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Weltanschauung und Menschenbild in der Kunst der Gegenwart

AutorElenor Jain
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783739280417
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Das Verstehen von Kunst erfordert über die formal-kunsthistorische Analyse hinaus ein Verstehen des Künstlers und seiner Sicht auf die Wirklichkeit. Mit dieser Welt- oder Wirklichkeitsauffassung ist auch eine spezifische Auffassung des Menschenbildes verbunden, das in den Werken zutage tritt und gleichzeitig Aufschluss über die Struktur der Gesellschaft gibt. Ausgehend von der philosophischen Theoriebildung zu Weltanschauung und Menschenbild werden zunächst Werke der traditionellen Kunst betrachtet, um schließlich Werke der Gegenwartskunst hinsichtlich ihrer weltanschaulichen Grundannahmen zu diskutieren und ihr jeweils typisches Menschenbild nachzuweisen.

Dr. habil. Elenor Jain hat als Privatdozentin im Fachbereich Philosophie und Kunstwissenschaft zahlreiche Publikationen zu philosophischen und kulturkritischen Themen sowie Monographien zur Ästhetik, Lebensphilosophie, Ontologie und Pädagogik herausgebracht.

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Leseprobe

Kunst, die nicht seelische Sphären und geistige Welten sichtbar machen kann, hat ihren Namen nicht verdient.

Einleitung


Das Problem einer weltanschaulichen Grundlage der Kunst ist zwar in der philosophischen Ästhetik gelegentlich thematisiert, aber nur marginal im Blick auf kunsthistorische und kunstwissenschaftliche Zusammenhänge und Erkenntnisse untersucht worden. Hierfür gibt es eine Vielzahl von Gründen, von denen ein wesentlicher in der Auffassung besteht, daß Kunst einen speziellen Bereich im Kulturgeschehen besetze, der mit den Methoden und Prämissen anderer Disziplinen nur schwer zu analysieren ist.

Auch die Kunstgeschichte übt hinsichtlich einer Betrachtung weltanschaulicher Grundlagen der Kunst äußerste Zurückhaltung, was einerseits an ihrem vorrangig einzelwissenschaftlichen Interesse an der Kunsthistorie liegt: der Beschreibung, Vergleichung und Deutung der Bildenden Kunst im geschichtlichen Ablauf. Andererseits ist diese Zurückhaltung sicherlich auch auf das allgemeine Vorurteil zurückzuführen, das dem Begriff ´Weltanschauung´ aus teils durchaus berechtigten Gründen entgegengebracht wird: z.B., daß die Analyse weltanschaulicher Implikate in der Kunst zu subjektiv oder aus dem Vorwissen weltanschaulicher Positionen heraus nicht intersubjektiv überprüfbar sei; vor allem aber auch, daß die Rückbesinnung auf weltanschauliche Grundlagen am eigentlichen Thema kunsthistorischen Forschens vorbeigehe. Indes sollte eine umfassende ikonologische Analyse nicht außer acht lassen, daß Kunst als Ausdruck menschlichen Denkens und Handelns (der auch ´Wirkung´ besitzt) immer eine spezifische Sicht auf die Wirklichkeit dieser Welt offenbart und mithin eine ganz “eigen”-artige Einstellung (und dies sei im folgenden unter Weltanschauung verstanden) des Künstlers zu dieser Wirklichkeit voraussetzt.

Aber ein Zweites ist mit dieser These verbunden: aus weltanschaulichen Prinzipien resultiert immer auch ein bestimmtes Menschenbild, dessen Darstellung sich in der Kunst, der Werbung oder den Medien zeigt. So geben beispielsweise bildnerische Darstellungen Aufschluß über die Auffassung des Künstlers, ja sogar der Gesellschaft einer Epoche, über die Stellung der Frau im sozialen Gefüge, über Minderheiten, religiöse oder politische Repräsentanten usf., über die jeweilige Lebensform schlechthin. Weltanschauungen - und sie sind keineswegs homogen in einer Epoche - drücken mithin auf vielfältige Weise recht komplizierte Zusammenhänge zwischenmenschlicher Beziehungen in bildnerischen Produkten aus. Eine Vielzahl von Ausstellungen dokumentiert auch bereits im Titel, daß ihr Anliegen sich auf eine Präsentation solcher Werke bezieht, die sich dem Menschenbild widmen1. Selten wird dabei - auch in den begleitenden Texten - das Menschenbild in eine Beziehung mit weltanschaulichen Grundannahmen gesetzt. Vor allem soziologische Theorien interpretieren die situative Bedingtheit des Menschen, seinen Ausdruck usf. Auf diese hin wird schließlich auch das künstlerische Motiv untersucht und meist sozialkritisch im Blick auf gesellschaftliche Strukturen untersucht. Daß dies jedoch nicht ausreichen kann, wird im folgenden noch zu zeigen sein. Im Zentrum werden daher für unsere Untersuchung vor allem individuelle Momente der künstlerischen Aussage bzw. des Motivs und seiner spezifischen Bearbeitung stehen, insofern das Kunstwerk als Ausdruck existentieller menschlicher Grunderfahrungen betrachtet werden kann, die einen tieferen Einblick in das Verhältnis von Mensch und Welt erlauben.

Absicht des ersten Teils ist es, einen Einblick in verschiedene, hier wesentliche Auffassungen zur Weltanschauungen zu geben, um den Zusammenhang von Weltauffassung, Denken und Handeln begründen zu können. Es wird sich dann zeigen, daß auch die Beziehung von Weltanschauung und Kunst eine so unbedeutende also nicht ist, wie dies im übrigen der Philosoph und Pädagoge Herman Nohl bereits in seiner bislang wenig beachteten Habilitationsschrift “Die Weltanschauungen der Malerei” (1908) dargestellt hat2, auf die im zweiten Kapitel näher eingegangen werden soll. Die Erörterung seiner Untersuchung dient dabei als Grundlage und Einführung des zweiten Teils, der zunächst einige Auffassungen zum Menschenbild der Gegenwart darzustellen versucht, um dann den Versuch zu wagen, anhand einiger Beispiele zur Malerei und Skulptur, zu Installation und Aktion sowie zur digitalen Ästhetik, das Verhältnis von Weltanschauung und Menschenbild in der Gegenwartskunst näher zu beleuchten. Es wird sich zeigen müssen, ob die z.B. von Nohl gemachte Unterscheidung zwischen verschiedenen weltanschaulichen Grundtypen auch auf abstrakte, oder andere, ein Menschenbild nicht sichtbar formulierende Kunstformen anwenden läßt oder ob andere Kategorien zu ihrer Interpretation herangezogen werden müssen. Nohl selbst hat sich ja bekanntlich nicht mehr zur Gegenwartskunst geäußert, weil - wie Elisabeth Blochmann erwähnt - er keinen Zugang zu dieser Kunst gefunden habe.

Zunächst aber einiges zum Begriff der ´Weltanschauung´. In Anbetracht der inzwischen unüberschaubaren Literatur (im übrigen mit durchaus gegensätzlichen Deutungen) sollen im folgenden nur einige, die wesentlichen Grundzüge herausstellende Positionen dargestellt werden.

Um die Erwartungen, die an einen solchen Versuch gestellt werden könnten, nicht zu hoch anzusetzen, muß vorab erwähnt sein, daß es nicht darum geht, eine umfassende Klärung des überaus komplexen Problems der Beziehung von Weltanschauung und Kunst und dem sich zeigenden Menschenbild zu erreichen. Die Unmöglichkeit eines solchen Vorhabens ergibt sich schon aus der Tatsache, daß der Begriff Weltanschauung bisher ebensowenig eindeutig definiert werden konnte wie der des Menschenbildes. Ganz sicher ist es sogar ein Vorzug, daß wir über kein einheitliches Menschenbild verfügen, denn es ist nicht von der Hand zu weisen, daß auch schon der Versuch dazu scheitern müßte, weil die Vielfalt der Faktoren nicht zu einem System zusammenzufügen sind. Ein solches System vernachlässigte ohne Frage die je individuellen Zusammenhänge, die schon aufgrund äußerer Bedingungen ständig variieren. Und der Mensch ist glücklicherweise noch kein geklontes Wesen, dessen Eigenart man ohne weiteres auf das andere übertragen könnte. So bieten die vorliegenden Ansätze auch immer nur einen Teilaspekt, Mosaiksteinchen, aus denen sich aber durchaus ein Mosaik zusammensetzen läßt, um Einblicke in die Eigenart des Individuums und seiner Ausdrucksformen zu gewinnen. Die meisten Konzepte zum Menschenbild sind nicht nur aus dem schon genannten Grund einseitig. Denn man kann sehr wohl erkennen, daß schon die Beschreibung des Menschenbildes in einer bestimmten Weltanschauung gründet. Diese aber ist selektiv, Ausschnitt eines viel umfassenderen Zusammenhangs, den die subjektive Weltsicht nicht erfaßt. Ein Denker, der seine Weltanschauung auf die Vernunft aufbaut, wird ein ebensolches Menschenbild vor Augen haben. Er lehnt andere Möglichkeiten ab oder sieht sie erst gar nicht. Er kann sich nicht in andere Vorstellungen hineinversetzen, die ja keinesfalls - will man sie nicht einseitig empirisch begründen, wie der Biologismus - mit den eigenen kongruieren.

So ist der Einwand, daß die eine oder andere Position einseitig die rationale, emotionale, die individuelle oder kollektive Seite des Menschen betrachte, durchaus berechtigt, doch eine jede Sicht erweitert durch ihre Erkenntnisse den Perspektivenreichtum, welcher eine - wenn auch nicht vollständige - Annäherung an das Phänomen Mensch erlaubt. Eine solche “Zusammenschau” muß nicht eklekti-zistisch in dem Sinne sein, daß sie aus jedem Konzept das ihr Dienliche herausfiltert. Vielmehr gilt es, die zur Klärung des Sachverhalts wesentlichen Aspekte miteinander zu vergleichen, auf ihre Reliabilität zu befragen und auf das Ganze zu übertragen. Während der Naturwissenschaftler ein endgültiges und sicheres Ergebnis von seinen Forschungen erwartet, ist dies in diesem Zusammenhang aufgrund des zu betrachtenden Gegenstandes nicht möglich. Und mit Dilthey läßt sich sagen, daß der Gegenstand eine andere als die naturwissenschaftliche Betrachtung verlangt, die dennoch zu Erkenntnissen, Ergebnissen und Wahrheiten führt. Sie sind nicht allgemeingültig, insofern sie ständigen Veränderungen unterliegen, neue Betrachtungen und Perspektiven erfordern und auch revidiert werden können. Aber sie sind objektiv, insofern die Ergebnisse dem Gegenstand gerecht werden. So wie das Leben sich nicht in Normen und Systeme zwängen läßt, verhält es sich wohl auch mit der Einzigartigkeit der menschlichen Existenz. Und wir haben es ja nicht mit einem berechenbaren Gegenstand zu tun, sondern mit einem solchen, der unserer eigenen Erfahrensebene entspringt. Diese eignet sich mithin viel sicherer als Fundament von Erkenntnissen als quantifizierende, messende Methoden.

Absicht der folgenden Überlegungen kann daher nur sein, einen neuen Zusammenhang hinsichtlich der Betrachtung von Kunst in den Blick zu rücken, welcher zu weiteren Fragen führt, die die Dimensionen des Zugangs zur Kunst überhaupt in Erwägung ziehen. Die im zweiten Teil hergestellten...

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