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E-Book

Weltoffen, bürgernah und kompetent!

Kommunen als Spiegel einer vielfältigen Gesellschaft

VerlagVerlag Bertelsmann Stiftung
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl116 Seiten
ISBN9783867935685
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis3,99 EUR
Einwanderung und Vielfalt - diese Themen werden in Deutschland besonders emotional und kontrovers diskutiert: Einerseits werden die Vorteile gesehen, andererseits gibt es Befürchtungen, dass Einwanderung die Sozialsysteme belastet und den gesellschaftlichen Zusammenhalt bedroht. Doch es wird immer offensichtlicher, dass Deutschland auf Einwanderung angewiesen ist, um den steigenden Fachkräftebedarf und den demographischen Wandel aufzufangen. In den Städten zeigt es sich am deutlichsten: Deutschland ist längst ein Einwanderungsland. Neue Zuwanderer kommen - aus Spanien, Griechenland, Polen, Bulgarien, Rumänien, auch aus Bürgerkriegsländern wie Syrien. Die einen sind hoch qualifiziert, andere nicht, manche sind vor Krieg und Verfolgung geflohen. So oder so: Die Städte sind gefordert, ihnen ein neues Zuhause zu bieten, den Familien zu helfen, in ihrer neuen Stadt zurechtzukommen, ob im Kindergarten, am Arbeitsmarkt oder in der Nachbarschaft. Wie bewältigen die Kommunen diese neuen Herausforderungen? Wie kann Verwaltung in diesen Fragen bürgernah und kompetent werden? Wie können Politik und Verwaltung in ihrer Mitarbeiterschaft und ihren Leitungsgremien die vielfältige Gesellschaft widerspiegeln? Wie leisten Vereine, Organisationen und auch die Wirtschaft einen Beitrag zum guten Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft? Willkommens- und Anerkennungskultur ist mittlerweile in aller Munde - doch wie sieht die Realität aus? Viele Kommunen haben sich längst aufgemacht - diese Publikation zeigt ihre unterschiedlichen Wege.

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Leseprobe

Interkulturelle Öffnung der kommunalen Verwaltung – Bestandsaufnahme


John Siegel

 

Die interkulturelle Öffnung der Verwaltung wird derzeit intensiv diskutiert und ist aus den kommunalen Integrationsstrategien nicht mehr wegzudenken. Inzwischen mangelt es weniger an Konzepten als an einer realistischen Bestandsaufnahme der aktuellen Bemühungen in den Kommunen. Diese Lücke will der vorliegende Beitrag zumindest ansatzweise schließen. Er beruht auf einer empirischen Analyse des aktuellen Status quo in 16 großen Städten in Deutschland und einem Landkreis. Untersucht wurden bislang die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg, die Landeshauptstädte Hannover, München und Wiesbaden sowie Erlangen, Essen, Frankfurt am Main, Köln, Leipzig, Mülheim an der Ruhr, Nürnberg, Osnabrück, Rostock, Solingen und der Landkreis Offenbach.

Zur Datenerhebung wurden leitfadengestützte Interviews mit den Verantwortlichen aus dem Integrationsbereich der jeweiligen Kommune durchgeführt und einschlägige Dokumente (Konzepte, Beschlüsse, Berichte, Materialien usw.) analysiert. Die Erkenntnisse sind nicht repräsentativ für den Umsetzungsstand der interkulturellen Öffnung in den deutschen Kommunen insgesamt und erst recht nicht für andere Verwaltungsebenen. Sie ermöglichen aber einen ersten Überblick über die damit verbundenen Strategien, Erfahrungen und Herausforderungen. Das wiederum erlaubt einige Schlussfolgerungen zur weiteren Ausgestaltung dieser Ansätze als Diskussionsgrundlage für Verantwortungsträger, Fachleute, Interessierte und Engagierte.

Bei der Untersuchung standen drei Themenkomplexe im Vordergrund. Zunächst geht es um die Frage, was in den Kommunen tatsächlich unter interkultureller Öffnung verstanden wird, welche Ziele in diesem Zusammenhang verfolgt und welche Maßnahmen zu deren Erreichung umgesetzt werden. Danach wird beleuchtet, wie der Prozess der interkulturellen Öffnung strategisch gesteuert und koordiniert wird. Zum Schluss wird auf Ergebnisse, Erfahrungen, Erfolgsfaktoren und Herausforderungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt eingegangen.

Verständnis, Ziele und Maßnahmen der interkulturellen Öffnung


Da es keine allgemein verbindliche Definition von interkultureller Öffnung der Verwaltung gibt und geben kann, kommt es maßgeblich auf das Verständnis dieser Idee an, das sich in den Kommunen selbst entwickelt und damit handlungsleitend für die Formulierung entsprechender Strategien ist, vor allem hinsichtlich der damit verbundenen Ziele und Maßnahmen. Es ist also zunächst zu fragen, was die Kommunen mit der interkulturellen Öffnung beabsichtigen bzw. erreichen wollen; dann gilt es zu ermitteln, welche Handlungen konkret vorgenommen werden, um diese Absichten zu realisieren. Dabei ist nach zentralen Handlungsfeldern bzw. Dimensionen der interkulturellen Öffnung zu unterscheiden.

Außerdem muss darauf hingewiesen werden, dass die Ziele nicht unbedingt eindeutig, messbar und terminiert sind, und dass die Maßnahmen nicht immer klar aus den Zielen abgeleitet (top down) vorgegeben werden, sondern sich oft auch (bottom up) im Sinne eines dezentralen Anpassungs- bzw. Lernprozesses entwickeln. Hinzu kommt, dass gerade in Großstädten die Aktivitäten, die dem Thema oder den entsprechenden Zielen zugeordnet werden können, sehr vielfältig und teilweise kaum überschaubar sind. So erwähnten mehrere Verantwortliche, dass eine wesentliche Herausforderung ihrer Aufgabe darin besteht, sich über die dezentralen Entwicklungen innerhalb ihrer Kommune zu informieren.

Bei der Betrachtung der kommunalen Aktivitäten zeichnen sich im Kern vier Handlungsfelder bzw. Dimensionen der interkulturellen Öffnung ab, von denen hier drei näher betrachtet werden: die personal-, die organisations- und die produktbezogene Öffnung. Hinzu kommt das Thema Partizipation, das hier nicht weiter vertieft werden kann.

Personal: Erstens steht hier die Öffnung der Verwaltung als Arbeitgeberin für Menschen mit Migrationshintergrund im Vordergrund, in Verbindung mit entsprechenden Strategien zur Rekrutierung und Gestaltung von Personalauswahlverfahren. Zweitens wird im Rahmen der Personalentwicklung besonders mithilfe von Fortbildungsmaßnahmen versucht, die interkulturelle Kompetenz der Beschäftigten in der Verwaltung zu verbessern. Drittens gilt die Aufmerksamkeit den Einstellungen des Personals gegenüber Migrantinnen und Migranten, nicht zuletzt als Zielgruppe von Verwaltungsprodukten.

Organisation: Erstens geht es hier um die Veränderung von Organisationsstrukturen, zweitens um die der Ablauforganisation und drittens schließlich um die der Organisationskultur zum Zweck einer höheren Wirksamkeit des Verwaltungshandelns bei Menschen mit Migrationshintergrund. Betont wird in den untersuchten Kommunen oft, dass interkulturelle Öffnung als Prozess der Organisationsentwicklung verstanden wird oder werden sollte, der zudem eng mit der Personalentwicklung verbunden ist.

Produkte: Erstens steht die Verwaltung vor der Herausforderung, ihre Angebote bzw. Dienstleistungen bei der Zielgruppe Migrantinnen und Migranten bekannt zu machen, also zu informieren und zu kommunizieren, nicht zuletzt, um die Nachfrage oder Inanspruchnahme zu erhöhen. Zweitens geht es um die Art und Weise der Leistungserbringung bzw. die Weiterentwicklung der Produkte unter Berücksichtigung der Erwartungen und Bedürfnisse dieser Zielgruppe. Drittens ist die Frage zu beantworten, wie die Wirksamkeit der Produkte im Sinne konkreter Problemlösungsbeiträge bei den Adressaten der Leistungen verbessert werden kann.

Partizipation: Hier geht es um die Mitwirkung bzw. die Möglichkeiten von Migrantinnen und Migranten in den klassischen Institutionen kommunaler Selbstverwaltung, also kommunalen Räten oder Versammlungen. Zudem ist die Einbindung der Vereinigungen von Migranten (z. B. Migrantenselbstorganisationen) in kommunale Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse in Betracht zu ziehen. Darüber hinaus ist zu fragen, wie offen sonstige Partizipationsmöglichkeiten für Migrantinnen und Migranten in Kommunen sind (z. B. Planungsprozesse, Bürgerinitiativen, Verfahren im Sinne der direkten Demokratie). Dieser Aspekt der Partizipation wird hier aufgrund der Fokussierung auf die Verwaltung im engeren Sinne nicht näher betrachtet, steht aber grundsätzlich nicht weniger bedeutend neben den anderen drei.

Personalbezogene Öffnung

Die personalbezogene Öffnung ist bislang der Schwerpunkt der Zielsetzungen und Aktivitäten. Exemplarisch steht für dieses Handlungsfeld die Vereinbarung mehrerer Ruhrgebietsstädte, den Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund in der Stadtverwaltung auf das entsprechende Niveau der Gesamtbevölkerung zu erhöhen. Ähnliche Zielsetzungen verfolgen zahlreiche weitere Kommunen; jedenfalls ist es offensichtlicher Mindestkonsens in den untersuchten Städten und Gemeinden, den Anteil von Migrantinnen und Migranten in der Verwaltung langfristig signifikant zu erhöhen. In Wiesbaden und im Landkreis Offenbach wird darüber hinaus angestrebt, den Anteil von Führungskräften mit Migrationshintergrund zu steigern.

Die Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels konzentrieren sich auf das Personalmarketing, die Personalauswahl und die Ausbildung. Verbreitet sind Quotenziele bei der Rekrutierung von Nachwuchskräften. Hinsichtlich des Marketings ist die PR-Kampagne der Freien und Hansestadt Hamburg »Wir sind Hamburg! Bist Du dabei?« bekannt; ähnliche Ansätze gibt es in Bremen (»Du bist der Schlüssel«) und weiteren Kommunen, die gezielt Kontakte zu Migrantenorganisationen nutzen, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern ansprechen oder Informationsmaterialien zu Ausbildungsmöglichkeiten mehrsprachig veröffentlichen. In Ausschreibungen und Auswahlverfahren werden interkulturelle Kompetenz oder Sprachkenntnisse gefordert bzw. geprüft, nicht zuletzt auch, um Migrantinnen und Migranten zur Bewerbung zu ermuntern.

Angemerkt sei, dass die Grundannahme, eine Steigerung des Migrantenanteils an den Verwaltungsbediensteten führe quasi automatisch zu einer erhöhten interkulturellen Kompetenz der Verwaltung insgesamt, bei den Befragten keineswegs unumstritten ist. Integrationspolitisch geht es vielmehr auch darum, entsprechende Teilhabechancen zu erhöhen bzw. Diskriminierung zu vermeiden. Außerdem setzt sich im Personalmanagement ebenfalls langsam die Erkenntnis durch, dass das entsprechende Arbeitskräftepotenzial nicht ignoriert werden sollte.

Der zweite personalbezogene Schwerpunkt ist die Fortbildung der Beschäftigten in der Verwaltung zur Verbesserung der interkulturellen Kompetenz und auch die Verankerung entsprechender Inhalte im Rahmen der Ausbildung. Hier besteht der quantitative Anspruch, möglichst viele Beschäftigte fortzubilden, vor allem jene mit Kundenkontakt. Dazu werden erhebliche Anstrengungen unternommen; in einigen Städten werden mehrere Hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in mehreren Tausend Fortbildungsstunden geschult. Besonderes...

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