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Werkstattunterricht als Form offenen Lernens

AutorSimone Humkamp
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl108 Seiten
ISBN9783638877299
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Pädagogik - Schulpädagogik, Note: 1,3, Universität Duisburg-Essen, 86 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Konzept und der Methodik des Werkstattunterrichts. Das Konzept wurde in den 1970er Jahren insbesondere von Jürgen Reichen entwickelt und erprobt. Werkstattunterricht stellt neben Wochenplanunterricht, Lernen an Stationen, Projektunterricht und Freier Arbeit eine weitere Form 'Offenen Unterrichts' dar. Die Forderung nach einer Öffnung von Unterricht und Schule lässt sich sowohl durch eine veränderte gesellschaftliche Umwelt als auch durch eine gewandelte Kindheit begründen. Um Kindern heute gerecht zu werden ist es notwendig und wichtig, diese Veränderungen und Wandlungen als Grundlage für das Lernen im Blick zu behalten. Dabei wird der Ruf nach Selbstständigkeit, Individualisierung und Gemeinschaftsbildung laut. Werkstattunterricht berücksichtigt die genannten Aspekte, was noch zu zeigen ist. Zunächst wird im ersten Kapitel ein allgemeiner Überblick über die Konzeption 'Offenen Unterricht' gegeben. Dabei wird auf das Problem der Messbarkeit und Definition Offenen Unterrichts eingegangen. Daran anschließend werden Merkmale und Dimensionen von Offenheit herausgestellt, um den Begriff vor allem für die Praxis fassbarer zu machen. Das zweite Kapitel stellt den Werkstattunterricht als Konzept und Methode 'Offenen Unterrichts' in den Mittelpunkt. Nach einer Begriffbestimmung folgt die Darstellung unterschiedlicher Varianten sowie verschiedener Organisationsmöglichkeiten. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit den Zielen von Werkstattunterricht. Im vierten Kapitel geht es um die Rahmenbedingungen, die zur Realisierung von Werkstattunterricht notwendig sind, und ohne die ein erfolgreiches Gelingen nicht möglich wäre. Das fünfte Kapitel beinhaltet die Kompetenz- und Aufgabendelegation als organisatorisches Kernstück von Werkstattunterricht. Die Kompetenz- und Aufgabendelegation stellt eine in anderen Formen 'Offenen Unterricht' nicht anzutreffende Herausforderung dar. Schüler zur Selbstständigkeit zu erziehen, bedeutet auch, ihnen weitere Möglichkeiten der Lernerfolgsfeststellung und -rückmeldung anzubieten, als ausschließlich eine Bewertungsform durch die Lehrkraft. Daher thematisiert das sechste Kapitel Formen der Lernerfolgsfeststellung und -rückmeldung die im Werkstattunterricht zum Einsatz kommen. Das achte Kapitel befasst sich mit Problemen im Werkstattunterricht und gibt Anregungen, um sich von möglichen Schwierigkeiten nicht entmutigen zulassen.

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Leseprobe

2. Werkstattunterricht als Konzept und Methode „Offenen Unterrichts“


 

2. 1. Begriffsbestimmung „Werkstattunterricht“


 

Es handelt sich beim Werkstattunterricht um eine junge Form Offenen Unterrichts. Für diese Form von Unterricht werden in der Literatur weitgehend synonym die Begriffe „Werkstattunterricht“, „Werkstattarbeit“, „Lernwerkstatt“ oder auch „Werkstattlernen“ genutzt, die in den weiteren Ausführungen hier ebenfalls nicht unterschieden werden sollen.

 

Der Werkstattunterricht basiert auf dem Prinzip einer Werkstatt, wie man sie vom Handwerk kennt. Dabei ist jedoch nicht im wörtlichen Sinne ein Unterricht an einer Werkbank mit Hammer und Hobel gemeint, sondern „Unterricht in der Art einer Werkstatt“[65]. Zur Veranschaulichung wird die Arbeitweise in einer Handwerkstatt der Arbeit in einer Lernwerkstatt gegenübergestellt:

 

   [66]

 

Während in einer Handwerkstatt die Herstellung von Produkten im Vordergrund steht, rückt der Werkstattunterricht das selbstständige Lernen in den Mittelpunkt. Meier schreibt dazu: „Werkstattlernen bezeichnet die besonderen, durch konkretes Tun, Machen und Handeln geförderten Lernprozesse, die in diesen Einrichtungen und mit ihrer Hilfe möglich sind.“[67]

 

So wie in einer Handwerkstatt liegt auch im Werkstattunterricht das nötige Werkzeug bereit. Dazu steht den Schülern ein von der Lehrkraft arrangiertes vielfältiges Lernangebot aus Materialien und Situationen zur Verfügung. Je nach Werkstatt gehören nicht nur Schreibgeräte, Papier, Lehrmittel, Sachbücher und Lernspiele zum „Handwerkzeug“ eines jeden Schülers, sondern auch Zange, Hammer, Nägel, Bretter, Blech, Zollstock, Messbecher etc. zur Grundausstattung. Bestellungen, die der Handwerker mündlich entgegennimmt liegen im Werkstattunterricht den Kinder schriftlich vor, in Form von Karten mit Arbeitsaufträgen. Dabei kann es sich um Pflicht-, Wahlpflicht- oder/und Wahlaufgaben handeln.

 

Ebenso wie der Handwerker sich bei seiner Arbeit die Zeit selbst strukturiert, so ist es auch in einer Werkstatt in der Schule üblich, dass sich die Kinder ihre Zeit selbst einteilen. Der Schüler hat die Möglichkeit, sich frei im Raum zu bewegen und sich selbstständig für einen Arbeitauftrag zu entscheiden, der seinen individuellen Interessen und Lernbedürfnissen am ehesten entspricht. Den Kindern wird dabei ein Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Reihenfolge der Aufgabenbearbeitung, des Lerntempos sowie der Sozialform zugestanden. Während die Schüler ihrer Arbeit nachgehen haben sie die Möglichkeit bei Schwierigkeiten differenzierte Hilfestellung von Seiten der Lehrerin in Anspruch zu nehmen.[68]

 

2. 2. Varianten von Werkstattunterricht


 

Werkstattunterricht ist keine starre Form. Nach Reichen kann er unter mehreren Aspekten variiert werden. Dabei unterscheidet Reichen nach den Kriterien Inhalt, Form, Zeitdauer und Selbstständigkeitsgrad.[69]

 

Inhalt:

 

Thematisch gebundener Werkstattunterricht: alle Lernangebote gehören zum gleichen Thema.

 

Thematisch ungebundener Werkstattunterricht: die einzelnen Lernangebote sind thematisch nicht zusammenhängend.

 

Form:

 

Reiner Werkstattunterricht.

 

Vermischter Werkstattunterricht: mit anderen Unterrichtsformen vermischt. (Einschübe mit gemeinsamen Aktivitäten der Klasse und Instruktionsphasen).

 

Programmierter Werkstattunterricht: die Lernangebote müssen hier in einer bestimmten Reihenfolge bearbeitet werden.

 

Begleitender Werkstattunterricht: die Werkstattarbeit wird während Phasen mit Klassenunterricht als freiwilliges Ergänzungsangebot in Form einer „Mini-Werkstatt“ eingesetzt. Dies dient der Unterstützung eines Lernprozesses oder wird als Methodenvariation eingefügt.

 

Zeitdauer:

 

täglich eine Stunde;

 

pro Woche ein Tag;

 

als Block, durchgehend ein bis zwei Wochen.

 

Selbstständigkeitsgrad:

 

Angebotsunterricht zur Auswahl: hier haben die Schüler die Möglichkeit aus einem von der Lehrerin bereitgestelltem Angebot die Arbeitsaufträge frei zu wählen, die sie bearbeiten möchten.

 

Freie Schülerarbeit: hier gibt es keine Vorgaben seitens der Lehrkraft. Die Schüler können selbst bestimmen, mit welchen Lernangeboten sie sich beschäftigen möchten. Dabei nehmen die Schüler die Planung ihrer Arbeit weitgehend selber vor. Im günstigsten Fall bearbeiten die Kinder ein Thema in kleinen Projekten.

 

Die oben genannten Selbstständigkeitsgrade kommen allerdings in der Praxis selten rein vor. Meist ist der Grundschulunterricht eine Mischform aus beiden. Einerseits können die Schüler aus einem von der Lehrerin vorstrukturierten Angebot auswählen andererseits erhalten sie Gelegenheit sich mit nicht Vorgegebenen zu beschäftigen.[70] Reichen bezeichnet Werkstattunterricht als einen „didaktischen Kompromiss.“[71] Denn Werkstattunterricht ist von sich aus weder „offen“ noch „geschlossen“. Vielmehr eröffnet er der Lehrkraft Möglichkeiten, zwischen obligatorischen (fremdbestimmten) Lernangeboten und offenen (selbstbestimmten) Lehrangeboten jeden gewünschten Grad von Offenheit im Unterricht bereitzustellen.

 

In der Literatur finden sich weitere Varianten von Werkstattunterricht. Zürcher unterscheidet zwei Typen von Werkstattunterricht:

 

Die Fertigkeits-Werkstatt: Das Erlernen und Verstehen neuer Sachverhalte ist bereits im lehrergesteuerten Unterricht vorangegangen, bevor die Fertigkeits-Werkstatt zum Einsatz kommt. Hier geht es um das Üben, Vertiefen, Wiederholen, Anwenden und Transferieren bekannten Wissens sowie um das Steigern einer bestimmten Fertigkeit. Die Fertigkeits-Werkstatt steht im Dienste der Ergebnissicherung.

 

Die Erfahrungs-Werkstatt: Bei der Erfahrungs-Werkstatt geht es darum, dass die Schüler an Hand ausgewählter Materialien einen Sachverhalt, allein, also ohne lehrergesteuerten Unterricht erarbeiten. Hier steht das Sammeln von Erfahrungen, etwas selbst entdecken, erforschen, herausfinden sowie das eigene Wissen vertiefen im Vordergrund.[72]

 

Eine weitere Unterscheidung von Werkstatttypen nimmt Landwehr vor. Dabei sind die beiden ersten Varianten von Landwehr gleichzusetzen mit den beiden eben dargestellten Werkstatttypen von Zürcher. Diesen fügt Landwehr allerdings noch eine dritte hinzu. 

 

Erkenntnisvermittelnde Werkstatt: Hier stehen den Schülern vielfältige Situationen, Experimente, Beobachtungsaufgaben und Spiele zur Verfügung, die zu einer erfahrungsbezogenen und spielerischen Auseinandersetzung mit dem Thema führen sollen. Die Werkstatt ist dabei so konzipiert, dass bei der individuellen Bearbeitung der Lernaufgaben wichtige Erkenntnisse zu einem Thema entstehen sollen.

 

Übungs-, Vertiefungs- oder Anwendungswerkstatt: Es werden den Kindern vielfältige Übungs- und Anwendungsaufgaben angeboten, damit eine bestimmte Fertigkeit trainiert werden kann.

 

Einstiegswerkstatt: Es wird zu Beginn eines neuen Themas eine Werkstatt angeboten, um erste Begegnungen mit dem Thema zu ermöglichen und um Interesse bei den Kindern zu wecken. Eine vertiefende Auseinandersetzung findet dann im Anschluss im Klassenverband statt.[73]

 

2. 3. Organisationsformen von Werkstattunterricht


 

„Der Werkstattunterricht ist neben dem Projektunterricht ein „Prototyp“ des „Offenen Unterrichts“. In ihm vereinigen sich dessen Merkmale zu einer Bauform von Unterricht, die Elemente der Freien Arbeit, der Tages- / Wochenplanarbeit und des Lernzirkels/Stationentrainings zusammenführt, ohne deren eigenständiges Bestehen als Organisationsform selbsttätigen Schülerlernens auszuschließen.“[74] Wie Werkstattunterricht Elemente der Freien Arbeit, des Wochenplanes und des Lernen an Stationen zusammenführt, soll im Folgenden dargestellt werden. Dazu stellt Wiater drei Modelle vor, wie eine themen- und zielorientierte Werkstatt im Schulunterricht organisiert werden kann. Zu nennen sind hier: das Büfett-Modell, das Stationen-Modell und das Arbeitsplan-Modell.

 

Das Büfett-Modell:

 

Beim Büfett-Modell werden die Lernangebote und Arbeitsmaterialien in speziellen Ecken des Klassenraumes auf Tischen, auf einer Stuhlreihe, auf Fensterbänken, in offenen Schränken oder auf Regalen bereitgestellt. Der Schüler hat nun die Möglichkeit, selbstständig...

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