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E-Book

Wege aus der Abhängigkeit

Belastende Beziehungen überwinden

AutorHeinz-Peter Röhr
VerlagPatmos Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783843606417
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Aus Angst vor Ablehnung stellen manche Menschen ihre Bedürfnisse immer wieder hintenan. Auch schaffen sie es häufig nicht, sich aus Beziehungen zu lösen, selbst dann nicht, wenn sie nur noch belastend ist. Anhand des Grimm'schen Märchens 'Die Gänsemagd' beleuchtet Heinz-Peter Röhr die Hintergründe krankhafter emotionaler Abhängigkeit. Er schickt seine Leser zunächst auf eine Verstehens-Reise in die eigene Vergangenheit, bevor er mit ihnen den Weg der Heilung beschreitet. Ein einfühlsamer Ratgeber für alle, die die Regie im eigenen Leben endlich selbst übernehmen wollen.

Heinz-Peter Röhr war über dreißig Jahre lang an der Fachklinik Fredeburg/Sauerland für Suchtmittelabhängige psychotherapeutisch tätig. Im Patmos Verlag sind von ihm viele sehr erfolgreiche Longseller erschienen, u.a. 'Vom Glück, sich selbst zu lieben', 'Borderline bewältigen', 'Narzissmus'.

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Leseprobe

1. Teil
Emotionaler Missbrauch in der Familie


Das Märchen Die Gänsemagd *


Es lebte einmal eine alte Königin, der war ihr Gemahl schon lange gestorben und sie hatte eine schöne Tochter. Wie die erwuchs, wurde sie weit über Feld an einen Königssohn versprochen. Als nun die Zeit kam, wo sie vermählt werden sollten und das Kind in das fremde Reich abreisen musste, packte ihr die Alte gar köstliches Gerät und Geschmeide ein, Gold und Silber, Becher und Kleinode, kurz alles, was nur zu einem königlichen Brautschatz gehörte; denn sie hatte ihr Kind von Herzen lieb. Auch gab sie ihr eine Kammerjungfer bei, welche mitreiten und die Braut in die Hände des Bräutigams überliefern sollte, und jede bekam ein Pferd zur Reise, aber das Pferd der Königstochter hieß Falada und konnte sprechen. Wie nun die Abschiedsstunde da war, begab sich die Mutter in ihre Schlafkammer, nahm ein Messerlein und schnitt damit in ihre Finger, dass sie bluteten. Darauf hielt sie ein weißes Läppchen unter und ließ drei Tropfen Blut hineinfallen, gab sie der Tochter und sprach: »Liebes Kind, verwahr sie wohl, sie werden dir unterwegs Not tun.«

Also nahmen sie beide voneinander betrübt Abschied. Das Läppchen steckte die Königstochter in ihren Busen vor sich, setzte sich aufs Pferd und zog nun fort zu ihrem Bräutigam. Da sie eine Stunde geritten waren, empfand sie heißen Durst und sprach zu ihrer Kammerjungfer:

»Steig ab und schöpfe mir mit meinem Becher Wasser aus dem Bache, ich möchte trinken.« »Wenn Ihr Durst habt«, sprach die Kammerjungfrau, »so steigt selber ab, legt Euch ans Wasser und trinkt, ich mag Eure Magd nicht sein.« Da stieg die Königstochter vor großem Durst hinunter, neigte sich übers Wasser im Bach und trank und durfte nicht aus dem goldenen Becher trinken. Da sprach sie: »Ach Gott!« Da antworteten die drei Blutstropfen: »Wenn das deine Mutter wüsste, das Herz im Leibe tät’ ihr zerspringen.« Aber die Königstochter war demütig, sagte nichts und stieg wieder zu Pferde. So ritten sie etliche Meilen weiter fort, aber der Tag war warm, die Sonne stach und sie dürstete bald von neuem. Da sie nun an einen Wasserfluss kamen, rief sie noch einmal ihre Kammerjungfer: »Steig ab und gib mir aus meinem Goldbecher zu trinken«; denn sie hatte aller bösen Worte längst vergessen. Die Kammerjungfer sprach aber noch hochmütiger: »Wollt Ihr trinken, so trinkt allein, ich mag Eure Magd nicht sein.« Da stieg die Königstochter hernieder, legte sich über das fließende Wasser, weinte und sprach: »Ach Gott!«, und die Blutstropfen antworteten wiederum: »Wenn das deine Mutter wüsste, das Herz im Leibe tät’ ihr zerspringen.« Und wie sie so trank und sich recht überlehnte, fiel ihr das Läppchen, worin die drei Tropfen waren, aus dem Busen und floss mit dem Wasser fort, ohne dass sie es in ihrer großen Angst merkte. Die Kammerjungfer hatte aber zugesehen und freute sich, dass sie Gewalt über die Braut bekäme, denn damit, dass diese die Blutstropfen verloren hatte, war sie machtlos geworden. Als sie nun wieder auf ihr Pferd Falada steigen wollte, sagte die Kammerfrau: »Auf Falada gehör’ ich, und auf meinen Gaul gehörst du«; und das musste sie sich gefallen lassen. Dann befahl ihr die Kammerfrau mit harten Worten, die königlichen Kleider auszuziehen und ihre schlechten anzulegen, und endlich musste sie sich unter freiem Himmel verschwören, dass sie am königlichen Hof keinem Menschen etwas davon sprechen wollte; und wenn sie diesen Eid nicht abgelegt hätte, wäre sie auf der Stelle umgebracht worden. Aber Falada sah das alles an und nahm’s wohl in Acht.

Die Kammerfrau stieg nun auf Falada und die wahre Braut auf das schlechte Ross, und so zogen sie weiter, bis sie endlich in dem königlichen Schloss eintrafen. Da war große Freude über ihre Ankunft, und der Königssohn sprang ihnen entgegen, hob die Kammerfrau vom Pferde und meinte, sie wäre seine Gemahlin. Sie ward die Treppe hinaufgeführt, die wahre Königstochter aber musste unten stehen bleiben. Da schaute der alte König am Fenster und sah sie im Hof halten und sah, wie sie fein war, zart und gar schön, ging alsbald hin ins königliche Gemach und fragte die Braut nach der, die sie bei sich hätte und die da unten im Hofe stände und wer sie wäre. »Die hab’ ich mir unterwegs mitgenommen zur Gesellschaft; gebt der Magd was zu arbeiten, dass sie nicht müßig steht.« Aber der alte König hatte keine Arbeit für sie und wusste nichts, als dass er sagte: »Da hab’ ich so einen kleinen Jungen, der hütet die Gänse, dem mag sie helfen.« Der Junge hieß Kürdchen (Konrädchen), dem musste die wahre Braut helfen Gänse zu hüten.

Bald aber sprach die falsche Braut zu dem jungen König: »Liebster Gemahl, ich bitte Euch, tut mir einen Gefallen.« Er antwortete: »Das will ich gerne tun.« »Nun, so lasst den Schinder rufen und da dem Pferde, worauf ich hergeritten bin, den Hals abhauen, weil es mich unterwegs geärgert hat.« Eigentlich aber fürchtete sie, dass das Pferd sprechen möchte, wie sie mit der Königstochter umgegangen war. Nun war das so weit geraten, dass der treue Falada sterben sollte, da kam es auch der rechten Königstochter zu Ohr und sie versprach dem Schinder heimlich ein Stück Geld, das sie ihm bezahlen wollte, wenn er ihr einen kleinen Dienst erwiese. In der Stadt war ein großes finsteres Tor, wo sie abends und morgens mit den Gänsen durchmusste. Unter dem finsteren Tor möchte er dem Falada seinen Kopf hinnageln, dass sie ihn doch öfters sehen könnte. Also versprach das der Schinderknecht zu tun, hieb den Kopf ab und nagelte ihn unter das finstere Tor fest.

Des Morgens früh, da sie und Kürdchen unterm Tor hinaustrieben, sprach sie im Vorbeigehen:

»O du Falada, da du hangest«,

da antwortete der Kopf:

»O du Jungfer Königin, da du gangest,

wenn das deine Mutter wüsste,

ihr Herz tät’ ihr zerspringen.«

Da zog sie still weiter zur Stadt hinaus und sie trieben die Gänse aufs Feld. Und wenn sie auf der Wiese angekommen war, saß sie nieder und machte ihre Haare auf, die waren eitel Gold, und Kürdchen sah sie und freute sich, wie sie glänzten, und wollte ihr ein paar ausraufen. Da sprach sie:

»Weh, weh, Windchen,

nimm Kürdchen sein Hütchen

und lass’n sich mit jagen,

bis ich mich geflochten und geschnatzt

und wieder aufgesatzt.«

Und da kam ein so starker Wind, dass er dem Kürdchen sein Hütchen wegwehte, und es musste ihm nachlaufen. Bis es wiederkam, war sie mit dem Kämmen und Aufsetzen fertig, und er konnte keine Haare kriegen. Da war Kürdchen bös und sprach nicht mit ihr; und so hüteten sie die Gänse, bis dass es Abend ward, dann gingen sie nach Haus.

Den anderen Morgen, wie sie unter dem finsteren Tor hinaustrieben, sprach die Jungfrau:

»O du Falada, da du hangest«,

Falada antwortete:

»O du Jungfer Königin, da du gangest,

wenn das deine Mutter wüsste,

ihr Herz tät’ ihr zerspringen.«

Und in dem Feld setzte sie sich wieder auf die Wiese und fing an, ihr Haar auszukämmen, und Kürdchen lief und wollte danach greifen, da sprach sie:

»Weh, weh, Windchen,

nimm Kürdchen sein Hütchen

und lass’n sich mit jagen,

bis ich mich geflochten und geschnatzt

und wieder aufgesatzt.«

Da wehte der Wind und wehte ihm das Hütchen vom Kopf weit weg, dass Kürdchen nachlaufen musste; und als es wiederkam, hatte sie längst ihr Haar zurecht, und es konnte keins davon erwischen.

Abends aber, nachdem sie heimgekommen waren, ging Kürdchen vor den alten König und sagte: »Mit dem Mädchen will ich nicht länger Gänse hüten.« »Warum denn?«, fragte der alte König. »Ei, das ärgert mich den ganzen Tag.« Da befahl ihm der alte König, zu erzählen, wie’s ihm denn mit ihr ginge. Da sagte Kürdchen: »Morgens, wenn wir unter dem finstern Tor mit der Herde durchkommen, so ist da ein Gaulskopf an der Wand, zu dem redet sie:

›Falada, da du hangest‹,

da antwortet der Kopf:

›O du Jungfer Königin, da du gangest,

wenn das deine Mutter wüsste,

ihr Herz tät’ ihr zerspringen.‹«

Und so erzählte Kürdchen weiter, was auf der Gänsewiese geschähe und wie es dem Hut im Winde nachlaufen müsste.

Der alte König befahl ihm, den nächsten Tag wieder hinauszutreiben, und er selbst setzte sich hinter das finstere Tor und hörte da, wie sie mit dem Haupt des Falada sprach; und ging er ihr auch nach in das Feld und barg sich in einem Busch auf der Wiese. Da sah er nun bald selbst, wie die Gänsemagd und der Gänsejunge die Herde getrieben brachte und wie sie nach einer Weile sich setzte und ihre Haare losflocht, die strahlten von Glanz. Gleich sprach sie wieder:

»Weh, weh, Windchen,

nimm Kürdchen sein Hütchen

und lass’n sich mit jagen,

bis ich mich geflochten und geschnatzt

und wieder aufgesatzt.«

Da kam ein Windstoß und fuhr mit Kürdchens Hut weg, dass es weit zu laufen hatte, und die Magd kämmte und flocht ihre Locken still fort, welches der alte König alles beobachtete. Darauf ging er unbemerkt zurück, und als abends die Gänsemagd heimkam, rief er sie beiseite und fragte, warum sie das alles so täte? »Das darf ich Euch nicht sagen und darf auch keinem Menschen mein Leid klagen; denn so hab’ ich mich unter freiem Himmel verschworen, weil ich sonst um mein Leben gekommen wäre.« Er drang in sie und ließ ihr keinen Frieden, konnte aber nichts aus ihr herausbringen....

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