Sie sind hier
E-Book

Wenn Kinder aus der Reihe tanzen

Psychische Entwicklungsstörungen von Kindern und Jugendlichen erkennen und behandeln

AutorKurt Albermann
VerlagBeobachter-Edition
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl408 Seiten
ISBN9783855698394
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis43,99 EUR
In diesem Ratgeber geht es um die Unterstützung für Kinder und Jugendliche, die entweder anders wahrnehmen, erleben und fühlen oder sich anders verhalten als der Durchschnitt ihrer Altersgenossen. Es geht um die Förderung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen und um die Entwicklungspotenziale, über die sie verfügen. Die Sensibilität zu diesem Thema ist heute besonders gross und der Andrang auf Beratungen, Abklärungen und Therapien kaum zu bewältigen. Verzweifelte Eltern suchen Rat bei Schulpsychologen, Kinderärzten und kinderpsychiatrischen Diensten. In dieser Situation ist ein Ratgeber für Eltern und Pädagogen mit einer für Laien gut verständlichen Darstellung aller diagnostizierbaren Störungsbilder und der dazu gehörigen Symptome besonders wichtig. Wenn Kinder aus der Reihe tanzen, können Verhaltensauffälligkeiten und psychische Störungen eine Rolle spielen - Kindern, die anecken, auffallen oder sich nicht altersgemäss entwickeln, kann bei frühzeitiger Diagnose und der richtigen Behandlung geholfen werden. Dieser Ratgeber vermittelt einen Überblick über die ganze Vielfalt an psychologischen und psychiatrischen Behandlungsmöglichkeiten, Informationsstellen und Selbsthilfegruppen in der Schweiz und erläutert Wirkungsweisen und Nebenwirkungen von Medikamenten.

Kurt Albermann, Dr. med., ist Kinderarzt, Kinder- und Jugendpsychiater und hat selbst vier Kinder. Er ist Chefarzt des Sozialpädiatrischen Zentrums und stellvertretender Direktor des Departements Kinder- und Jugendmedizin am Kantonsspital Winterthur. Seit mehr als zehn Jahren befasst er sich mit Prävention, Früherkennung und Behandlung von psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen


Seele in Not


Kurt Albermann

Als Eltern zu erkennen und sich einzugestehen, dass beim eigenen Kind etwas anders ist als bei den andern, ist schwierig; darüber reden erst recht. Dieser Ratgeber will Sie mit wichtigen Informationen versorgen und Sie darin unterstützen, rechtzeitig Hilfe zu holen.

Die kindliche Entwicklung ist unterschiedlichsten Einflüssen ausgesetzt, die bereits in der Schwangerschaft wirksam werden. Belastende Lebensereignisse oder ungünstige Bedingungen, aber auch Schutzfaktoren wirken sich wesentlich auf den Entwicklungsverlauf aus. Risikofaktoren, eine erhöhte Anfälligkeit (Vulnerabilität) und Schutzfaktoren wie eine hohe Widerstandskraft (Resilienz) finden sich auf verschiedenen Ebenen: beim Kind, bei der Familie, in der Umgebung (Freunde, Kindergarten, Schule, Beruf) und in den soziokulturellen und gesellschaftlichen Bedingungen.

INFO Psychische Störungen und Verhaltensauffälligkeiten sind zumeist auf mehrere Ursachen zurückzuführen; genetische Faktoren, Störungen des Hirnstoffwechsels und Veränderungen der Hirnsubstanz können einen Einfluss haben. Der jeweilige Anteil dieser Faktoren an der Entstehung einer psychischen Störung kann sehr unterschiedlich sein und lässt sich nicht genau beziffern.

Psychische Störungen oder Erkrankungen werden als länger andauernde oder wiederholt auftretende erhebliche Abweichung im Erleben oder Verhalten eines Kindes oder Jugendlichen definiert (umschriebene Entwicklungsstörungen zählen ebenfalls dazu, siehe Seite 133). Die Abweichung kann die Bereiche des Denkens, Fühlens und Handelns betreffen. Zudem bestehen für das Kind und die Eltern eine Betroffenheit und ein persönlicher Leidensdruck, die deutlich ausgeprägter sind als eine vorübergehende Befindlichkeitsstörung, sowie eine beeinträchtigte Lebensqualität.

WIE HÄUFIG SIND PSYCHISCHE STÖRUNGEN BEI KINDERN?

Fast jedes 2. Kind zeigt bis zum Alter von 18 Jahren eine psychische Störung, und nahezu jeder 2. Erwachsene erkrankt mindestens ein Mal in seinem Leben daran. Gemäss internationalen Studien leidet in einem Zeitraum von einem Jahr etwa jedes 5. Kind bzw. jeder 5. Jugendliche an einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung. Die Anzahl Krankheitstage und Frühberentungen infolge psychischer Erkrankungen ist in der Schweiz in den letzten Jahren stetig angestiegen, insbesondere bei jungen Erwachsenen.

Bereits bei Kleinkindern treten oft mehrere Störungen gleichzeitig auf (Komorbidität). Die häufigsten psychischen Störungen, die für das Erwachsenenalter beschrieben werden, lassen sich in alterstypischer Ausprägung schon bei 2-Jährigen nachweisen. Kleinkinder mit schwierigem Temperament, Reizbarkeit und stark wechselnder Stimmungslage zeigen auch in Langzeitstudien im Entwicklungsverlauf vermehrt Auffälligkeiten im Verhalten.

Wen trifft es?


Krisen gehören zur normalen kindlichen Entwicklung dazu und müssen im Erziehungsalltag bewältigt werden. Typischerweise treten kindliche Entwicklungs- und Verhaltensstörungen bevorzugt in bestimmten Altersperioden auf. Es lässt sich aber nicht im Voraus sagen, ob überhaupt und welche Auffälligkeiten der Entwicklung oder des Verhaltens ein Kind zeigen wird. Das hängt von der individuellen Veranlagung (Disposition), vom Alter, vom Geschlecht und vom Temperament ab.

Die Geschlechtsunterschiede betreffen unter anderem die körperliche Entwicklung, das Wachstum, die sprachlichen Fertigkeiten und die allgemeine Reifung. Knaben sind häufiger von hyperkinetischen (ADHS) und dissozialen Störungen betroffen, aber auch von geistiger Behinderung, frühkindlichem Autismus und Entwicklungsverzögerungen. Nach der Pubertät ändert sich dieses Bild, und die Häufigkeitszahlen psychischer Störungen bei Mädchen nähern sich denjenigen der Jungen an. Mädchen leiden dann häufiger an affektiven Störungen und depressiven Verstimmungen. Wieso ist das so? Die Ursachen sind nicht ausreichend aufgeklärt, doch dürften biologische Faktoren eine Rolle spielen.

Was ist normal, was eine psychische Störung?


Es gibt keine messbare Grenze zwischen «normal» und «psychisch krank». Während sich ein gebrochenes Bein bei der Röntgenuntersuchung eindeutig feststellen lässt, ist das bei einer belasteten oder «gebrochenen» Seele anders. Das Kind, die Eltern oder die Schule stellen vielleicht Abweichungen oder Veränderungen im Verhalten, in der Wahrnehmung, im Gefühlsleben oder in der Denkfähigkeit fest. Die Kinder kommen mit sich selbst oder mit ihrer Umgebung nicht mehr so gut klar. Anhaltspunkte sind Abweichungen von der bisherigen Entwicklung, Veränderungen in der Persönlichkeit oder der Unterschied zu anderen Kindern gleichen Alters mit ähnlichem soziokulturellem Hintergrund.

Meist entwickeln sich psychische Veränderungen schleichend. Daher ist es selten – etwa bei einem traumatischen Erlebnis – möglich, sofort zu reagieren. Das Kind, die Familie und die Umgebung gewöhnen sich an Veränderungen; die Kolleginnen loben eine Jugendliche, dass sie «toll aussieht» – und alle merken später, dass sie eine Essstörung entwickelt hat.

Doch wer legt nun fest, ob sich ein Kind, das ängstlich, schnell reizbar und zurückgezogen wirkt, «normal» verhält? Um hier rund um den Erdball möglichst einheitliche Antworten geben zu können, wurden verschiedene Klassifikationssysteme für psychische Störungen entwickelt.

KLASSIFIKATIONSSYSTEME FÜR PSYCHISCHE STÖRUNGEN

Die wichtigsten Referenzwerke sind die national und international verbindliche ICD-10 der WHO (International Classification of Diseases) und das Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen, DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 2013 von der American Psychiatric Association in der 5. Revision publiziert).

Neben der psychiatrischen Diagnose können mit dem sogenannten multiaxialen Klassifikationsschema (MAS, siehe auch Seite 183) in jedem Lebensalter die Entwicklung, die kognitiven Fähigkeiten, der körperliche Status sowie die psychosoziale Anpassung eines Kindes in seinem Umfeld (Familie, Schule, Freundeskreis) beschrieben werden. Weitere Diagnosemanuale erlauben die Beurteilung des Krankheitserlebens und des Leidensdrucks, der Beziehungsebene, lebensbestimmender unbewusster innerer Konflikte, die Vorstellungen des betroffenen Kindes oder Jugendlichen von der Erkrankung und den Möglichkeiten, etwas daran verändern zu können, sowie die Behandlungsvoraussetzungen, Ressourcen und Hemmnisse.

Für das Vorschulalter existiert ein spezielles Klassifikationsschema (DC:0-3R). Manche der hier verwendeten Hauptdiagnosen sind in den Standardwerken ICD-10 und DSM-5 nicht beschrieben und umgekehrt. Der Aspekt der Beziehungsebene und die speziellen psychischen Störungen des Vorschulalters werden hier bei der Diagnosestellung berücksichtigt.

HINWEIS Gemäss international anerkannten Empfehlungen wird statt «Krankheit» überwiegend der Begriff «Störung» verwendet. Psychische Störungen sind mit Syndromen vergleichbar. Deren typisches Kennzeichen ist ein bestimmtes wiederkehrendes Muster bzw. ein Komplex von Symptomen oder Verhaltensauffälligkeiten, die sich bei verschiedenen Betroffenen in ähnlicher Form zeigen. Manche Symptome lassen sich überwiegend einer bestimmten Störung zuordnen, andere sind eher unspezifisch. Verschiedene psychische Störungen treten vermehrt in einem bestimmten Lebensalter auf, einige finden sich in ähnlicher Form bei Kindern und auch bei Erwachsenen.

Mein Kind wird abgeklärt – wie geht das?


Damit die Fachperson – der Arzt oder die Psychologin – sich ein Bild von Ihnen und Ihrem Kind machen kann, wird sie Sie bitten, Ihr Anliegen ausführlich zu schildern. Sie wird nach den Symptomen fragen, nach dem Verlauf von Schwangerschaft und Geburt und nach Ihrem psychischen Befinden. Beim Arzt gehören auch eine körperliche Untersuchung und die Frage nach der medizinischen Vorgeschichte dazu. Nur selten werden Labortests, EEG, bildgebende Verfahren oder andere Spezialuntersuchungen eingesetzt, um organische Erkrankungen auszuschliessen.

Darüber hinaus wird sich die Fachperson von der kognitiven, emotionalen, sozialen und sprachlichen Entwicklung Ihres Kindes sowie von seinem Temperament ein Bild verschaffen. Sie wird auch Ihre familiären Beziehungen ansprechen. Wer von Ihnen verbringt wann Zeit mit Ihrem Kind? Wie sind die Beziehungen des Kindes zu Gleichaltrigen oder zu Geschwistern? Gibt es ungewöhnliche, belastende, traumatisierende Umstände? Wie geht es Ihnen und Ihrem Kind in der derzeitigen Lebenssituation? Wie geht es im Kindergarten, in der Schule?

In der gemeinsamen Sitzung wird die Fachperson auch Gelegenheit haben, mehr über das Miteinander von Ihnen und Ihrem Kind zu erfahren, etwa im gemeinsamen Spiel. Mit zunehmendem Alter des Kindes und auf jeden Fall bei älteren Kindern und Jugendlichen ist es sinnvoll, zu Beginn einer Abklärung ein Gespräch ohne Beisein der Eltern zu führen. Umgekehrt ist es möglich, in einem Elterngespräch, das ohne Ihr Kind stattfindet, auch offen über Paarkonflikte zu sprechen.

Tests


Wenn Sie oder der zuweisende Kinderarzt beispielsweise Verdacht auf eine allgemeine oder spezifische (umschriebene) Entwicklungsverzögerung, Störung der Konzentrations- oder Merkfähigkeit, Hochbegabung oder Intelligenzminderung...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel3
Inhaltsverzeichnis5
Vorwort9
Teil 1: Psychische Störungen11
Seele in Not12
Die Tochter träumt, der Sohn ist wild – sind wir eine ADHS-Familie?26
Da ist ein Drache unter meinem Bett …40
Wenn es Kindern die Sprache verschlägt54
Nichts geht mehr64
Mein Kind droht, sich das Leben zu nehmen79
Autismus – ein Trend?92
Die ewige Kontrolle105
Von Tics und anderen Zuckungen117
Alkohol, Drogen, neue Medien – wie viel geht?123
Mühe beim Lesen, Schreiben, Rechnen und Bewegen133
Sprechen – leicht gesagt147
Wenn ein hoher IQ Probleme macht159
Nein, ich geh nicht in die Schule!168
Impulsiv, aggressiv, delinquent?174
Kalorien kontrollieren185
Macht dick sein unglücklich und krank?194
Hilfe, mein Kind macht noch in die Hose …204
Immer Bauchweh212
Tiefer IQ – und jetzt?223
Baby, was ist los mit dir?232
Warum Beziehung wichtig ist250
Meine Tochter ritzt sich – ist sie eine Borderlinerin?263
Schmerz, der bleibt und stresst278
Verändertes Erleben, Stimmen hören289
Teil 2: Unterstützung finden311
Mein Kind soll in die Psychotherapie – was bedeutet das?312
Medikamente – muss das sein?329
Unterstützung für die ganze Familie346
Unterstützung in der Schule363
So unterstützt die IV375
Anhang??????????????????????????387
Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in einer geschlossenen Einrichtung oder psychiatrischen Klinik388
Autorenverzeichnis??????????????????????????????????????????????????389
Links????????????????????????392
Buchtipps????????????????????????????????396
Stichwortverzeichnis??????????????????????????????????????????????????????399

Weitere E-Books zum Thema: Angewandte Psychologie - Therapie

Lob des sozialen Faulenzens

E-Book Lob des sozialen Faulenzens
Motivation und Leistung beim Lösen komplexer Probleme in sozialen Situationen Format: PDF

Soziales Faulenzen bezeichnet einen Motivationsverlust, der bisher meist als eine negative Folge kollektiven Arbeitens betrachtet wurde. Die vorliegende experimentelle Studie zeigt dagegen, dass im…

Lob des sozialen Faulenzens

E-Book Lob des sozialen Faulenzens
Motivation und Leistung beim Lösen komplexer Probleme in sozialen Situationen Format: PDF

Soziales Faulenzen bezeichnet einen Motivationsverlust, der bisher meist als eine negative Folge kollektiven Arbeitens betrachtet wurde. Die vorliegende experimentelle Studie zeigt dagegen, dass im…

Psychologie 2000

E-Book Psychologie 2000
Format: PDF

Der 42. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Psychologie bedurfte dank der bedeutungsträchtigen Jahreszahl keines besonderen Mottos – es war der Kongreß "Psychologie…

Psychologie 2000

E-Book Psychologie 2000
Format: PDF

Der 42. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Psychologie bedurfte dank der bedeutungsträchtigen Jahreszahl keines besonderen Mottos – es war der Kongreß "Psychologie…

Ernährungspsychologie

E-Book Ernährungspsychologie
Eine Einführung Format: PDF

Essen und Trinken beherrschen unser Leben und unser Denken. Die Ernährungswissenschaft erforscht die nutritiven Lebensgrundlagen des Menschen und weiß inzwischen sehr genau, wie sich der…

Ernährungspsychologie

E-Book Ernährungspsychologie
Eine Einführung Format: PDF

Essen und Trinken beherrschen unser Leben und unser Denken. Die Ernährungswissenschaft erforscht die nutritiven Lebensgrundlagen des Menschen und weiß inzwischen sehr genau, wie sich der…

Weitere Zeitschriften

FESTIVAL Christmas

FESTIVAL Christmas

Fachzeitschriften für Weihnachtsartikel, Geschenke, Floristik, Papeterie und vieles mehr! FESTIVAL Christmas: Die erste und einzige internationale Weihnachts-Fachzeitschrift seit 1994 auf dem ...

bank und markt

bank und markt

Zeitschrift für Banking - die führende Fachzeitschrift für den Markt und Wettbewerb der Finanzdienstleister, erscheint seit 1972 monatlich. Leitthemen Absatz und Akquise im Multichannel ...

care konkret

care konkret

care konkret ist die Wochenzeitung für Entscheider in der Pflege. Ambulant wie stationär. Sie fasst topaktuelle Informationen und Hintergründe aus der Pflegebranche kompakt und kompetent für Sie ...

Gastronomie Report

Gastronomie Report

News & Infos für die Gastronomie: Tipps, Trends und Ideen, Produkte aus aller Welt, Innovative Konzepte, Küchentechnik der Zukunft, Service mit Zusatznutzen und vieles mehr. Frech, offensiv, ...

Deutsche Hockey Zeitung

Deutsche Hockey Zeitung

Informiert über das nationale und internationale Hockey. Die Deutsche Hockeyzeitung ist Ihr kompetenter Partner für Ihren Auftritt im Hockeymarkt. Sie ist die einzige bundesweite Hockeyzeitung ...

die horen

die horen

Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik."...weil sie mit großer Aufmerksamkeit die internationale Literatur beobachtet und vorstellt; weil sie in der deutschen Literatur nicht nur das Neueste ...