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Weblogs. Eine kommunikationstheoretische Analyse

Ein neues Medium und das Problem seiner Beschreibung

AutorSamuel Enderli
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl105 Seiten
ISBN9783640690718
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Medien / Kommunikation - Theorien, Modelle, Begriffe, Note: 1,25 (Schweiz: 5,75), Universität Luzern (Soziologisches Seminar), Sprache: Deutsch, Abstract: Die Studie geht mit Hilfe der Soziologischen Systemtheorie Luhmanns der Frage nach, was Weblogs eigentlich sind. Zunächst wird versucht, computervermittelte Kommunikation von anderen Kommunikationsformen zu unterscheiden. Der häufig zu findenden Dialogmetapher, die behauptet, Internetkommunikation funktioniere ähnlich wie Face-to-Face-Kommunikation, wird ein systemtheoretischer Vorschlag internetbasierter Kommunikation entgegengesetzt. Diese kann durchaus als interaktiv beschrieben werden, ohne aber wie Interaktion zu funktionieren. Im Folgenden werden Weblogs als eine Form im Medium Internet analysiert. Es wird unterschieden zwischen der operativen Ebene der Kommunikation und den verschiedenen Selbst- und Fremdbeschreibungsvarianten. Basierend auf diesem (empirischen!) Unterschied wird gezeigt, dass Weblogs operativ gesehen weder wie Massenmedien (eine gängige Beschreibung) noch wie elektronische Tagebücher (eine andere Beschreibung) funktionieren, sondern eine eigene Kommunikationsform mit eigenen Gesetzmässigkeiten sind. Der These, dass Blogs 'bessere' Massenmedien seien, wird widersprochen. Es wird aber gefragt, was für eine Rückwirkung das neue Medium Weblog auf die 'alten' Massenmedien haben, ohne jedoch zu behaupten, dass Weblogs die Massenmedien verdrängen könnten. Dies, weil sie anderweitig funktionieren als Massenmedien und insofern kein Substitut, sondern 'nur' eine Ergänzung sein können. Es wird nach Formen in alten Medien gesucht, die erst durch Blogs überhaupt möglich wurden. Umgekehrt werden im neuen Medium Weblog Formen ausgemacht, die aus der Imitation älterer Medien resultieren.

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Leseprobe

4. Kommunikation im Internet - eine Skizze


 

Nachdem das Medium Internet und die technischen Eigenschaften von Blogs beschrieben worden sind, soll nun gefragt werden, wie Blogkommunikation am adäquatesten beschrieben und analysiert werden kann. Dieser Schritt wird die Grundlage für die weitere Analyse der Blogkommunikation bilden und es wird versucht, diejenigen Kommunikationseigenheiten herauszuarbeiten, welche für die Kommunikation im WWW mit Blogs als ein Spezialfall davon spezifisch ist.[34] Dies geschieht in Abgrenzung von Ansätzen, die sich der „Dialogmetapher" bedienen; darunter sind solche Ansätze zu verstehen, die versuchen, computervermittelte Kommunikation in Analogie zur mündlichen Interaktion zu fassen. Die These ist, dass internetbasierte Kommunikation aber gerade nicht im Rückgriff auf Interaktion begriffen werden kann, sondern ein eigener, schriftbasierter Kommunikationstyp ist. Diese Schriftbasiertheit aber ist nicht mit traditioneller Schriftlichkeit gleichzusetzen, sondern eine Schriftlichkeit eigener Art. Diese eigene Art Schriftlichkeit wird nun in Abgrenzung von interaktionistischen Internetkommunikationsmodellen herauszuarbeiten versucht.

 

4.1. Die Dialogmetapher


 

In vielen Bloganalysen (aber auch generell vielen Analysen zur Internetkommunikation) ist zu beobachten, dass Analogien von Blogkommunikation und mündlicher Kommunikation gezogen werden,[35] und dies nicht nur auf explizit sprachlicher Ebene, obwohl häufig zu lesen ist, dass sich Blogs durch einen subjektiven, der Mündlichkeit entlehnten Schreibstil auszeichnen (vgl. Diemand 2007: 63; Wolf 2002: 8f.). Neben der rein sprachlichen Ebene, die den Mündlichkeitsbezug offensichtlich macht, ist für manche Beobachter die Kommentarfunktion vieler Blogs entscheidend (vgl. Schmidt 2006: 81; Wijnia 2004: 47), um eine Analogie zum mündlichen Dialog zu sehen.[36] Um nur ein Beispiel für Viele zu wählen: Der vermutlich prominenteste Blogforscher im deutschsprachigen Raum, Jan Schmidt, bezieht sich in seinen Bloganalysen auf einen Kommunikationsbegriff, der sich dem Ideal des mündlichen Dialogs bedient: Zwar würden in der computervermittelten Kommunikation im

 

Vergleich zur mündlichen Rede wichtige Kontextinformationen (etwa Gesten) fehlen, dieses Defizit könne aber durch technische Hilfsmittel durchaus adäquat ausgeglichen werden, etwa durch Emoticons[37] oder Mail-Signaturen und so den Beteiligten die gleiche Orientierung bieten wie in der Interaktion (vgl. Schmidt 2006: 32f.). Deshalb wäre es möglich, „dass Kommunikation auch in sehr reduzierten virtuellen Umgebungen erfolgreich ablaufen kann" (Schmidt 2006: 33).[38] Hier wird also der Massstab auf Face-to-Face-Interaktion gelegt und computervermittelte Kommunikation dann daran gemessen, inwiefern sie dieses Ideal (durch technische Hilfsmittel) erreichen kann.[39] Damit wird aber vermutlich verdeckt, was denn nun tatsächlich neuartig ist an der Kommunikation im WWW,[40] wenn in Analogie zur mündlichen Rede das neue Kommunikationsphänomen Weblog als Spezialfall davon zu beschreiben versucht wird. In diesem Sinne spricht Josef Wehner (1997a: 154f.) als Kritik an der Dialogmetapher gar davon, dass Medien der Interaktivität[41] „die gegenwärtig fortgeschrittenste Form einer Auflösung des strukturellen Kontexts interaktiver Kommunikation darstellen."

 

Zudem wird bei Schmidt, um auf das Beispiel zurückzukommen, (folgerichtig) wie unschwer zu erkennen ist, auf einen auf gelingend/nicht-gelingend abstellenden Kommunikationsbegriff Bezug genommen, so als ob Kommunikation unter Anwesenden immer eindeutig und ohne Unklarheiten gelingen würde und dass immer klar würde, was denn der Mitteilende wirklich meint. Für die hier vorliegende Analyse mit dem systemtheoretischen Kommunikationsbegriff ist dieses Kommunikationskonzept jedoch unbrauchbar insofern, als Kommunikation vom Verstehen her (was psychisches Missverstehen auf der Seite des Verstehenden einschliesst) begriffen wird.[42] Kommunikation kann so gesehen nicht erfolgreich sein im Sinne einer besseren „Übertragung" eines wirklich gemeinten Sinns, sondern nur ablaufen oder eben nicht. Allfällige Unklarheiten können in der

 

Folgekommunikation geklärt werden, was zugleich aber das Verstehen der vorangegangenen Kommunikation anzeigt und damit Kommunikation in Gang hält (vgl. Luhmann 1984: 198). Man hat es dann mit reflexiver Kommunikation, also Kommunikation über Kommunikation zu tun (vgl. Luhmann 1984: 199).

 

Ein weiterer zu kritisierender Punkt ist die häufig zu findende Behauptung, Links zwischen Blogs wären nicht nur eine technische, sondern vor allem auch eine soziale Struktur, die dem Beziehungsmanagement der Blogger diene (vgl. Krauss 2008; Schmidt 2006: 48; Schmidt 2008a: 116; Schmidt 2008d: 75ff.). Auch dies ist vermutlich eine zu interaktionsnahe Behauptung, da man es - wie wir später sehen werden[43] - nicht mit interpersonaler Kommunikation zu tun hat und es bei bestimmten Verlinkarten so ist, dass Links automatisch generiert werden (also von der Software gesteuert) und damit nicht als soziale „Verbindung" zu Stande kommen.[44]

 

Dies ist die eine (kommunikationswissenschaftliche/kommunikationssoziologische) Stossrichtung, die ein letztlich interaktionistisches Kommunikationsmodell auf Blogkommunikation zu übertragen versucht. Die andere bezieht ihre Inspiration bei McLuhan (1962; 1964) und behauptet, dass Blogs eigentlich kein Schriftphänomen, sondern eher eine orale Kommunikationsform seien. Geert Lovink (2007/2008: 45) schreibt dazu: Ein Blog „ist eher die digitale Erweiterung oraler Traditionen als eine neue Form des Schreibens. Durch Bloggen werden Nachrichten von einem Lesestoff in einen Gesprächsstoff verwandelt." Damit wird m.E. die operative Ebene und die Ebene der Selbstbeschreibung vertauscht, denn operativ gesehen ist Blogging zweifelsfrei eine schriftbasierte Operation, die zwar durchaus wie andere Internetkommunikationsformen auch, auf sprachlicher Ebene mündliche Elemente beinhalten kann, trotzdem von der Medialität her gesehen aber eindeutig schriftlich ist.[45]Auch hier setzt sich damit eine Tradition fort, die schon Mitte der 1990er-Jahre Hochkonjunktur hatte, nämlich der Rückgriff auf „künstliche Oralität". So hatte etwa der Philosoph Pierre Levy (1996: 65) behauptet, dass „uns der Cyberspace wieder in die Situation vor der Schrift zurück" führen würde, „aber auf einer anderen Ebene und einer anderen Umlaufbahn" (Levy 1996: 65).

 

In diesen beiden Untersuchungsrichtungen wird also - so meine These - die Schriftbasiertheit von Blogs ausgeblendet und dann nur darauf geschaut, wie sich die Kommunikation selbst beschreibt und dies geschieht eben häufig mündlichkeitsanalog. Vielfach wird wie schon angesprochen eine Sprache verwendet, die der Mündlichkeit entlehnt ist, also etwa viele Dialektformen oder parasprachliche Zeichen wie Smileys, die mündliche Kontextmitteilungen simulieren sollen. Aber Blogs bleiben letzten Endes schriftbasiert und haben mit mündlicher Kommunikation operativ gesehen nicht mehr viel gemein, auf der Ebene der Selbstbeschreibung hingegen lassen sich durchaus mündlich orientierte Formen ausmachen, aber diese beiden Ebenen müssen feinsäuberlich getrennt gehalten werden.[46] Im folgenden soll ein Gegenvorschlag, der radikal anders ansetzt, vorgestellt werden: Elektronische Schriftlichkeit.

 

4.2. Intertextuelle Kommunikation als Form elektronischer Schriftlichkeit


 

Sieht man sich die bisherige Medienevolution an, so werden mit Schrift Kommunikationen möglich, die sich viel stärker auf die Kommunikation als solche beziehen und nicht mehr ständig durch das Bewusstsein irritiert werden.[47] Wie sieht das im Falle der computervermittelten Kommunikation, speziell der Kommunikation im WWW aus?

 

Nimmt man die Technik, durch welche die Kommunikation im WWW überhaupt erst möglich wird, ernst - und das tut die Systemtheorie, auch wenn die Technik selbst Umwelt der Kommunikation ist[48] - wird deutlich, dass es sich nicht um interpersonale Kommunikation handeln kann: Für Interaktion ist die Anwesenheit von Personen und damit einhergehend reflexive Wahrnehmbarkeit das Konstitutionskriterium und die Gleichzeitigkeit von Mitteilung und Verstehen charakteristisch.[49] Wechselseitige Irritation der an der Kommunikation beteiligten Bewusstseine ist damit ständig gegeben. Mit der Zwischenschaltung von Technik ändert sich dies radikal: Man ist nun nicht mehr wechselseitig wahrnehmbar und damit vom gemeinsam geteilten Wahrnehmungskontext abgekoppelt, Mitteilung und Verstehen werden zu „unabhängigen Prozessen" (Wehner 1997a: 158).[50] Auch bei (quasi-)synchronen Internetkommunikationsformen wie beispielsweise IRCChat-Kommunikation (vgl. Storrer 2001a), die Interaktion zu simulieren versuchen, interagiert man dann nicht mit einer anderen Person (wie in der Interaktion), sondern zunächst einmal nur mit einer Maschine, seinem PC (vgl. Esposito 1995: 227; Sutter 2008: 67). Ob das „Gegenüber" eine andere Person oder eine Maschine ist, ist letztlich unergründlich, obwohl dies für das Gelingen der Kommunikation auch nicht von Belang ist (vgl. Wehner 1997b: 107). Diese Kommunikation ist anonym; ein direkter Zugriff[51] auf den Anderen (wie in der Interaktion) ist wegen der Zwischenschaltung der Technik nicht möglich. Jegliche Kontextinformationen fehlen hier und müssen schriftlich expliziert...

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