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E-Book

Weibersachen

Ein Trostbuch für alle, die zu schwach sind, um stark zu sein

AutorKathrin Spoerr
VerlagVerlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783838716619
Altersgruppe16 – 
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR

Man hat es schon schwer heutzutage, vor allem wenn man eine Frau ist und über 30. Frauen plagen sich im Fitnessstudio und joggen ohne Rücksicht auf die alten Knochen, weil sie schlank bleiben oder werden wollen. Sie schrecken vor nichts zurück, nicht einmal vor einem Besuch der Weight Watchers. Doch Frauen machen sich noch viel mehr Stress: Das Haus muss schick, die Ernährung gesund und die Kinder wohlgeraten sein, sonst sind Frauen nicht zufrieden. Sie plagen sich mit ihrer Mutter, mit den Geschwistern, mit ihren Männern und Exmännern, und weil das noch nicht reicht, mit der deutschen Bürokratie. Wenn sie vor lauter Stress dann zur Zigarette greifen, dann kommt als größte Plage auch noch das schlechte Gewissen dazu.

Die Botschaft dieses Buches: Wer zu viel will, wird oft scheitern. Aber ein bisschen Scheitern macht nichts - außer vielleicht ein bisschen glücklich.

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Leseprobe

ZEHN JAHRE, ZEHN KILO


Wie ich eines Tages in den Spiegel sah und feststellte, dass ich zu dick geworden war und mir vornahm, wieder dünn zu werden

Als ich neulich vor dem Spiegel stand, gefiel mir gar nicht, was ich sah. Ich stehe natürlich jeden Tag immerzu vor irgendwelchen Spiegeln. In jedem ordentlichen Haushalt gibt es ja mehr davon, als einer Notwendigkeitsprüfung standhalten würde: Über dem Waschbecken, in der Garderobe, aber auch an Wänden, wo sie weniger offensichtlichen Nutzen haben, hängen heutzutage Spiegel herum. So ist es auch bei mir. Ich kann gar nicht anders, als mich beim Zähneputzen, beim Mützeaufsetzen und beim Vorbeigehen an den anderen, den überflüssigen Spiegeln anzuschauen.

Doch neulich war es anders. Ich sah mich nicht nur, sondern ich betrachtete mich. Es handelte sich um den großen Badezimmerspiegel. Ich betrachtete mich also und es war so, dass ich fand, dass es reichte. Dass es nun endgültig reichte. Also: Ich fand, dass es so nicht weitergehen konnte. Kurz: Ich fand mich zu fett.

Was war geschehen? Das letzte Mal, dass ich mich so im Spiegel betrachtet hatte, lag schon einige Zeit zurück. Ich muss zugeben, dass ich mich schon immer zu dick fand, auch als ich nur 53 Kilo wog, also vor ungefähr zehn Jahren. Und in diesen zehn Jahren hatte ich weiß Gott nicht alle Spiegel von den Wänden entfernt, um unbeobachtet fett zu werden. Tatsächlich ist es so, dass ich heute mindestens doppelt so viele Spiegel habe wie vor zehn Jahren. Ich habe sie gekauft, weil sie mir gefielen, weil sie hier oder da dekorative oder nützliche Zwecke erfüllten. Aber nicht, um mich, so wie neulich, darin zu betrachten.

Nun, da ich der Realität ins Antlitz gesehen hatte, wollte ich die ganze Wahrheit wissen. Dazu musste zunächst das Faktische geklärt werden. Ich wollte Wahrheit in Form von Zahlen. Um mich gegen das Unvermeidliche zu wappnen, schätzte ich erst einmal. Ich schätzte großzügig, damit ich später, wenn Beweise vorliegen würden, vielleicht ein bisschen erleichtert sein könnte. Aber irgendwann war der lange hinausgezögerte Schritt, der Schritt auf die Personenwaage, nicht länger aufzuschieben.

Leider bestätigte meine Waage meine pessimistischsten Erwartungen, und es gab keinen, gar keinen Grund, irgendetwas zurechtzuinterpretieren. Es gab erst recht keinen Grund, heimlich erleichtert zu sein: In den letzten zehn Jahren waren ziemlich genau zehn Kilo dazugekommen. Zehn Kilo! Pro Jahr ungefähr ein Kilo. Ich versuchte, mir ein Kilo vorzustellen. Ein Kilo Fett dürfte wohl so viel sein wie ein Liter Milch. Zehn Kilo waren zehn Liter Milch, also praktisch ein ganzer Eimer voll. Zehn Kilo Fett waren nun gleichmäßig an meinem Körper verteilt. Nicht einmal bei meinen Schwangerschaften, als ich also jeweils ein ganzes Kind und dazu noch einen Haufen Wasser in Bauch und Beinen mit mir herumschleppte, hatte ich so viel Lebendgewicht auf die Waage gebracht.

Hätte mein Körper die Gnade gehabt, problemzonenweise Fett anzulagern, wäre das hier bestimmt nicht passiert. Hätten die Massen sich nur am Bauch, nur am Hintern oder nur an den Oberschenkeln angelagert, so wäre ich bestimmt schon nach zwei Kilo erwacht aus diesem Dämmerzustand des langsamen Fettwerdens. Das hatte er aber nicht getan. Beim Betrachten sah ich es. Ich sah es überall, wo es sich festgesetzt hatte: Natürlich dort, wo es den klassischen weiblichen Körper üppig macht, in jenen Zonen, auf die sich die Fitnessstudios der Welt spezialisiert haben – an Bauch, Beinen, Po. Aber nicht nur dort. Sondern auch an den Armen! Am Hals! Im Gesicht! An den Hüften! Und – am schlimmsten – am Busen!

Ich muss zugeben, dass ich mit all diesen Fürchterlichkeiten noch gerade so hätte leben können. Sogar mit der Hüfte, die, wie ich in aller Deutlichkeit sah, irgendwie in die Höhe gewachsen war. Ja, auch diese Hüfte, die dabei war, sich in den Bereich der Taille hochzuarbeiten, hätte ich ertragen können. Aber den Blick auf diesen Busen, den ertrug ich nicht. Mein Busen war regelrecht explodiert. Ein großer Busen, das war immer so ziemlich das Hässlichste, was ich mir vorstellen konnte, allen (ich möchte fast sagen: perversen) Wünschen meiner männlichen Artgenossen zum Trotz. Ich hätte lieber einen Hintern gehabt wie ein Brauereipferd, Beine wie Elli Pyrelli und einen Bauch wie Berlins Sechslingsmutter, aber nicht einen Busen wie Dolly Buster.

Woher diese ländliche Üppigkeit kam, hatte ich mir schnell klargemacht: Stoffwechseltechnisch ist es bekanntlich so, dass man, wenn man zehn Jahre älter geworden ist, schneller fett wird, auch wenn man das Gleiche isst wie zehn Jahre zuvor. Wahr ist wohl auch, dass das Kinderkriegen und das Cocooning mit dem eigenen Fleisch und Blut nicht dazu taugen, den Body-Mass-Index nach unten zu treiben. Schließlich kommt bei mir noch hinzu, dass ich irgendwann aufgehört habe, auf Dauerdiät zu sein. Ich habe einfach damit aufgehört, täglich zwei, drei, vier, fünf oder auch 20 Mal auf die Waage zu steigen und innerlich grammweise Buch zu führen über meinen Abstand zum Traumgewicht von deutlich unter 50 Kilo und dabei genau zu differenzieren in Morgengewicht, Abendgewicht, Angezogengewicht, Nacktgewicht, Vorklo- und Nachklogewicht. Ich habe ganz und gar damit aufgehört, mich zu wiegen.

Dabei war ich früher im Wiegen eine Spezialistin. Natürlich berücksichtigte ich beim Wiegen die Tageszeit, die Jahreszeit, meinen Zyklus und die Zahl der absolvierten »Fatburner«-Stunden im Fitnessstudio. Große Bedeutung maß ich damals aber auch der Art bei, wie ich auf der Waage stand: Beugte ich mich vor, wog ich sofort 800 Gramm mehr. Je weiter ich mich zurückbeugte, desto leichter wurde ich. Wollte ich mein unmanipuliertes Gewicht erfahren, musste ich also immer in der gleichen Weise auf der Waage stehen. Damit keine ungewollten Ungenauigkeiten entstanden, hatte ich mit einem roten Edding zwei Kreuzchen auf die Waage gezeichnet. Auf diesen Kreuzen hatten meine beiden großen Zehen zu stehen. Dieses − und nur dieses − Messergebnis zählte.

Zu meinem 32. Geburtstag schenkte mir meine beste Freundin Imke dann eine Hightech-Waage. Die konnte auf irgendeine geheimnisvolle Weise den Fettgehalt meines Körpers ausrechnen. Eigentlich eine feine Sache, fand ich. Aber beim ersten Benutzen stellte sich heraus, dass diese Waage nicht ganz richtig im Kopf war. Sie wog mich um mehr als ein Kilo schwerer. Sie war noch nicht mal in der Lage, zu unterscheiden, ob ich vorn, hinten, links oder rechts stand. Ein Kilo mehr? Einfach so? In einer Zeit, in der ich um jedes Gramm rang, war so eine Waage natürlich nicht akzeptabel. Sie hat sehr schnell über eBay einen neuen Besitzer gefunden.

Mit meiner alten Soehnle und ihren herrlich altmodischen roten Digitalzahlen hatte ich solche Probleme nicht. Mit dieser treuen Seele erlebte ich vor Jahren viele beschwingte Morgenstunden. Diese verliefen so: aufstehen – wiegen, aufs Klo gehen – wiegen, Pyjama ausziehen – wiegen. Noch einmal auf die Waage steigen und erst weit, dann weiter und beim letzten Mal ganz weit nach hinten beugen. Auf diese Weise hatte ich innerhalb von drei Minuten anderthalb Kilo abgenommen und sofort gute Laune.

Aber irgendwann, nach vielen, vielen Jahren, erklärte ich diese Art von Beschäftigung für Zeitverschwendung und zudem für eigentlich dauerfrustrierend. Die Themen Abnehmen, Hungern, Fasten sollten der Vergangenheit angehören! Dieser Entschluss fiel ungefähr in die Zeit der Familiengründung. Eine Mutter sollte über Teenager-Benehmen erhaben sein, fand ich damals. Und das finde ich eigentlich heute noch. Bis zu jenem Tag vor dem großen Badezimmerspiegel.

Ich fasste nun einen Entschluss, der mir so fest vorkam wie Granit. Die zehn Kilo sollten wieder weg. Und weil diese Granithärte mich stark und froh machte, verzichtete ich sofort auf das Frühstück. Die Kinder aßen ihr warmes Nutellabrötchen wie immer. Sie ließen wie immer die Hälfte liegen. Und ich nahm die verlockenden Frühstücksreste, nahm sie wie jeden Morgen. Doch ich aß sie nicht auf wie sonst, sondern ich schmiss sie froh und standhaft in die Mülltonne. Das, fand ich, war ein guter Anfang meines neuen Lebens.

Doch schon gegen Mittag wurde ich unsicher. Der Hunger hatte inzwischen mehrfach an die Magenwand geklopft. Das konnte ich in meiner Prä-, Post- und Spät-Teenagerzeit sehr gut aushalten. Damals hungerte ich ohne Mühe wochenlang. Jeder Apfel machte mir damals schon ein schlechtes Gewissen. Und weil Sport den Weg zum Untergewicht beschleunigt, tobte ich täglich ins Fitnessstudio und gab mir physisch den Rest. Es war eine schreckliche Zeit. So sollte es nie wieder werden. Ich musste es also anders angehen. Aber wie? Ich tat das, was alle Frauen in dieser Situation tun: Ich rief meine Freundinnen an.

Es stellte sich schnell heraus, dass alle, wirklich alle meine Freundinnen Expertinnen auf dem Gebiet waren. Jede von ihnen hatte nicht nur Erfahrungen mit dem Thema postfamiliärer Gewichtszunahme, sondern jede war akut damit beschäftigt, ihr derzeitiges Gewicht zu reduzieren. Einige schon seit Jahren.

Andrea versuchte es mit Trennkost. Sie ernährte sich einfach einseitig. Mit nur Eiweiß, nur Fett oder nur Kohlehydraten. Ihr Körper war also immerzu geflutet und unterversorgt zugleich. Als ich sie anrief, war sie gerade in der Eiweißphase. Fünfmal am Tag aß sie zwei gekochte Eier mit Salz. Hatte ihr Körper Appetit auf Süßes, fütterte sie ihn mit Eiern. Hatte er Lust auf Nudeln, gab sie ihm Eier. Wollte er Obst, bekam er Eier. Andrea war dabei nicht sehr glücklich. Und ihr war immerzu schlecht.

Anne versuchte...

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