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E-Book

Wenn Kollegen trauern

wahrnehmen - verstehen - helfen

AutorFranziska Offermann
VerlagKösel
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783641188870
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Trauer trifft jeden: den Kollegen, die Chefin, Kunden oder einen selbst. Wie damit umgehen? Darf darüber gesprochen werden? Welche Herausforderungen sind zu meistern? Wie kondolieren? Was tun bei Tränen? Das Anliegen der Autorin ist es, Hemmungen und Blockaden in diesen Situationen abzubauen, zu einer positiven Kommunikation zu finden und die Trauer zu integrieren.

Dr. Franziska Offermann, selbst durch den Tod ihres Kindes in ihrer damaligen Arbeitssituation betroffen, begleitet seit über zehn Jahren Trauernde. Im Rahmen der von ihr gegründeten Beratung 'Lucera, Konzepte zur Integration und Begleitung trauernder Mitarbeiter' bietet sie Einzelberatungen an, Seminare für Führungskräfte und Mitarbeiter, sowie konkrete Teambegleitung bei Trauerfällen. Sie ist Vorstandsmitglied und Trauerbegleiterin beim Verein 'Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister München e. V.' Darüber hinaus engagiert sie sich in dessen Bundesverband 'VEID'. Die Mutter von fünf Kindern lebt mit ihrer Familie bei München.

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Leseprobe

Trauer

Was bedeutet Trauer?

Als junger Mensch verband ich Trauer mit schwarz gekleideten Menschen, die mehr oder weniger traurig oder auch scheinheilig einer Beerdigung beiwohnen, sich anschließend auf Kosten des Verstorbenen die Bäuche vollstopfen und ihre »Trauer« ganz schnell vergessen haben – spätestens nach ein paar Bierchen. So kannte ich es von Beerdigungen im Bekanntenkreis und in der Großfamilie. Besonders nach dem Tod meiner Tante, die mit Anfang fünfzig starb, konnte ich nicht verstehen, wie selbst ihre Geschwister zunächst so traurig schienen und so kurz nach der Beisetzung lachten und scherzten. Für mich war die Trauer der Angehörigen so gut wie nicht zu spüren, und auch ich selbst musste allzu schnell zurück in den Alltag. Meine Freunde hatten damals nur wenig Verständnis, und ich wollte ihnen mit meinen Gefühlen, die ich selbst auch nicht verstand, nicht lästig sein. Mir war es peinlich. »Stell dich nicht so an«, sagte ich mir, »es ist ja nur deine Tante, für dich ist es ja gar nicht so schlimm.« So entstand für mich der Eindruck, dass Beerdigungen eine Farce sind, die weder dem Toten noch den Angehörigen etwas bringen, und ich habe mir gewünscht, dass meine Beerdigung einmal ganz anders sein sollte.

Mir sind auch noch die Bilder von Prinzessin Dianas Tod und Beerdigung sehr präsent: Zunächst tiefe Verzweiflung, weinende und klagende Menschen im Fernsehen, ein Meer von Blumen, Kondolenzschlangen, bewegende Fotos der jungen Prinzen … Einige Wochen später war der Spuk vorbei, neue Schlagzeilen beherrschten die Welt. Pünktlich zu den Jahrestagen wieder ein Aufflackern der Emotionen, jedes Jahr ein bisschen weniger. Bis hin zum heutigen Kult um Prinzessin Diana. Auch Rituale aus fernen Ländern schienen mir fremd, aufgesetzt, leer, sinnlos, falsch.

Gleichzeitig kannte ich in meinem Leben viel Traurigkeit, Schmerz und Sehnsucht sowie Abschiede. Diese Gefühle mit dem Begriff Trauer in Verbindung zu setzen, kam mir damals nie in den Sinn.

Dann starb Lorenz, und auf einmal war ich eine trauernde Mutter. Ich war überwältigt von den unterschiedlichsten Gefühlen: Tiefer Schmerz, große Sehnsucht nach meinem Kind, Ohnmacht, Angst, Kraftlosigkeit, Wut und Apathie ergriffen mich abwechselnd oder gleichzeitig, die Trauer überfiel mich schlagartig. »So fühlt sich also Trauer an«, dachte ich damals und, »wie soll es jemals wieder gut werden?« Im Laufe der Zeit stellte ich fest, dass meine Trauer sich verändert: Zunächst hatte die Trauer mich im Griff, später hatte ich die Trauer im Griff und ich lernte, mich ihr dosiert zu widmen. Trauer als Gefühl gehört heute zu meinem Leben wie Freude, Spaß, Liebe und Arbeit. Darüber hinaus habe ich verstanden, dass aktives Trauern hilft, belastende Erlebnisse in mein Leben einzuordnen.

»Trauer ist die normale Reaktion auf einen bedeutenden Verlust«, sagt die Theologin Kerstin Lammer. Es geht dabei nicht nur um traurige Gefühle, bestimmte Rituale, einen Verhaltenskodex, ein Kulturverständnis oder ein Verhalten, sondern um ein komplexes Geschehen, das den ganzen Menschen und seine Umgebung betrifft. Wichtig ist dabei, dass diese Reaktion normal und menschlich ist und sich auf alle Verluste, nicht nur auf den Tod bezieht.

Worüber wir trauern

Durch meine Arbeit als Trauerbegleiterin lerne ich viele Menschen kennen, die den Tod eines nahen, sehr geliebten Menschen betrauern. Dass hier die Trauer groß ist, ist für jeden nachvollziehbar. Auch der Tod eines sehr geschätzten Kollegen und Mitarbeiters kann starke Trauerreaktionen auslösen. Andere Verluste und Abschiede im Leben, vor allem wenn sie unumkehrbar oder unwiederbringlich sind, werden ebenfalls intensiv betrauert, wie etwa die Berentung oder ein Jobwechsel. Dies möchte ich Ihnen anhand von einigen Fallgeschichten verdeutlichen. Die Betroffenen werden uns im Laufe des Buches immer wieder begegnen und ich nehme Bezug auf ihre Geschichten.

Rita

Rita trauert um ihren Sohn Max, der bei der Geburt einen Sauerstoffmangel erlitt und seitdem spastisch behindert war. Er war sein Leben lang auf fremde Hilfe angewiesen. Täglich wurde Rita mit der Tatsache konfrontiert, dass ihr Sohn sich nicht altersgemäß entwickelte, eine besondere Schule besuchen musste und wenige Kontakte mit Gleichaltrigen hatte. Sie trauerte um entgangene Normalität und Lebensfreude, um ihre eigene Unbeschwertheit und Energie, denn oft war sie durch den Betreuungsaufwand sehr erschöpft. Auch ihrem eigenen Beruf als Anwältin konnte sie nur eingeschränkt nachgehen. Im Alter von 13 Jahren verstarb Max. Nun musste sie die Unwiederbringlichkeit des Todes verkraften.

Johannes

Johannes trauert um seine Frau Lisa, die an Brustkrebs verstorben ist. Die gemeinsamen Kinder Luka, 15, und Lara, 14, leiden ebenfalls sehr unter dem Verlust. Alle Zukunftsträume, gemeinsam mit Lisa die ruhigere Zeit mit den fast erwachsenen Kindern zu genießen, im Job kürzerzutreten und dann lang ersehnte Reisen zu machen, sind gestorben. Kein Weihnachten mehr zu viert, keine Familienurlaube mehr. Seine heile Welt ist zusammengebrochen.

Auch die Lehrerkollegen an Lisas Schule waren fassungslos und zutiefst traurig. Alle würden ihre fröhliche, aber dabei besonnene Art vermissen. Wer wird nun Beratungslehrer werden? Wer sagt der Rektorin mal die Meinung? Wie werden die Kinder reagieren? Wer engagiert sich nun für die Schulbibliothek? Lisas Tod riss eine tiefe Lücke in die Schulfamilie, denn alle hatten gehofft, sie würde den Kampf gegen den Krebs gewinnen. Es sah so gut aus und dann dieser doch überraschende Tod!

Magdalena und Wolfgang

Das Paar wurde vom Hochwasser im eigenen Haus überrascht. Das Wasser kam so schnell, dass sie sich und drei ihrer vier Kinder gerade noch in Sicherheit bringen konnten. Das jüngste Kind Sonja starb. Zusätzlich zur großen Trauer über den Tod ihrer geliebten Tochter wog nicht nur der materielle Verlust schwer. Sämtliches Mobiliar, Kinderspielzeug, alle Fotos, Briefe und Erinnerungen mussten entsorgt werden, es gab keine Möglichkeit, die Filmaufnahmen der ersten Schritte wieder zu beschaffen, kaum ein Babyfoto ist erhalten geblieben, fast alles hat das Wasser und der Schlamm vernichtet.

Marisa und Claudio

Vor fünf Jahren haben Marisa und Claudio geheiratet. Sie wünschten sich nichts sehnlicher, als viele Kinder zu haben, doch die Ehe blieb lange kinderlos. Nach einer Reihe von ärztlichen Eingriffen meldete sich das Wunschkind endlich an. Doch in der 25. Woche kam ihr Sternenkind Fee viel zu früh auf die Welt und konnte nicht bleiben. Die Trauer um dieses kleine Menschlein schien grenzenlos, gepaart mit der Angst, möglicherweise nie eigene Kinder aufwachsen zu sehen.

Familie Burger

Bei Familie Burger veränderte die Nachricht von Davids Tod das ganze Leben. Gerade achtzehnjährig kam er auf schneebedeckter Fahrbahn ins Schleudern, prallte gegen einen Baum und war sofort tot. Als die Polizei nachts vor der Tür stand, um die Nachricht zu überbringen, reagierte Anna, obwohl sie die Mutter von David ist, überraschend gefasst. Später erzählte sie mir, dass sie wie neben sich stand und sich selbst sprechen und agieren gesehen hat. Ihr Mann Klaus sackte, während alle in der Küche standen, wortlos weinend zusammen. Der herbeigerufene Notarzt spritzte ihm ein Beruhigungsmittel. Emma, die sechzehnjährige Schwester, erfuhr erst am nächsten Morgen von dem Unfall, da sie bei einer Freundin übernachtet hatte. Sie schrie wutschnaubend, warum man sie nicht sofort verständigt hätte! Die neunjährige Amelie, die von dem ganzen Aufruhr geweckt worden war, verkroch sich in ihr Zimmer, schnappte sich ihr Lieblingskuscheltier, schaltete Benjamin Blümchen ein und kuschelte sich unter ihre Decke. An Schlaf war nicht mehr zu denken.

Christian

Der Tod von Stefan war ein großer Schock für die Mitarbeiter eines größeren Pharmaherstellers. An einem Montagmorgen erreichte die Vorgesetzten, Mitarbeiter und Kollegen die für alle unfassbare Nachricht, dass er am Wochenende bei einem Lawinenabgang verunglückt war. Obwohl er noch geborgen werden konnte, starb er auf dem Weg in die Klinik. Stefan fehlte seiner Abteilung und vor allem seinem Freund Christian, der mit ihm zusammenarbeitete, sehr. Sie hatten doch gerade ein neues Arzneimittel in der klinischen Studie und die Ergebnisse sahen so gut aus! Wer wird die Arbeitsgruppe jetzt leiten können? Keiner hatte so einen guten Überblick wie er! Seine blöden Witze und seine kleinen Angebereien nach dem Wochenende fehlen! Auch in der Vereinsfußballmannschaft fehlt nun der beste Mittelstürmer.

Andreas

Der Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens ging nach über zwanzigjähriger Führung in den Ruhestand. Andreas war wie ein großer Teil der Belegschaft zu Tränen gerührt und trauerte auch Monate später intensiv um die alten Strukturen und Gewohnheiten.

Wir trauern also im Laufe unseres Lebens über den Verlust von körperlicher Integrität, Attraktivität und Vitalität, wie zum Beispiel im Alter, bei Krankheit, Behinderung, Demenz. Auch der Abschied von Entwicklungs- und Lebensphasen, wie Verrentung, Arbeitslosigkeit, Auszug der Kinder sind für uns oft gravierende Verlusterfahrungen. Den Verlust von Hab und Gut durch Katastrophen oder Flucht, Trennung oder Scheidung und besonders den Tod enger Bezugspersonen betrauern wir intensiv.

Reaktionen in der Trauer

Welche Reaktionen auf einen schmerzlichen Verlust folgen, ist in Ausmaß und Ausprägung sehr individuell. Wichtig ist es zu verstehen, dass diese Reaktionen den Körper,...

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