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Weltmehr

Seelentexte für die innere Wandlung

AutorStephan Hachtmann
VerlagKreuz
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783451345920
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,49 EUR
Wandlung braucht Zeit. Der Kontemplationslehrer Stephan Hachtmann weiß das. Seit 1996 ist er auf seiner spirituellen Reise über 'das Weltmehr'. Seine Erfahrung mit der Transzendenz hat ihn zu Texten inspiriert, die Menschen auf einem spirituellen Weg Begleitung sind. In diesem Buch sind zahlreiche dieser Seelentexte versammelt - zum Nachdenken und -fühlen, zum Lesen und Wiederlesen. Für Menschen, die in ihrem Leben nach dem Mehr der Welt suchen.

Stephan Hachtmann ist spiritueller Lehrer für das Herzensgebet in der Tradition Via Cordis. Der Pfarrerssohn aus der DDR kennt viele Leben: der gelernte Möbeltischler lebte 20 Jahre als Rockmusiker in Berlin und London. Heute arbeitet er als Diakon in der Hamburger Suchthilfe und leitet Seminare zum Herzensgebet und anderen spirituellen Themen.

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Leseprobe

1. Es gibt keine Fehler


„Es gibt keine Fehler, es gibt nur Erfahrungen.“

Als ich Anfang dreißig war, befand ich mich in einer für mich sehr entscheidenden, existenziellen Lebenskrise. Es war für mich ein Tiefpunkt erreicht, an dem mir eine notwendige und grundlegende Zäsur in meinem Leben unumgänglich erschien. Eines Nachts träumte ich von einem großen Schild, so einer Art Werbetafel. Auf diesem Schild stand: „Es gibt keine Fehler, es gibt nur Erfahrungen.“ Ich erwachte und spürte mit großer Gewissheit, dass diese Traumweisung den Nagel auf den Kopf traf und mir ungeahnte Schritte in ein neues Leben ermöglichte.

Da ich über viele Jahre Lebensmaximen gefolgt war, die sich vielleicht am ehesten mit dem Mythos von „Sex, Drugs & Rock 'n' Roll“ umschreiben lassen, hatte ich große Angst, das Gewohnte zu verlassen. Diese Haltung behinderte meinen Neuanfang. Ich verharrte, wohl wissend, dass mich das Nicht-Handeln in den Abgrund führen würde. Mein Zögern war in dieser Zeit mein größtes Hindernis. Das galt es zu beseitigen. Ich hatte überhaupt das Gefühl, in meinem Leben an einem Punkt angelangt zu sein, der nach einer dringenden und grundlegenden Korrektur geradezu schrie. Zugleich hielt mich die Angst, mit dem Neuanfang wieder etwas falsch zu machen, gefangen. Doch, was sagte mir dieser Satz „Es gibt keine Fehler, es gibt nur Erfahrungen“ in dieser Situation? Wenn es keine Fehler gibt, dann gibt es auch nichts, was ich falsch machen kann! Was bei meinem Neuanfang herauskommen würde, konnte und brauchte ich nicht zu wissen. Fest stand nur, dass eine Erfahrung dabei herauskommen würde. Nicht mehr und nicht weniger. Eine Lektion. Eine Lernmöglichkeit. Eine Gelegenheit, zu wachsen, zu reifen und zu heilen. Diese Zusage erlebte ich als unendlich befreiend und verheißungsvoll. Dieser Satz gab mir den benötigten Tritt in den Allerwertesten und ermutigte mich, erste Schritte in meinem neuen Leben zu gehen.

Den meisten Menschen ist es nur sehr schwer möglich, ein Geschehen wertungsfrei wahrzunehmen. Zu tief sitzt die Gewohnheit, die Welt und unsere Erlebnisse in Kategorien von Gut und Schlecht, Falsch und Richtig einzuordnen. Dabei orientieren wir uns an erlernten Bewertungsmustern. Wir sind so verfangen in dem Kreislauf von Schuldzuweisungen und Projektionen, dass es uns unendlich fremd ist, einen urteilsfreien Blickwinkel für eine Erfahrung zu bekommen. Wir sagen: „Das ist gut“ oder „Das ist schlecht“. Wie wäre es stattdessen einfach: „Das ist jetzt so“, zu sagen.

Das Haupthindernis, sich der Tiefgründigkeit dieser Aussage zu nähern, ist unsere Konditionierung auf die moralische Bewertung einer Tat oder eines Ereignisses. Anzunehmen, dass alles, was geschieht, kein Fehler ist, ist für uns eine schwer zu akzeptierende Realität. Schwierig ist es vor allem dann, wenn wir etwas ablehnen, verurteilen oder „schlimm“ finden. Dabei kann sich die Fähigkeit, diesen „Fehler“ als reine und moralfreie Erfahrung umzuinterpretieren, als eine segensreiche Erweiterung unseres Bewusstseins erweisen und die Sichtweise auf unser Erleben öffnen, damit es frei wird für Wandlung und Transformation. Joseph Beuys schlug vor, dass wir fünfzig Jahre vorausdenken sollten und von dort unseren Blick auf das Erlebte richten – das würde die momentane Bewertung in der Regel sehr verändern. Es braucht anscheinend einen sehr weiten Blick und einen offenen Bewusstseinsraum, damit Erfahrungen in einem neuen Licht gesehen werden können.

Die moralische, verurteilende und bewertende Schuldzuweisung möchte uns im Alten festkleben. Sie weckt den Wunsch, etwas Geschehenes rückgängig zu machen – was nie gelingen kann. Die freudvolle Erinnerung möchte alles gute Erleben festhalten und wiederholen. Beide Gefühle widersprechen der Wahrheit des Jetzt. Es sind nur die ewig gleichen und oft sehr komplex und subtil versteckten Bemühungen unseres lieb gewonnenen Egotanzes, uns aus der Gegenwart zu zerren. Wenn wir uns im gegenwärtigen Augenblick sammeln und außerhalb von Vergangenheit und Zukunft bewegen, kann uns Wundersames, Merkwürdiges und Gleich-Gültiges passieren. Dem Fluss der Zeit und dem Rhythmus des Vergänglichen vertrauend können wir erleben, wie alles mit allem zusammenhängt und wie alles darin gleich gültig und gleich richtig ist. Es gibt keine Fehler!

2. Instrument der Liebe


„Ewig bleibst du MEIN Instrument der Liebe.

Dein Lied ist noch nicht erklungen. Du übst noch

Tonleitern und entwickelst deinen richtigen Ton.“

Niemals kann ich aus dem Klangspiel des göttlichen Wirkens herausfallen. Der Sinn dieses Schöpfungsklangwerkes ist es, mit seinen heiligen Schwingungen alles zu erschaffen und in diesem Klang das alles Erschaffende zu sein. Immer und in allem, was ich bin, was ich empfinde, fühle, denke und wirke, bleibe ich mit dieser Dimension des Seins in Verbindung und bin sein schwingender Klangkörper in der Gestalt reiner Liebe.

Der Sufimystiker Mevlana Rumi sagt: „Du bist das Instrument, doch die Musik ist MEIN.“ Ich, Mensch, bin das Instrument und du, Gott, bist der Klang. Die scheinbare Trennung, die diese Aussage vielleicht vermuten lässt, stimmt und sie stimmt nicht. Ob ich als Instrument im Schöpfungsgeschehen durchtönt werde, oder ob ich als Ausdruck der einen Manifestation der göttlichen Wirklichkeit das Instrument bin, bleibt meiner Betrachtungs- oder Wahrnehmungsweise vorbehalten. Wenn ich die verschiedenen Perspektiven versöhnen kann, bin ich beides zugleich. Instrument des Heiligen und der darin sich manifestierende Klang, der in diesem Innenraum schwingt. Auf ewig bleibe ich beides. Zum einen das kostbare Gefäß in meiner raumzeitlichen, gegensätzlichen und vergänglichen Einzigartigkeit und zum anderen die harmonikale Melodie der Ganzheit in ihrer überraumzeitlichen, übergegenständlichen und unvergänglichen Natur.

Erklingend als vorübergehender, unwiederholbarer Ausdruck der über Raum und Zeit hinausgehenden Wahrheit, bleibe ich im Erscheinen meines persönlichen Lebensliedes der unwandelbare Klang und die Bewegung, die als Schwingung und Licht alles durchdringt. Unvergänglich vergänglich erschafft das heilige Mysterium den entstehenden und versinkenden Kosmos. In dieser doppelten Weise manifestiert sich der Spannungsbogen meines Lebens und seine scheinbare Ambivalenz. Die gegensätzlich erscheinende Wahrheit verbindet sich in dem Annehmen beider Aspekte dieser Wirklichkeit zu einem Gesamtklang meines Lebens in Zeit und Raum und darüber hinaus. Mein Lied ist darin der „rote Faden“, meine eigentliche Gestalt, mein Vermächtnis oder meine einzigartige und persönliche Berufung. Mein Lebensvollzug ist der Original-Klang der in mir angelegten Seinsbestimmung, die ich realisieren kann, um sie hier im Alltag sichtbar werden zu lassen.

Mein werdeseiendes Leben vollzieht sich in der Wesenstiefe des Namens, mit dem ich gerufen bin. Mit meinem Namen gebe ich Antwort auf die Grundfrage: „Mensch, wo bist du?“ Alle körperlichen, biografischen oder psychosozialen Prägungen wollen in dieses heilige Geschehen integriert sein. Alles persönliche Leiden will Quelle der Erneuerung, der Weitung und der Vertiefung meines Lebens werden. Diese Entwicklung geschieht oftmals in unerwarteten und sprunghaft erscheinenden Prozessen, Stufen oder Zyklen. Jede einzelne Erfahrung will eingeübt, erlebt und integriert werden. Wie beim sorgfältigen und geduldigen Erarbeiten eines Musikstückes. Aus dem Erfahrenen erwächst die Berührung mit der einen Wirklichkeit und ordnet, von dort herkommend, jedes noch so unscheinbare Ereignis in diesen Lebensentfaltungsplan mit ein. Mit Zuversicht und Kraft kann ich mich dankbar dem Klang der Schöpfung öffnen, meinen individuellen Ton formen und die in mir angelegte Lebensmelodie in dieser Welt zum Erklingen bringen. Und was sagte mir meine erste spirituelle Lehrerin? „Geh die kleinen Schritte – im Vertrauen eines Kindes. Schritt für Schritt. Atemzug für Atemzug. Augenblick für Augenblick.“

3. Heiliger Atem


„Heiliger Wind ist an diesem Ort.

ICH BIN da und will es sein, der ihn weiterträgt.“

Dass ich hier an diesem Ort meines Lebens bin, so wie ich jetzt da bin, kann zu einem Dreh- und Angelpunkt für die Wirklichkeit meines über jede Wirklichkeit hinausreichenden Gewahrseins werden. Doch wie sieht der Ort aus, an dem ich in diesem Augenblick bin? Dieser Ort, an dem ich mich jetzt gerade befinde, kann mein Leib sein und der Höhle gleichen, in die der Prophet Elia ging, um das Geheimnis des Heiligen zu empfangen (1. Könige 19,9-13). Nicht in einem lauten und gewaltigen Auftritt wird Elia vom „stillen, sanften Sausen“ erfasst, sondern auf eine leise Art, die nicht von dieser Welt zu sein scheint. Wenn wir uns von dem Bild des „sanften Sausens“ inspirieren lassen, kann uns unser Atem zu solch einem Ort der Gottesbegegnung führen. Der bewusst wahrgenommene Atem kann auch zu einer Brücke in das Jetzt werden. In ihm wirkt sanft murmelnd wie eine Quelle im Verborgenen die stille Dimension des Ewigen. Dieser heilige Wind ist die innerste Substanz des Atems und in der Stille erspürbar. Da, wo ich in meinem jetzigen Leben etwas von diesem leisen Wehen vernehme, dort kann ich etwas von der hintergründig strömenden Energie Gottes erspüren. Wenn ich meine Aufmerksamkeit auf das Gegenwärtigsein ausrichte, kann mir diese ursprüngliche Atemsubstanz allmählich immer bewusster werden und ich fühle sie immer deutlicher in jedem Ein und Aus.

In jedem Augenblick kann ich versuchen, dieses verborgene Kraftpotenzial in meinen alltäglichen...

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