fort, aber die totalitäre Unterdrückung, für die sie stand, war zurückgekehrt. Ihr neues Symbol war Wladimir Putin.

Machen wir einen Sprung in der Zeit, ins Jahr 2015. Putin sitzt immer noch im Kreml. Die russische Armee hat die Krim annektiert und die Ukraine überfallen. Es ist mittlerweile sieben Jahre her, dass sie in einem anderen Nachbarland einmarschiert ist, der kleinen Republik Georgien. Wenige Tage, nachdem Putin sich im Februar 2014 als Gastgeber der Olympischen Winterspiele in Sotschi hatte feiern lassen, brach er einen Krieg in der Ostukraine vom Zaun und verwandelte sich in den ersten Staatschef, der das Hoheitsgebiet eines anderen Landes annektierte, seit Saddam Hussein den Befehl zur Invasion Kuwaits gegeben hatte. Dieselben Regierungschefs, die sich noch ein Jahr früher freundlich lächelnd an Putins Seite fotografieren ließen, haben mittlerweile Sanktionen gegen Russland und Mitglieder seiner Herrschaftselite verhängt. Russland droht, die Ventile der Pipelines zuzudrehen, durch die ein Drittel des von Europa verbrauchten Erdöls und Erdgases fließt. Ein Mafiastaat, in dem Putin der capo di tutti i capi ist, hat sich von einer ideologisch agnostischen Kleptokratie in ein Regime verwandelt, das sich unverhohlen faschistischer Propaganda und Taktiken bedient. Das Gespenst der atomaren Vernichtung, das lange gebannt schien, ist zurückgekehrt.

Die gegenwärtige Krise ist das Ergebnis von zwei Geschichten. Da ist zum einen die Geschichte eines Landes, das die Befreiung vom Kommunismus feierte, wenige Jahre später jedoch einen KGB-Offizier zu seinem Führer wählte und sich bald darauf daranmachte, seine Nachbarn zu unterwerfen. Die andere Geschichte handelt davon, wie die freie Welt durch eine Kombination von Gleichgültigkeit, Unkenntnis und falsch verstandenem Wohlwollen dazu beitrug, diese Verwandlung möglich zu machen. Wir müssen unbedingt verstehen, was schiefgelaufen ist, denn obwohl Wladimir Putin mittlerweile eine klare und unmittelbare Bedrohung ist, reagieren Europa und die Vereinigten Staaten weiterhin falsch. Die Demokratien der Welt müssen sich zusammenschließen und die Lehren aus ihrem Sieg im Kalten Krieg ziehen, bevor wir vollständig in einen weiteren schlittern.

Putins Russland ist heute offenkundig die größte Bedrohung für die Welt, aber sie ist nicht die einzige. Terrororganisationen wie al-Qaida und der »Islamische Staat« sind (ungeachtet des irreführenden Namens der zweiten Organisation) staatenlos und verfügen nicht über die großen Ressourcen und Waffenarsenale, die Putin kontrolliert, aber die Anschläge am 11. September 2001 und ähnliche Terrorangriffe haben uns gezeigt, dass man keine Flagge und nicht einmal eine Armee braucht, um dem mächtigsten Land der Welt großen Schaden zuzufügen. Dazu kommt, dass jene Staaten, die den Terror unterstützen, davon profitieren, dass die demokratischen Länder, die zum Ziel des Terrors werden, nicht in der Lage sind, eine entschlossene Verteidigung zu organisieren. Die mörderischen Regimes des Irans, Nordkoreas und Syriens sitzen seit Jahren mit den großen Mächten am Verhandlungstisch, ohne nennenswerte Zugeständnisse zu machen.

Über die Herausforderungen der multipolaren Welt, in der wir seit dem Ende des Kalten Kriegs leben, wird seit geraumer Zeit diskutiert. Aber es fehlt immer noch eine schlüssige Strategie zur Bewältigung dieser Herausforderungen. Als der Kalte Krieg endete, hatten die Sieger kein Ziel mehr und verloren den gemeinsamen Feind, dessen Gegenwart sie geeint hatte. Die Feinde der freien Welt leiden nicht unter derartigen Selbstzweifeln. Ihr definierendes Merkmal ist weiterhin der Widerstand gegen die Prinzipien und die Politik der freiheitlichen Demokratie und der Menschenrechte, deren wichtigsten symbolischen und materiellen Vertreter sie in den Vereinigten Staaten sehen. Trotzdem versuchen wir weiter, sie einzubinden, mit ihnen zu verhandeln und sie sogar mit Geld und Waffen zu versorgen, mit denen sie uns dann angreifen. Um Winston Churchills Definition des Appeasement zu zitieren: Wir füttern die Krokodile in der Hoffnung, dass sie uns als letzte fressen werden.

Bei jeder politischen Abkühlung zwischen Washington und Moskau oder Peking werfen beide Seiten einander rasch eine »Rückkehr zum Kalten Krieg« vor. Dass dieses Klischee heute verwendet wird, ist sonderbar, denn die Art und Weise, wie der Kalte Krieg ausgefochten und gewonnen wurde, wird nicht nachgeahmt, sondern ist in Vergessenheit geraten. Anstatt an einer klaren Unterscheidung zwischen Gut und Böse, zwischen Richtig und Falsch und an den universellen Werten der Menschenrechte und des menschlichen Lebens festzuhalten, bemühen wir uns um Einbindung, Neubeginn und moralische Gleichsetzung – mit einem Wort: um Appeasement. Die Welt braucht ein neues Bündnis, das auf einer globalen Magna Carta beruht, einer Erklärung der menschlichen Grundrechte, die alle Mitglieder der Staatengemeinschaft anerkennen müssen. Die Länder, die der individuellen Freiheit Wert beimessen, verfügen mittlerweile über den größeren Teil der Ressourcen der Welt und besitzen überlegene militärische Macht. Wenn sie geeint auftreten und sich geschlossen weigern, sich mit Schurkenstaaten und Förderern des Terrorismus einzulassen, werden ihre Integrität und ihr Einfluss unwiderstehlich sein.

Das Ziel darf nicht sein, neue Mauern zu errichten und Millionen Menschen, die unter autoritären Regimes leben müssen, zu isolieren. Stattdessen sollten wir diesen Menschen Hoffnung und die Aussicht auf eine bessere Zukunft anbieten. Die meisten Menschen, die wie ich hinter dem Eisernen Vorhang lebten, wussten sehr wohl, dass es in der freien Welt Menschen gab, denen ihr Schicksal am Herzen lag....

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