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E-Book

Was Hunde denken

Alles, was Sie über die Sprache und das Verhalten Ihres Vierbeiners wissen müssen

AutorThomas Görblich
Verlagmvg Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783961213924
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Hunde wissen alles über uns - sie erspüren sofort, wie wir uns fühlen, ob wir glücklich sind oder uns ärgern, wir uns fürchten oder einfach nur unsere Ruhe haben wollen. Wir dagegen müssen meist raten, wie es dem Hund geht und was er möchte - doch der erfahrene Tierarzt Dr. Thomas Görblich kann helfen: Er gibt einen faszinierenden und äußerst unterhaltsamen Einblick in die Welt des Hundes und zeigt, welche außergewöhnlichen Fähigkeiten sie haben und wie sie ticken. Mit diesem Wissen können wir das Verhalten unserer Hunde besser deuten, ihre Signale richtig verstehen und einen entspannten Umgang miteinander finden!

Dr. med. vet. Thomas Görblich ist approbierter Tierarzt und war als stellvertretender Chefredakteur für Zeitschriften wie 'Ein Herz für Tiere' und 'Partner Hund' tätig. Er schreibt als freier Journalist und Autor für die Süddeutsche Zeitung, Magazin Schule u. a.

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Leseprobe

Kapitel 2:
Per Anhalter durch die Evolution


– Hören Sie das Heulen?

– Klingt wie eine Sirene mit Kehlkopfüberschlag.

– Das ist ein Wolf.

– Was denn, ein echter Wolf? Wo sind wir denn hier? In der Lausitz?

– Nicht schlecht geraten. In der Lausitz leben tatsächlich seit einiger Zeit wieder wilde Wölfe. Nein, wir sind im Wildpark Ernstbrunn, nördlich von Wien. Da gibt es seit Kurzem ein Wolfsforschungszentrum mit nordamerikanischen Timberwölfen. Das Besondere ist, dass diese Wölfe mit ganz engem Menschenkontakt aufwachsen. Die werden schon ganz klein mit der Flasche handaufgezogen und haben jeden Tag mit Menschen Umgang. Die gehen sogar an der Leine spazieren!

– Soll das heißen, hier können jeden Moment Wölfe um die Ecke kommen?

– Natürlich nur mit ihren Betreuern. Aber Sie können einen Privatspaziergang buchen und mitgehen. Wolfsbegeisterte kommen von weit her, um mal einen Wolf anzufassen. Manche waschen sich dann die Hände nicht mehr.

– Weil sie nicht mehr dran sind?

– Haha, sehr witzig. Sie scheinen sich in der Gegenwart von Wölfen nicht so recht wohlzufühlen.

– Ich habe einfach einen Heidenrespekt vor diesen Tieren. Soweit ich weiß, sind alle Versuche, die wie Hunde zu halten, aussichtslos. Irgendwann zerlegen sie die Wohnung und den Besitzer gleich mit, wenn er nicht aufpasst.

– Die Gefahr besteht, aber hier geht es ja nicht darum, Wölfe als Schoßhündchen zu halten. Auch wenn die Wölfe ein großes Freigehege haben und auch sonst möglichst naturnah gehalten werden, ist das hier vor allem eine Forschungsstation. Die Wölfe sollen sich nämlich an den Menschen gewöhnen und dann mit Hunden verglichen werden. Deshalb sind hier nebenan jetzt auch Hundewelpen untergebracht, unter den genau gleichen Bedingungen. Verhaltenstests sollen zeigen, welcher Teil des Hundedenkens auch im Wolf angelegt ist und welcher erst im Zusammenleben mit dem Menschen entstanden ist.

– Äh, nichts für ungut, aber ich kann mich gerade nicht so gut auf Ihren Vortrag konzentrieren. Kann es sein, dass das Heulen näher kommt?

– Stimmt, die sind ganz in der Nähe. Jetzt warten Sie mal, bis Sie einen von den Wölfen gesehen haben. Da vorne ist schon der erste.

Die dunkle Silhouette eines großen schlanken Rüden schält sich aus dem Winternebel. Kaspar trabt mit gesenktem Kopf den verschneiten Waldweg entlang, schnüffelt mal hier an einer Rehfährte, hebt dort das Bein an einem Baumstamm. Er verhält sich auch sonst ganz so, wie man es von einem wohlerzogenen Hund bei einem Spaziergang erwarten würde – mit dem kleinen Unterschied, dass es sich bei Kaspar um einen waschechten Timberwolf handelt.

Sein Kopf und Rücken sind dunkel, die typische Wolfszeichnung ist kaum zu erkennen, und das ließe vielleicht noch eine Verwechslung mit einem riesigen Schäferhund zu. Doch der kräftige Kopf mit dem geraden, spitz zulaufenden Nasenrücken ist unverkennbar, ebenso die kleinen Ohren, die bis tief ins Innere behaart sind. Er trabt leichtfüßig durch die Winterlandschaft, konzentriert und zielstrebig, und weckt Assoziationen, denen sich nur wenige Menschen entziehen können.

Manche denken an Freiheit und Naturverbundenheit, an Kanadas Wildnis, die Steppen Sibiriens, vielleicht auch an einige wenige Naturparks in Europa – die letzten Refugien, in denen Wölfe heute noch wild lebend vorkommen. Andere sehen zerrissene Schafe, mächtige Kiefer, den lautlos näher kommenden Kreis eines hungrigen Rudels. Doch die wenigsten lässt die Begegnung mit einem Wolf gleichgültig. Die Faszination für den Wolf ist heute so groß wie eh und je.

Woher kommt diese Faszination? War sie schon vorhanden, als steinzeitliche Jäger in die Jagdreviere der Wölfe vordrangen, die lange die erfolgreichsten Raubtiere der Nordhalbkugel waren? Oder entstand sie im Laufe jener Jahrtausende, in denen frühe Menschen und Wölfe unabhängig voneinander die gleichen Nahrungsquellen nutzten – gewaltige Herden von Mammuts, Rentieren und Wildpferden? Lernte der Mensch überhaupt erst vom Wolf, wie sich große, kräftige Beutetiere im Team jagen und erlegen lassen?

Oder entstand die Faszination erst sehr viel später, gegen Ende der letzten Eiszeit, als schon die ersten Hunde an der Seite des Menschen den letzten Mammuts hinterherzogen? Schlagen Wölfe eine Saite in uns an, weil unsere Vorfahren nur mithilfe des Hundes in unwirtliche Gegenden vordringen und dort überleben konnten? Sind diejenigen, denen Hunde und damit auch Wölfe gleichgültig waren, ausgestorben? Oder, anders gefragt: Ist unsere heutige Zivilisation das Ergebnis der gemeinsamen Geschichte von Menschen und Hunden? Ist der Mensch ohne den Hund überhaupt möglich?

Das mag vermessen klingen, aber manche Experten sind heute davon überzeugt, dass die Geschichte des Menschen ohne den Hund völlig anders verlaufen wäre. Sicher ist zumindest, dass der Hund ohne den Menschen nicht möglich wäre. Diese Erkenntnis gilt unabhängig davon, ob man unsere gemeinsame Geschichte als Symbiose mit Vorteilen für beide sieht oder als eine Art Gesellschaftskrankheit mit dem Hund als Sozialschmarotzer, der die gleichen ökologischen Ressourcen verschlingt wie ein Viereinhalb-Liter-Auto. Der Mensch schuf mit dem Hund eine der wenigen Errungenschaften der Menschheit, die sich nicht als Modeerscheinung entpuppten. Er behielt ihn durch alle Epochen und Wechselfälle der Geschichte hindurch bei sich – bis auf den heutigen Tag.

Ähnlich wie beim Wolf spalten sich auch beim Hund die Meinungen. Die einen vergöttern ihn und hinterlassen ihm ein Vermögen, die anderen würden ihn am liebsten mit drakonischer Besteuerung aus den Städten vertreiben. Doch anders als beim Wolf rangiert die Mehrheit eindeutig in der Mitte und akzeptiert Hunde als das, was sie heute sind: Haustier, Familienbegleiter, Freizeitpartner, mit zahlreichen weiteren wichtigen gesellschaftlichen Rollen, aus denen Hunde nicht mehr wegzudenken sind. Hunde gehören heute einfach dazu – und diese Freundschaft zu einer anderen Tierart ist eine der ältesten epochalen Leistungen der Menschheit überhaupt.

Wann sich Hund und Mensch emotional so annäherten, dass heute kaum eine Metropole ohne Modeboutique für Hunde auskommt, ist eines der größten Rätsel der Hundeforschung. Einige wenige Eckdaten sind unstrittig: Hunde und Wölfe haben einen gemeinsamen Vorfahren, der vermutlich dem heutigen Grauwolf, Canis lupus, ähnelte. Ein über 30 000 Jahre alter Schädelknochen aus Belgien ist der derzeit älteste Beleg für ein hundeähnliches Tier, das sich bereits deutlich vom Wolf unterschied. Die frühesten Knochenfunde, die eine enge Beziehung zum Menschen belegen, stammen aus gemeinsamen Bestattungen von Menschen und Hunden aus der Zeit vor knapp 14 000 Jahren. Kurze Zeit später sind Hunde bereits in weiten Teilen Europas und Asiens nachweisbar. Sie erreichten mit einer der frühesten menschlichen Besiedlungswellen Amerika und sind seit mindestens 7 000 Jahren weltweit verbreitet – von Australien bis an die Südspitze Feuerlands.

Doch wann, wie und wo die ersten Hunde entstanden, war lange völlig rätselhaft. Erst in allerjüngster Zeit haben genetische Untersuchungen genauere Hinweise geliefert, und eine außergewöhnliche Langzeitstudie hat erstmals ein plausibles Szenario für den Übergang vom Wolf zum Hund geschaffen. Das ist nicht nur für Historiker interessant, sondern auch höchst relevant für Fragen, die wir uns im täglichen Umgang mit dem Hund stellen: Was ist vom Wolf im Hund enthalten? Und was stammt hingegen vom Menschen, aus den Tausenden von Jahren gemeinsamer Geschichte?

Die Gemeinsamkeiten von Hund, Wolf und Mensch haben es auch den Forschern in Ernstbrunn angetan. Während Kaspar die Düfte des im Schnee versunkenen Waldes erkundet, taucht am anderen Ende seiner langen Leine ein Grüppchen Menschen in Anoraks auf. Sie führen noch einen zweiten Wolf an der Leine. Shima ist ein Weibchen, dunkel wie ihr Rudelführer Kaspar und mit gut eineinhalb Jahren genauso alt. Die beiden Wölfe bilden mit Shimas Bruder Aragorn die drei ältesten Tiere des ersten Wolfsrudels hier im Wildpark Ernstbrunn.

Sie tranken Milch aus Babyfläschchen, haben täglich Kontakt mit Menschen und hören auf Kommandos wie »Sitz«, »Platz« und »Bleib«. Für ein paar Käsehäppchen zeigen sie in Verhaltenstests bereitwillig, was sie intellektuell zu leisten vermögen. Und sie gehen gemütlich an der Leine spazieren, so als wäre es für einen Wolf das Natürlichste der Welt, sich dem Willen eines Menschen unterzuordnen. Ist es also tatsächlich so einfach, aus einem Wolf einen zahmen Hund werden zu lassen? War das der Trick, mit dem sich steinzeitliche Frühmenschen einen loyalen Jagdhelfer heranzogen: einfach durch frühe Handaufzucht und intensive Beschäftigung mit dem Tier und seinen Nachkommen?

Dagegen sprechen zwei ernüchternde Erfahrungen, die Wolfszähmer in zahlreichen praktischen Versuchen gemacht haben. Erstens lassen sich Wölfe zwar prinzipiell an den Menschen gewöhnen, aber nur mit enormem Aufwand. Wer einen Wolfswelpen nicht spätestens zwei Wochen nach der Geburt von der Mutter trennt und ausschließlich von Hand aufzieht, hat nicht die geringste Chance auf einen menschenverträglichen Wolf. Und zweitens bleibt selbst bei dieser intensiven Frühbetreuung genug Wildheit im Tier enthalten, um ihn alles andere als zahm zu machen. Sobald er erwachsen ist, wird der Wolf nur schwer beherrschbar. Er kann jederzeit einen Versuch unternehmen, das Sozialgefüge zu seinen Gunsten neu zu verhandeln, ohne Rücksicht auf seelische oder körperliche Empfindlichkeiten seines langjährigen menschlichen Betreuers.

Das verleiht der Arbeit der Wolfspfleger hier in Ernstbrunn durchaus eine heroische Note, auch wenn...

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