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E-Book

Wer kriegt was - und warum?

Bildung, Jobs und Partnerwahl: Wie Märkte funktionieren

AutorAlvin E. Roth
VerlagSiedler
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl304 Seiten
ISBN9783641136932
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Wenn's nicht um Geld geht: Ein Nobelpreisträger zeigt, wie wir Märkte für uns nutzen können
Wie finden Eltern die richtige Schule für ihr Kind? Oder Jobsuchende den richtigen Arbeitgeber - und umgekehrt? Wie finden Nierenkranke den richtigen Organspender? Und Singles den richtigen Partner? Nobelpreisträger Alvin Roth, einer der weltweit führenden Wirtschaftswissenschaftler, zeigt, was geschieht, wenn wir etwas wollen, das für Geld allein nicht zu kriegen ist - und wie wir unsere Ziele erreichen können.

Alvin E. Roth, Spieltheoretiker, Miterfi nder des »Market Designs« und Nobelpreisträger für Wirtschaft 2012, widmet sich in seinem Buch einem Thema, das uns täglich begegnet, ohne dass wir uns dessen bewusst sind: den Märkten, die sich kaum oder gar nicht über Preise regeln lassen - sondern über den Abgleich von Interessen, das optimale Verkuppeln von Wünschen zur Zufriedenheit aller. An vielen konkreten Beispielen aus Beruf und Alltag, von der Berufswahl bis zur Parkplatzsuche, vom Hauskauf über die Online-Partnervermittlung bis zur Organspende zeigt er, wie die verschiedenen Märkte funktionieren, die unser Leben bestimmen (ob wir wollen oder nicht) - und wie wir lernen können, sie zu unseren Gunsten zu nutzen

Alvin E. Roth, geboren 1951, war Wirtschaftsprofessor an der Harvard University und lehrt seit 2012 an der Stanford University. Er zählt zu den weltweit führenden Experten der Spieltheorie und des Marketdesigns. 2012 erhielt er für seine Forschungen den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.

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Leseprobe

1. Einleitung: Jeder Markt erzählt eine Geschichte

FÜNF UHR MORGENS an einem Apriltag des Jahres 2010: Acht Chirurgenteams bereiten sich darauf vor, acht Patienten in vier verschiedenen Städten zu operieren. Vier gesunde Menschen werden jeweils eine Niere einer ihnen völlig unbekannten Person spenden, und diese vier Empfänger, die alle an einer Nierenkrankheit im Endstadium leiden, kriegen eine neue Überlebenschance.

Zur selben Zeit sitzen Jerry und Pamela Green an ihrem Küchentisch in Lincoln, Massachusetts, und studieren das Wetter. Kurz darauf werden sie als Freiwillige in ihrem Kleinflugzeug nach Lebanon in New Hampshire fliegen, um eine dieser Nieren abzuholen, sie dann nach Philadelphia bringen, dort eine weitere Niere abholen und diese nach Boston fliegen. (Zwei weitere Piloten werden die beiden anderen Nieren transportieren.) Weil ihr Flug das Funkrufzeichen »Lebensretter« hat, was einen medizinischen Notfall anzeigt, werden die Fluglotsen sie anstandslos durch einen der verkehrsreichsten Lufträume der Welt dirigieren, den Hudson River hinab und über den Flughafen Newark hinweg weiter Richtung Philadelphia, wo sie sofort landen sollen. Mehrere Flugzeuge, die Hunderte von Passagieren befördern, werden durch ihren Vorbeiflug kurz aufgehalten.

Spendernieren für Transplantationen sind knapp. Ebenso der Luftraum: Ein Verkehrsflugzeug verbraucht pro Minute Treibstoff für mehrere hundert Dollar, und zu einem bestimmten Zeitpunkt kann immer nur ein einziges Flugzeug einen bestimmten Luftraumblock besetzen. Auch die Zeit der Passagiere ist kostbar. Wer an diesem Tag im April welche Spenderniere, welchen OP und welche Flugroute bekommt, ist also ein komplexes Problem, bei dem es um die Zuteilung knapper Ressourcen geht – da trifft es sich gut, dass Jerry, wenn er nicht gerade ein Kleinflugzeug fliegt, als Professor für Volkswirtschaftslehre in Harvard lehrt.

Denn die Volkswirtschaftslehre befasst sich mit der effizienten Zuteilung knapper Ressourcen und mit der Frage, wie man die Knappheit von Ressourcen verringern kann.

Diese Nieren und Flüge waren nicht die einzigen knappen Ressourcen, die zugeteilt worden waren, damit an diesem Tag, als vier Leben gerettet wurden, alles reibungslos funktionierte. Viele Jahre zuvor war jeder der beteiligten Chirurgen zum Medizinstudium an einer Universität zugelassen worden, hatte dann seine Facharztausbildung gemacht und sich mit Hilfe von Stipendien weitergebildet. In jeder Phase hatten sie mit anderen aufstrebenden Ärzten konkurriert. Jerry selbst musste eine Reihe von Auswahlverfahren durchlaufen, um seine Stelle zu bekommen. Ehe sie mit ihrer Fachausbildung begannen, waren Jerry und die anderen Chirurgen zum College-Studium zugelassen worden, und noch davor hatte Jerry die Aufnahmeprüfung für die Stuyvesant High School bestanden, die beste öffentliche Highschool von New York City.

Man beachte: Nichts von alldem – Spendernieren, Plätze in Schulen mit strenger Auslese, begehrte Jobs – bekommt automatisch derjenige, der bereit ist, am meisten dafür zu bezahlen oder für den niedrigsten Lohn zu arbeiten. In jedem Fall ist eine passgenaue Zuordnung vonnöten.

Zusammenbringen, was zusammenpasst

IM TALMUD STEHT DIE GESCHICHTE von einem Rabbi, der gefragt wird, was der Schöpfer der Welt seit deren Erschaffung eigentlich so getrieben habe. Seine Antwort: »Er hat zusammengebracht, was zusammenpasst.« In der Geschichte wird danach klar, warum es nicht nur wichtig, sondern auch sehr schwierig ist, gute Paarungen – in diesem Fall glückliche Ehen – zusammenzubringen: »so schwierig wie die Teilung des Roten Meeres«.

»Matching« ist ein volkswirtschaftlicher Fachbegriff, der den Prozess bezeichnet, durch den wir die vielen Dinge im Leben bekommen, für die wir uns entschieden haben, die sich aber ihrerseits auch für uns entscheiden müssen. Es ist nicht damit getan, die Universität Yale einfach davon in Kenntnis zu setzen, dass man sich dort einschreiben will – oder Google, dass man zur Arbeit erscheint. Man muss auch zugelassen beziehungsweise eingestellt werden. Aber Yale und Google können ihrerseits auch nicht einfach diktieren, wer zu ihnen kommt, genauso wenig wie man einfach seinen Ehepartner auswählen kann: Jeder muss auch seinerseits ausgewählt werden.

Oftmals gibt es irgendein Bewerbungs- und Auswahlverfahren, über das die Partnerwerbung und -wahl stattfindet. Solche Vermittlungsverfahren – und wie geschickt wir damit umgehen – bestimmen maßgeblich, wie wir die großen, aber auch die vielen kleinen Entscheidungsmomente in unserem Leben meistern. Matching entscheidet nicht nur darüber, wer zum Studium an den besten Universitäten zugelassen wird, sondern auch, wer die beliebtesten Lehrveranstaltungen besuchen kann und wer einen Platz in den besten Studentenwohnheimen ergattert. Nach dem Studium entscheidet es, wer sich die besten Stellen angelt und wer die besten Aufstiegschancen hat. Matching entscheidet manchmal sogar über Leben und Tod, wenn es etwa darum geht, welche schwerkranken Patienten rare Spenderorgane zur Transplantation erhalten. Vieles, was perfekt zusammenpasst, findet erst auf Märkten zusammen. Und Märkte fangen, wie Liebesgeschichten, mit Wünschen an. Märkte helfen, diesen Wünschen eine konkrete Gestalt zu geben und sie zu befriedigen; sie bringen Käufer und Verkäufer zusammen, Schüler und Lehrer, Arbeitssuchende und Arbeitgeber, und manchmal auch diejenigen, die sich einen Partner wünschen.

Bis vor kurzem haben Ökonomen Matching oft nur wenig Beachtung geschenkt und sich hauptsächlich auf Warenmärkte konzentriert, wo allein Preise bestimmen, wer was kriegt. Auf einem Warenmarkt entscheidet man selbst, was man will, und wenn man es sich leisten kann, bekommt man es. Beim Kauf von hundert AT&T-Aktien an der New Yorker Börse müssen Sie sich keine Gedanken darüber machen, ob der Verkäufer Sie auswählen wird. Sie müssen keine Bewerbung einreichen oder sich sonst wie selbst anpreisen. Und auch der Verkäufer muss nicht bei Ihnen für sich werben. Der Preis erledigt das alles; er bringt Sie beide bei jenem Preis zusammen, bei dem Angebot gleich Nachfrage ist. An der Börse entscheidet der Preis darüber, wer was kriegt.

Auf Matching-Märkten dagegen funktionieren Preise nicht in dieser Weise. Ein Studium kann teuer werden, und nicht jeder kann es sich leisten. Aber nicht deswegen, weil Universitäten die Studiengebühren so weit anheben, bis sich nur noch so viele Bewerber ein Studium leisten können, wie vom College aufgenommen werden können – das heißt, bis die Nachfrage gleich dem Angebot ist. Im Gegenteil, gerade weil Universitäten mit strengem Auswahlverfahren so hoch im Kurs stehen, versuchen sie die Studiengebühren so niedrig zu halten, dass sich viele Studenten bewerben – und am Ende lassen sie nur einen bestimmten Prozentsatz von Bewerbern zu. Und Universitäten können ihre Studenten auch nicht einfach auswählen; sie müssen auch um sie werben, indem sie Studienreisen, attraktive Einrichtungen, finanzielle Unterstützung und Stipendien anbieten, weil viele Studienplatzbewerber von mehr als einer Hochschule zugelassen werden. Entsprechend setzen viele Arbeitgeber die Löhne nicht so weit herab, bis gerade genügend verzweifelte Arbeitssuchende übrig bleiben, um ihren Personalbedarf zu decken. Sie wollen die qualifiziertesten und motiviertesten Mitarbeiter, nicht die billigsten. In der Arbeitswelt werben oftmals beide Seiten für sich: Die Arbeitgeber bieten ein gutes Gehalt, verlockende Nebenleistungen und Aufstiegschancen, während Bewerber ihre Leidenschaft, ihre Qualifikationen und ihre hohe Leistungsbereitschaft herausstellen. Märkte für Studien- und Arbeitsplätze haben eine erstaunliche Ähnlichkeit mit Partnersuche und Heirat: Beides sind zweiseitige Matching-Märkte, die auf beiden Seiten mit Suchen und Umwerben verbunden sind. Ein Markt erfordert immer dann ein Matching, wenn der Preis nicht allein darüber entscheidet, wer was kriegt.

Bei einigen Zuordnungen spielt Geld überhaupt keine Rolle. Nierentransplantationen kosten eine Menge, aber Geld entscheidet nicht darüber, wer eine Niere bekommt. Tatsächlich ist es sogar verboten, Nieren für Transplantationen zu kaufen oder zu verkaufen. In ähnlicher Weise kosten Start- und Landerechte an Flughäfen Gebühren, aber dies entscheidet nicht darüber, wer sie bekommt. Der Zugang zum öffentlichen Bildungssystem wird ebenfalls nicht durch einen Preis geregelt. Die Steuerzahler finanzieren Schulen gerade deshalb, damit jedes Kind kostenlos die Schule besuchen kann. Viele Menschen fänden es skandalös, wenn Geld darüber entschiede, wer eine Niere oder einen Platz in einem beliebten öffentlichen Kindergarten bekommt. Wenn es nicht genügend Nieren gibt, um den Bedarf zu decken (und es gibt tatsächlich zu wenig), oder genügend Plätze in den besten öffentlichen Schulen (das ist praktisch nie der Fall), müssen knappe Ressourcen durch ein Zuordnungsverfahren verteilt werden.

Marktdesign

MANCHMAL BILDET SICH ein Zuordnungsverfahren – sei es formell oder ad hoc – erst im Lauf der Zeit heraus. Aber manchmal, vor allem in jüngster Zeit, wird es auch gezielt geplant. Die neue ökonomische Disziplin des Marktdesigns überträgt wissenschaftliche Erkenntnisse auf Zuordnungsverfahren und Märkte im Allgemeinen. Darum geht es in diesem Buch. Gemeinsam mit einer Handvoll Kollegen aus aller Welt habe ich mitgeholfen, die neue Disziplin des Marktdesigns zu begründen. Marktdesign hilft bei der Lösung von Problemen, die bestehende Märkte von sich aus nicht lösen können. Unsere Forschung gibt neue Aufschlüsse darüber, wann und warum »freie Märkte« tatsächlich...

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