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E-Book

Was ist Gestalttherapie?

AutorFrederick S. Perls
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl172 Seiten
ISBN9783752864588
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Gestalttherapie an ihren Wurzeln. Einfach und kraftvoll. Immer im Hier und Jetzt. Erlebnis- und erfahrungsbezogen. Denn das, was in der Psychotherapie heilend wirkt, sind neue Erfahrungen und nicht einfach neue Erklärungen. Dieses Buch ist ein wichtiges historisches Dokument. Zum großen Teil erscheinen die hier veröffentlichten Texte von Fritz Perls, dem weltberühmten Mitbegründer der Gestalttherapie, zum ersten Mal in Schriftform: Vorträge, Demonstrationen, ein wirklich außergewöhnliches Interview sowie schließlich seine autobiografischen Stichworte.

Frederick S. Perls, genannt: Fritz (1893-1971), begründete in den 1950er Jahren gemeinsam mit seiner Frau Laura und dem amerikanischen Sozialphilosophen und Schriftsteller Paul Goodman die Gestalttherapie.

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Leseprobe

Was ist Gestalttherapie?


Ein außergewöhnliches Interview mit Adelaide Bry

Adelaide Bry: Dr. Perls, was ist Gestalttherapie?

Fritz Perls: All das Diskutieren, Reden und Erklären erscheint mir unwirklich. Ich hasse es, zu intellektualisieren, Sie nicht?

Bry: Manchmal, aber ich möchte Sie interviewen. Ich würde gerne etwas über Gestalttherapie erfahren. Also …

Fritz: Lassen Sie uns etwas anderes versuchen. Sie sind die Patientin. Seien sie echt, keine Intellektualisierungen mehr.

Bry: Nun gut, wenn Sie meinen, versuch ich’s. Ich versuche, die Patientin zu sein. Also, was ich sagen würde ist folgendes: »Dr. Perls, mein Name ist Adelaide, und ich komme zu ihnen als Patientin. Ich bin depressiv und ich habe diese körperliche Angst vorm Fliegen. Meine Hände werden feucht und mein Herz schlägt schneller.« – Was nun?

Fritz: Innerhalb von fünf Minuten werde ich Sie von Ihrer körperlichen Flugangst befreien.

Bry: Oh, wirklich? Sehr gut. Wie wollen Sie das anstellen?

Fritz: Schließen Sie Ihre Augen. Steigen Sie in das Flugzeug. Vergegenwärtigen Sie sich, dass sie nicht in einem richtigen Flugzeug sitzen, es geschieht nur in Ihrer Fantasie. Die Fantasie wird Ihnen helfen zu sehen, was Sie beim Fliegen erleben.

Bry: Mein Herz beginnt, schneller zu schlagen …

Fritz: Lassen Sie Ihre Augen geschlossen …

Bry: Gut.

Fritz: Ihr Herz beginnt, schneller zu schlagen, … erzählen Sie weiter.

Bry: Ich sehe den Rücken des Piloten da vorne, und ich bin mir nicht sicher, ob er der Situation gewachsen ist.

Fritz: Gut. Stehen Sie auf und sagen ihm das.

Bry: Ich tippe ihm auf die Schulter. Er dreht sich um. Ich sage: »Halten Sie die Straße im Auge?« Er stößt mich weg und ich gehe zurück auf meinen Platz.

Fritz: Gehen Sie nicht zurück auf Ihren Platz. Wechseln Sie den Platz. Sie sind jetzt der Pilot. [Dr. Perls bat mich, mich auf einen Stuhl gegenüber von meinem zu setzen. Bei jedem Rollenwechsel wechselte ich auch den Platz.]

Bry: Ich bin der Pilot. Was macht diese Frau hier, sie stört mich. Verlassen Sie das Cockpit und kehren Sie auf Ihren Platz zurück. Ich weiß was ich tue.

Fritz: Ich glaube Ihrer Stimme nicht. Achten Sie auf Ihre Stimme.

Bry [als Pilot]: Entschuldigen Sie bitte, es tut mir leid, es tut mir wirklich schrecklich leid, aber wir wissen, wie man dieses Flugzeug fliegt. Würden Sie bitte zu Ihrem Platz zurückgehen. Alles ist in bester Ordnung und völlig unter Kontrolle.

Fritz: O. K., wie heißen Sie, Adelaide? – Adelaide.

Bry [als Adelaide]: Ich möchte ja zu meinem Platz zurückgehen, aber ich bin so aufgebracht über dieses Flugzeug; ich mag es nicht, vom Boden abzuheben. Ich mag es nicht, in zehntausend Metern Höhe zu sein, das ist unnatürlich.

Fritz: O. K., jetzt sind Sie die Autorin; schreiben Sie das Script.

Bry [als Pilot]: Hören Sie, wir tun unser Bestes, wir sind auch Menschen. Sehen Sie, dieses Flugzeug kostet fünf Millionen Dollar und wurde von Pan American geprüft. Wenn es etwas gibt, das wir mögen, dann ist das Geld. Jedes Mal wenn ein Flugzeug abstürzt, verlieren wir Geld, und wir verlieren Leute. Das ist sehr schlecht für unser Ansehen, und wir tun alles Erdenkliche, um dieses Flugzeug in der Luft zu halten. Wenn wir hin und wieder einen Fehler machen – mein Gott – das kommt eben vor, und in dieser Welt muss man eben manchmal was riskieren. Bis jetzt hatten wir noch keinen einzigen Transatlantikunfall. Ist Ihnen das klar?

Bry [als Adelaide]: Aber ich – wenn mir die Reise nach London zum Verhängnis wird, wenn ich mitten über dem Atlantik abstürze. Aber, naja, ich würde nicht alt werden, mir würden eine Menge schrecklicher Dinge erspart bleiben; vielleicht wäre es gar nicht so schlimm.

Bry [als Pilot]: Hören Sie, gute Frau, das ist keine Art, die Dinge zu sehen, wenn man Urlaub macht. Das ist total töricht.

Fritz: Sagen Sie das nochmal.

Bry [als Pilot]: Sie sind völlig bescheuert, total dumm … töricht, töricht, töricht, töricht, verdammt nochmal. Ich verdiene damit mein Geld; selbst wenn ich im Jahr fünfzig tausend verdiene – ich kann was anderes machen. Jeden Tag – nein, nicht jeden Tag, aber vierzehn Tage lang jeden Monat verdiene ich hier mein Geld und sie sind eine törichte Frau.

Bry [als Adelaide]: Ich weiß bereits, dass ich blöd bin. Das war ein Scherz, ich weiß, dass ich dumm bin. Wissen Sie – ich muss es Ihnen erzählen – ich habe sogar Flugstunden genommen. Ich habe Flugstunden genommen, um etwas gegen die Angst zu unternehmen, in kleinen Piper Cubs. [A.d.Ü.: »Piper Cub« ist eine kleine amerikanische Propellermaschine.]

Fritz: Erzählen Sie das nicht mir …

Bry [als Pilot]: Piper Cubs, oh, Piper Cubs, ja? Piper Cubs, das ist wohl ein Scherz. Sie befinden sich in einer Boeing 707, Piper Cubs. Die beiden haben nichts miteinander zu tun. Ich schlage vor, dass Sie wieder auf Ihren Platz gehen und mich hier arbeiten lassen …

Fritz: Ich schlage etwas anderes vor. Übernehmen Sie das Flugzeug. Setzen Sie sich auf den Pilotensitz.

Bry [als Adelaide]: Oh, großartig. Ich liebe es, die Dinge unter Kontrolle zu haben.

Fritz: Erzählen Sie das nicht mir, sagen Sie ihm das.

Bry [als Adelaide]: Hören Sie zu. Mit nur einer Hand fliege ich diese Maschine noch besser als Sie. Es gibt hier ein paar kleine Details und technische Feinheiten, die Sie kennen, aber ich könnte das in ein paar Monaten lernen. Ich bin intelligent genug dafür; also setzen Sie sich zurück auf meinen Platz und lassen Sie mich das hier machen.

Fritz: Sagen Sie das nochmal: »Lassen Sie mich das hier machen.«

Bry: Lassen Sie mich das hier machen.

Fritz: Nochmal.

Bry: Lassen Sie mich das hier machen.

Fritz: Sagen Sie es mit Ihrem ganzen Körper.

Bry: Lassen Sie mich das hier machen.

Fritz: Jetzt sagen Sie es zu mir: »Fritz, lassen Sie …«

Bry: Fritz, lassen Sie mich das hier machen.

Fritz: Nochmal.

Bry: Lassen Sie mich das hier machen.

Fritz: Haben Sie etwas gelernt?

Bry: Ja, das bin ich – leider.

Fritz: Das war ein kleines Stück Gestalttherapie.

Bry: Faszinierend.

Fritz: Das war ein Beispiel dafür, dass wir nicht analysieren, sondern integrieren. Sie haben das Muster geliefert, einige Ihrer dominierenden Bedürfnisse; und ich helfe Ihnen, sie für sich zurückzugewinnen. Jetzt fühlen Sie sich ein wenig stärker.

Bry: Das stimmt, ja.

Fritz: Das ist Gestalttherapie.

Bry: Ich verstehe. Funktioniert Gestalt immer so? … Ich habe gestern Ihre Demonstration gesehen. Arbeiten Sie immer mit der Technik, die Leute Rollen und Stühle wechseln zu lassen, um einen bestimmten Aspekt zu betonen?

Fritz: Immer dann, wenn ich Polaritäten erkenne, ja; wenn wir es mit zwei Gegensätzen zu tun haben. Sie werden bemerken, dass diese Gegensätze im Streit miteinander liegen. Pilot und Passagier sind Feinde. Sie sind Feinde, weil sie einander nicht zuhören. In unserem Fall – in diesem Dialog – nehmen Sie diesen anderen Teil, der Sie verfolgt, der außerhalb von Ihnen zu sein scheint, wahr und erkennen, dass er zu Ihnen gehört, dass Sie das sind. Dadurch nehmen Sie diese Gefühle zu sich zurück, Sie reassimilieren einen Teil Ihrer dominierenden Bedürfnisse.

Bry: Nun, damit ich das wirklich ganz verstehe: Müssten wir diesen Prozess zwanzig Mal oder zwanzig Jahre lang durchgehen, oder würden wir vielleicht ein Jahr daran arbeiten, damit es ganz zu mir zurückkehren könnte?

Fritz: Nein, nein, nein. Ich muss Ihnen erzählen, was ich gestern schon sagte: Ich habe eine Lösung gefunden. Sie brauchen nicht zwanzig Jahre auf der Couch zu verbringen oder jahrein-jahraus Therapie zu machen. Das Ganze dauert vielleicht drei Monate. Von der Neurose zur Authentizität. Die Lösung liegt in der therapeutischen Gemeinschaft, wo wir zusammenkommen, zusammen arbeiten und zusammen Therapie machen. Der Kernpunkt der Therapie ist, dass wir lernen, uns unseren Gegensätzen zu stellen. Wenn Sie einmal gelernt haben, wie Sie das machen können, fällt es Ihnen beim nächsten Mal vielleicht leichter. Wenn ich Ihnen also ein Beispiel dafür gebe, was bei vielen Menschen der am häufigsten vorkommende Gegensatz ist, können Sie sehen, was sich daraus ergibt. Der am häufigsten vorkommende Gegensatz ist der zwischen Topdog und Underdog. Von hier aus gehen wir die Sache an.

Bry: Gut.

Fritz: Also, der Topdog sitzt hier in diesem Stuhl. Der Topdog beginnt: »Adelaide, du solltest …«
[Wieder wechsle ich Rollen und Stühle.]

Bry [als Topdog]: Adelaide, du solltest … – du solltest jeden Morgen um sieben Uhr aufstehen. Iss nicht zuviel. Mach deine Übungen. Arbeite effektiv. Setz’ dich morgens um acht an die Schreibmaschine.

Fritz: Verstärken Sie das.

Bry [als Topdog]: Du solltest jeden Morgen um acht an der Schreibmaschine...

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