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Weisheit -

Die 5 Prinzipien des gelingenden Lebens

AutorJudith Glück
VerlagKösel
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783641188832
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Wenn wir von weisen Menschen sprechen, denken viele spontan an den Dalai Lama, an Nelson Mandela, vielleicht an Papst Franziskus. Was macht deren Weisheit aus? Und was ist Weisheit eigentlich genau? Fällt sie einem Menschen zu wie eine Gabe, oder beruht sie auf Fähigkeiten, die sich unter Umständen sogar erlernen lassen?

Die Weisheitsforscherin Judith Glück entschlüsselt in diesem Buch das Geheimnis weiser Menschen. Ihre Schlussfolgerungen aus Jahrzehnten der psychologischen Weisheitsforschung haben fünf Eigenschaften herausgearbeitet, über die weise Menschen verfügen: Offenheit für neue Perspektiven, Einfühlungsvermögen, Reflektiertheit, ein kluger Umgang mit den eigenen Gefühlen und Selbstvertrauen.

Diese Eigenschaften sind aber nicht angeboren, sondern können erlernt werden. Es ist also für jeden möglich, mit Lebenserfahrungen so umzugehen, dass sich daraus das formt, was wir Weisheit nennen. So lautet das erfreuliche Fazit dieses erhellenden und tiefgründigen Buchs: Jeder Mensch kann weise werden.



Judith Glück wurde 1969 geboren. Studium der Psychologie und Doktorat Universität Wien. 1999 bis 2002 Postdoctoral Research Fellow für Lifespan Psychology am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin. Nach der Habilitation 2002 Rückkehr an die Uni Wien als außerordentliche Professorin für Entwicklungspsychologie. Seit 2007 Professorin für Entwicklungspsychologie am Institut für Psychologie der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Forschungsschwerpunkte: Entwicklung im Erwachsenenalter und Psychologie der Weisheit.

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Leseprobe

Prinzip 1: Offenheit

Wie schon erwähnt, geht mein Forschungsteam davon aus, dass lebensverändernde Ereignisse die wichtigsten Katalysatoren der Entwicklung von Weisheit sind, weil sie das Potenzial haben, unsere Sicht auf das Leben, auf uns selbst und auf andere Menschen zu verändern. Weisheit kann sich aber nur dann entwickeln, wenn Menschen auch bereit sind, sich verändern zu lassen. Wenn sie also neuen Erfahrungen nicht mit einer vorgefassten Sichtweise begegnen, die sie nach Möglichkeit beibehalten wollen, sondern willens sind, sich überraschen oder beeindrucken zu lassen. Weise Menschen haben sich somit bis zu einem gewissen Grad die kindliche Fähigkeit des Staunens, des Wahrnehmens ohne sofortiges Einordnen erhalten.

Wenn man eine bestimmte Vorstellung von der Welt und dem Leben hat und plötzlich etwas passiert, was dieser Vorstellung widerspricht, hat man grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Man kann die Bedeutung des unerwarteten Ereignisses (sofern sie sich nicht allzu offensichtlich aufdrängt) ignorieren, um seine Vorstellung aufrechtzuerhalten, oder man kann diese Vorstellung hinterfragen und verändern. Eine Vorstellung, an der viele Menschen sehr gerne festhalten, ist beispielsweise die, dass andere an dem Unglück, das ihnen widerfährt, selbst schuld sind. Wer von seinem Partner verlassen wurde, hat sich offensichtlich zu wenig um die Beziehung gekümmert, wer ein Kind hat, das andere Kinder mobbt, hat es einfach nicht gut erzogen. Beides ist meistens auch nicht ganz falsch, aber sehr oft überschätzen wir die Eigenverantwortung der Betroffenen. Bis es uns dann selbst erwischt: Der Hobbysportler, der sich immer sicher war, dass seine körperliche Aktivität ihn vor allen Krankheiten schützt, bekommt Bluthochdruck, die brave Mustertochter verwandelt sich in der Pubertät in eine Rebellin. Und wie gehen wir damit um? Wenn das jemand anderem passiert, sind wir schnell mit einer Erklärung bei der Hand, die dem Betreffenden die Schuld gibt. Der Mann mit dem Bluthochdruck hat sich falsch ernährt, die pubertierende Tochter wurde schon immer viel zu streng gehalten und rächt sich jetzt dafür. Bei uns selbst ist diese Strategie aber nicht hilfreich, denn wir wollen ja nicht schuld sein, und es gibt zum Glück viele andere mögliche Erklärungen, auf die wir ausweichen können. Wenn unsere Tochter sich plötzlich in ein kratzbürstiges Wesen verwandelt, liegt es an ihrem Freundeskreis oder an dem großen Druck in der Schule, und der Bluthochdruck ist auf den Stress durch den fordernden Chef zurückzuführen. Die Psychologie spricht hier von »selbstschützenden Attributionen«. Wir suchen Erklärungen, die es uns ermöglichen, unsere positiven Vorstellungen von uns selbst aufrechtzuerhalten.

Weise Menschen weisen Verantwortung nicht so schnell von sich. Aufgrund ihres geradezu forscherischen Interesses an den Grundfragen des menschlichen Lebens finden sie es auch dann noch spannend, neue Erklärungen und Erkenntnisse zu gewinnen, wenn diese für sie selbst nicht unbedingt schmeichelhaft sind. Im Fall der pubertierenden Tochter würden sich weise Eltern vermutlich große Mühe geben, sich auf die Perspektive ihrer Tochter einzulassen. Gerade bei unseren Kindern, die wir seit ihrer Geburt kennen, glauben wir oft, ganz genau zu wissen, wie sie denken und empfinden. Es ist ausgesprochen schwierig, wenn nicht unmöglich, dem eigenen Kind (oder auch den eigenen Geschwistern oder Eltern) unvoreingenommen zu begegnen, sie so anzuschauen, wie wir einen unbekannten Menschen anschauen würden. Aber genau diese Offenheit, die Bereitschaft, unsere Vorstellung zu verändern, kann uns helfen, uns und unsere Beziehung zu den Menschen, die uns wichtig sind, weiterzuentwickeln. Im Fall des Bluthochdrucks ist es vermutlich durchaus eine gute Idee, über beruflichen Stress als Erklärung nachzudenken, aber nicht, indem man die Schuld an den herzlosen Chef abschiebt, sondern indem man sich fragt, was man selbst an der Situation ändern könnte.

Es gibt allerdings auch Ereignisse, an denen einfach niemand schuld ist: Die viel zitierte Verkettung unglücklicher Umstände, dumme Zufälle, durch die Menschen zu Schaden kommen. Wie ich bei Prinzip 5 genauer ausführen werde, fällt uns die Akzeptanz solcher Ereignisse ganz besonders schwer. Und auch hier haben weise Menschen den meisten von uns einiges voraus. Das Streben nach Logik und klaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen liegt wohl in unserer Natur. Von Anfang an bemühen wir uns, zu verstehen, wie die Welt funktioniert, um optimal in ihr zurechtzukommen. Die Lernprozesse kleiner Kinder haben, wie der berühmte Entwicklungspsychologe Jean Piaget22 gezeigt hat, vor allem das Ziel, bestimmte Vorstellungen über die Gesetzmäßigkeiten des Lebens zu entwickeln. Das Kind entwickelt sogenannte Schemata wie Wissenschaftler eine Theorie. Es testet seine Vermutungen an der Realität und verändert sie gegebenenfalls. Am Anfang nennt das Kleinkind vielleicht alle vierbeinigen Tiere »Wauwau«. Mit der Zeit lernt es aus den Reaktionen seiner Umgebung, dass manche Tiere »Wauwaus« sind, manche aber »Miezis«, und wie man die beiden Gruppen unterscheidet. Die ersten Lebensjahre sind voll von solchen Lernprozessen, mit denen das Kind seine Schemata immer wieder revidiert und sie immer besser an die Umwelt anpasst. Diese grundlegende Orientierung am Erwerb von Schemata geht über das Lernen von Begriffen weit hinaus Die Bindungspsychologie beispielweise geht davon aus, dass wir auch unsere Grundvorstellungen von Beziehungen auf ähnliche Art erwerben. Wer als kleines Kind von seinen Eltern unzuverlässig versorgt wird, entwickelt vielleicht die Grundvorstellung, dass man sich auf andere Menschen nicht verlassen kann, wer hingegen liebevolle und sensitive Eltern hat, entwickelt ein Grundgefühl von Vertrauen in die Welt, das auch durch schwerwiegende Ereignisse später nicht so leicht erschüttert wird.

Da Kinder das Bedürfnis haben, möglichst realitätsgetreue Vorstellungen von den Gesetzmäßigkeiten der Welt um sie herum zu entwickeln, fällt es ihnen nicht schwer, ihre Schemata zu verändern, wenn sie der Realität nicht entsprechen. Würden wir schon als Kleinkinder so unflexibel an unseren Vorstellungen festhalten, wie wir es als Erwachsene tun, kämen wir in unserer Entwicklung wohl nicht allzu weit.

Schon im Alter von etwa sechs oder sieben Jahren vollzieht sich bei vielen Kindern eine recht grundlegende Veränderung von einem eher magischen Weltbild, in dem der Osterhase und der Weihnachtsmann ebenso plausibel sind wie das Monster aus dem Alptraum der letzten Nacht, hin zu realistischeren Vorstellungen über die logischen und physikalischen Grundlagen unserer Umwelt.23 Wenn wir dann erwachsen sind und unsere Schemata oft genug an der Realität getestet haben, neigen wir stark zum Festhalten an ihnen. Unser Denken hat sich schließlich mit dem Ziel entwickelt, eine einigermaßen stabile Vorstellung davon zu bekommen, wie die Welt funktioniert. Daher ordnen wir das, was uns widerfährt, gerne in unsere Denkmuster ein, wir interpretieren Ereignisse so, dass sie unser Weltbild bestätigen, und tatsächlich werden wir oft durch selbsterfüllende Prophezeiungen darin unterstützt. Wer grundsätzlich davon ausgeht, dass die Welt ein freundlicher Ort ist, lächelt fremde Menschen an und bekommt oft genug ein bestätigendes Lächeln zurück. Jene hingegen, die stets mit Angriffen rechnen, laufen schon mit einer aggressiven oder miesepetrigen Miene durchs Leben und erhalten ebenfalls entsprechende Reaktionen.

Manche Menschen sind allerdings flexibler als andere und sich in höherem Maße der Tatsache bewusst, dass eine kleine Veränderung der eigenen Denkmuster auch noch im Erwachsenenalter die Perspektive erweitern, das Leben bereichern und es letztlich vielleicht sogar leichter machen kann. Sie sind öfter bereit, etwas Neues auszuprobieren, und haben dadurch auch gelernt, dass es sehr unterschiedliche Sichtweisen auf das Leben gibt. Diese Bereitschaft ist bis zu einem gewissen Grad angeboren. Menschen kommen bereits unterschiedlich ängstlich, mit einem mehr oder weniger ausgeprägten Bedürfnis nach Struktur und Sicherheit zur Welt. Ein gewisses Maß an Flexibilität kann aber auch noch im Laufe des Lebens erlernt werden. Wer beispielsweise mit Eltern aufwächst oder später mit Menschen zusammenlebt, die selbst bereit sind, sich auf neue Ideen oder Erfahrungen einzulassen, kann in kleinen und dann größeren Schritten lernen, wie sehr man davon profitieren kann.

Manchmal werden wir von Erfahrungen geradezu gezwungen, unsere Perspektive zu verändern. Meine eigene erste große Offenheitserfahrung war mein Umzug nach Berlin im Jahr 1999, um als Postdoktorandin eine Stelle am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung anzutreten. Noch kurz zuvor hatte ich mich mit einer aus Deutschland stammenden Freundin darüber unterhalten, dass ich es mir gar nicht vorstellen könnte, so wie sie aus meiner Heimatstadt wegzuziehen. Wäre das Angebot, nach Berlin zu gehen, nicht von Paul Baltes gekommen, hätte ich meine Heimatstadt wohl auch nie verlassen, denn ich bin von Natur aus eher vorsichtig und war außerdem durch meinen späteren Mann, meine Familie und meine sichere Stelle an der Universität eng an die Stadt gebunden. So aber musste ich den Sprung einfach wagen und war von April 1999 an drei Jahre lang in Berlin. Dort angekommen, wurde ich umgehend mit der Leitung des Weisheitsprojektes betraut – völliges Neuland für mich!

Berlin war eine meiner besten Erfahrungen. Privat war ich in den ersten anderthalb Jahren manchmal recht einsam, aber ich lernte, damit umzugehen, auf mich selbst zurückgeworfen zu sein, erschloss mir nach und...

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