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Was macht Populärkultur politisch?

AutorKaspar Maase
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl120 Seiten
ISBN9783531926001
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis33,26 EUR
In seiner 'Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration' macht Bertolt Brecht am Ende darauf aufmerksam, dass wir diese Schrift nicht allein der Weisheit des Laotse verdanken, sondern auch der neugierigen F- derung des Zöllners, der den Meister zum Aufschreiben nötigte. Die Schlusszeilen lauten: 'Darum sei der Zöllner auch bedankt: / Er hat sie [die Weisheit] ihm abverlangt.' Nun will der Autor dieses Bandes weder sich mit dem großen - otse noch die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt mit dem chinesischen Zolleinnehmer vergleichen. Doch nachdem die Texte endlich in die Druckfassung gebracht waren, wurde dem Verfasser klar, dass auch hier das freundlich insistierende Verlangen von außen einen wesentlichen Anteil am Ergebnis hat. So ist an dieser Stelle der Geschichts- und Gesellschaftswiss- schaftlichen Fakultät der genannten Universität nicht allein dafür zu danken, dass sie mir die Ehre erwiesen hat, mich im Somm- semester 2009 mit der Otto von Freising-Gastprofessur zu betr- en. Und es ist nicht nur ein Kompliment an die Studierenden ab- statten, die in den Lehrveranstaltungen meine Gesprächspartner waren. Es ist gleichermaßen die Idee zu preisen, nach der die E- geladenen zwei öffentliche Vorträge unter einer gemeinsamen Fragestellung halten und dann daraus auch noch eine Publikation machen sollen.

Dr. Kaspar Maase ist außerplanmäßiger Professor am Ludwig Uhland Institut für Empirische Kulturwissenschaft der Universität Tübingen.

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Leseprobe
Populärkultur, Massen und Demokratie im Deutschland des 20. Jahrhunderts (S. 76-77)

Im letzten Kapitel soll die politische Dimension der Populärkultur noch aus einer weiteren Perspektive thematisiert werden: in einem skizzenhaften Überblick, der nach den Verknüpfungen mit dem wechselvollen Verhältnis der Deutschen zur Demokratie fragt. Dahinter steht die Grundannahme, dass die Geschichte der Massenkünste und -vergnügungen im 19. und 20. Jahrhundert nur angemessen zu schreiben ist, wenn man systematisch die massiven Widerstände und Bewegungen berücksichtigt, die gegen das kommerziell Populäre auftraten. Im deutschen Sprachraum jedenfalls stieß die Etablierung eines Massenmarktes für Kunst und Unterhaltung auf breite Opposition, die getragen war von höchst unterschiedlichen volkspädagogischen und politischen Motiven. Daraus ergab sich eine öffentliche Auseinandersetzung, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit hoher Intensität geführt wurde.

Aus gesellschaftsgeschichtlicher Perspektive ist ja danach zu fragen, wie sich die Etablierung der modernen Massenkultur auf soziale Strukturen und Machtverhältnisse auswirkte. Dabei stellt man fest: Bestimmende Muster der Wahrnehmung und Deutung der neuen Phänomene wurden im Streit um „Schmutz und Schund“, „Kitsch“ und „Kolportage“ eingeprägt. In diesem Konflikt entschied sich, welche Erwartungen und Ängste mit der Massenkultur verbunden wurden, welche Aufgaben man der Politik zuwies und wie man die Eignung unterschiedlicher Regimes beurteilte, mit den vermuteten Problemen fertig zu werden.

Das folgende Kapitel geht einer zentralen Frage aus diesem Zusammenhang nach. Der Streit um die Massenkultur verhandelte in zweifacher Hinsicht das Thema Demokratie. Zum einen wurde ein Bild des Publikums gezeichnet, das dessen Eignung zum Souverän der Massendemokratie in Zweifel zog. Zum anderen wurden Bereiche populärer Kunst und Vergnügung zu Symptomen einer am Liberalismus erkrankten Gesellschaft erklärt.

Beide Diskurslinien konvergierten in einer autoritären, antirepublikanischen Tendenz. Ich beleuchte zunächst unter diesem Blickwinkel ganz knapp mentale Voraussetzungen und Hinterlassenschaften des „Schundkampfs“ 3 im deutschen Kaiserreich. Ich gehe dann mit einigen Beispielen auf die Auseinandersetzungen in der Weimarer Republik und in der frühen Bundesrepublik ein und frage nach Kontinuität und Wandlungen des antidemokratischen Impulses. Der Gegenstand bietet das Erzählmuster des „lieto fine“ - moderner: des „happy ending“ - an; so steht am Schluss die Vermutung, die „Normalisierung“4 der Populärkultur gegen alle Stigmatisierungen sei vielleicht sogar positiv zu den wichtigen Demokratisierungsprozessen des 20. Jahrhunderts zu zählen.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis6
Vorwort7
Was macht Populärkultur politisch?9
Was macht Populärkultur politisch und wie erschließt man das analytisch?10
Zum kognitiven Ehrgeiz eines Vielnamenfachs10
Grenzen aufzeigen und Hypothesen vorschlagen12
Schlager und die Angst der Massen vor den Massenkünsten17
Gespaltenes Publikum19
„Ein Deutscher kennt keine Schlager!“22
Tragende Milieus und Schwindel24
Aus den Fugen27
Gesungene Herausforderungen28
Was war nach 1918 anders?30
Wandel und Stress33
Skandalisierung sexueller Widernatur34
Skandalöser Umgang mit Essen36
Brücken ins Nazireich37
Aporien moderner Populärkultur39
„Leute beobachten“ in der Heimat. Mainstream und kultureller Wandel nach dem Zweiten Weltkrieg42
Massenkünste in der Adenauerzeit42
„Schwacher Dissens“?46
Grenzen amerikanischer Populärkulturimporte49
Vielschichtigkeit von (Film-)Rezeption51
Leute beobachten53
Ästhetische Präsentifizierung56
Heimatfilme und die Promotion von Pluralisierung61
Cabrios65
Komplementär: Beheimatung durch Schlager70
Populärkultur, Massen und Demokratie im Deutschland des 20. Jahrhunderts76
Die soziale Konstruktion der Massenkultur78
„Unverstand der Massen“85
„Verbrecher an deutscher Volkskraft“88
Ambivalenzen94
Veränderte Rahmung98
Vergnügen mit gutem Gewissen106
Angaben zur Person109
Ausgewählte Veröffentlichungen des Autors110
Monographien und Herausgeberschriften110
Aufsätze110
Otto von Freising-Vorlesungen114

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