Sie sind hier
E-Book

'White-Collar Crime' - Auch heute noch von Bedeutung?

AutorMoritz D.
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl109 Seiten
ISBN9783668163591
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2015 im Fachbereich Jura - Strafprozessrecht, Kriminologie, Strafvollzug, Note: 1,0, Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung - Fachbereich Kriminalpolizei (Bundeskriminalamt), Sprache: Deutsch, Abstract: 'White-Collar Crime', auch 'Elitäre Wirtschaftskriminalität' - Lange Zeit als Randphänomen betrachtet, erlebt es in Zeiten globaler Wirtschafts- und Währungskrisen sowie viraler Korruptionsskandale eine Art Rennaissance. Doch warum? Gestiegenes Interesse oder zunehmende Fallzahlen? Ein tiefgehender Einblick in Ursprung, Historie, Gegenwart und Zukunft. Leitfrage der Arbeit war somit, ob das Konzept der 'White-Collar Crime' als Ausdruck besonders schädlicher Wirtschaftskriminalität der gesellschaftlichen Elite auch heute noch in Deutschland von Bedeutung ist oder ob es sich bei dem vermehrten medialen Interesse - in Shakespeares Worten ausgedrückt - letztlich um 'much ado about nothing' handelt. Dazu wurden die Daten eines möglichst heterogenen Quellenfundus', der sich maßgeblich aus einschlägiger englischsprachiger Primär- und Sekundärliteratur und entsprechenden Studien von NGOs und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zusammensetzte sowie durch möglichst umfangreiche Bezüge zum tagesaktuellen Geschehen anhand entsprechender Pressemeldungen abgerundet wurde, ausgewertet. In diesem Zuge erschien es zielführend, sich zunächst verhältnismäßig ausführlich mit der Definition der 'White-Collar Crime' auseinanderzusetzen. Im Anschluss wurde eine Art 'Zeitreise' durchgeführt, bei der zu Beginn auf die US-amerikanischen historischen Sprünge des Konzeptes eingegangen wurde. Anschließend wechselte der Untersuchungsgegenstand in räumlicher Sicht nach Deutschland. Einer kurzen Bewertung der Bedeutsamkeit zur Mitte des 20. Jahrhunderts schloss sich eine ausführliche Analyse des Hell- und Dunkelfeldes an. Abgerundet wurde die Untersuchung letztlich durch eine Art 'interdisziplinäres Brainstorming' zur zukünftigen Entwicklung von 'White-Collar Crime'. Eindeutiges Resümee dieser Thesis ist, dass die elitäre Wirtschaftskriminalität zumindest seit ihrer ersten prägnanten Benennung durch Edwin Sutherland im Jahre 1939 seit jeher von beachtlicher Bedeutsamkeit war, heute noch ist und zukünftig auch bleiben wird. Die verstärkte mediale Aufbereitung ist - maßgeblich beeinflusst durch die Krise 2007 - vielmehr einem gestiegenen öffentlichen Interesse als einer nachweisbaren Zunahme geschuldet. Abzuwarten bleibt indes, inwieweit die zunehmende Entgrenzung zur sich rasant entwickelnden Computerkriminalität die bereits jetzt ungeheuren, insbesondere immateriellen Schäden potenzieren sowie die Charakteristika des modus operandi und Täterprofils wandeln wird. Bewertung: 1,0.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

I. Einleitung


 

I.1. Problemstellung


 

Es ist das Jahr 1939. Seit der Weltwirtschaftskrise von 1929 verging bereits ein Jahrzehnt, doch hinterließ es bei den Menschen einen bleibenden Eindruck. Die beträchtlichen wirtschaftlichen Schäden und ihre unmittelbaren Auswirkungen auf das Leben jedes Einzelnen veranlassten viele zur Suche nach Ursachen und möglichen Erklärungen. So auch einen der bis heute bedeutendsten Kriminologen, Edwin H. Sutherland. Er nahm die retrograde Betrachtung der Krise als Denkanstoß[1] und kam bei seinen Untersuchungen zu dem Schluss, dass Kriminalität - entgegen der damaligen Ansicht und Lehre[2] - eben nicht ausschließlich ein Problem der Unterschicht sei. Sie betreffe vielmehr auch die vermeintlich unbescholtene „Elite“, sei mithin ubiquitär.[3] Diese zunächst nicht unumstrittenen Ergebnisse proklamierte er erstmals in seiner Rede „White Collar-Criminality“[4] vor der Amerikanischen Soziologischen Gesellschaft (ASA).

 

In den darauffolgenden zehn Jahren untermauerte er sein bis dato in der Öffentlichkeit weitestgehend unpopuläres Konzept der „White-Collar Crime“ weiter und im Jahre 1949 sein zentrales Werk mit dem gleichnamigen Titel „White Collar Crime“[5]. Darin definierte er die Normabweichungen der Oberschicht gewissermaßen unscharf „[…] approximately as a crime committed by a person of respectability and high social status in the course of his occupation“.[6] Anhand anschaulicher Zahlen verdeutlichte er, wie allgegenwärtig und bedeutsam dieses Phänomen in den Vereinigten Staaten von Amerika war und welch immenses Gefahrenpotential es für materielle wie auch immaterielle Güter barg.[7] Ziel seiner Bemühungen war dabei weniger die umfassende Erklärung des Phänomens als vielmehr die Sensibilisierung und Schaffung eines Problembewusstseins unter Laien wie Wissenschaftlern gleichermaßen.[8]

 

Trotz der lediglich teils belegbaren, jedoch anzunehmenden Bedeutsamkeit von „White-Collar Crime“ Mitte des 20. Jahrhunderts auch in der Bundesrepublik Deutschland, war der mediale Fokus insbesondere vor dem Hintergrund des Wiederaufbaus und des sich anschließenden Wirtschaftswunders der 1950-er und 1960-er Jahre ein anderer. Erst bei der erneuten weltweiten Finanzkrise im Jahre 2007, mitunter verursacht durch die Deregulierung des US-amerikanischen Finanzsektors[9] sowie Spekulationen auf dem dortigen Immobilienmarkt[10], erfuhr zumindest die Publizität des Phänomens einen enormen Aufschwung und eine Art Renaissance.

 

Auch heute, etwa acht Jahre später, sorgen Berichterstattungen über spektakuläre Strafverfahren auf dem Gebiet der Wirtschaftskriminalität beziehungsweise der „White-Collar Crime“ immer wieder für immenses Aufsehen. So machte erst im Mai vergangenen Jahres ein Prozess wegen seiner für westliche Verhältnisse ungewöhnlichen Urteilshärte Schlagzeilen: An einem der reichsten Männer Irans, Mahafarid Amir Khosrawi sowie an drei weiteren Komplizen wurde wegen der Veruntreuung von etwa zwei Milliarden Euro das Todesurteil vollstreckt.[11]

 

Doch braucht man gar nicht so weit schauen: Vergangenes Jahr war der Abschluss eines von zahlreichen Verfahren[12], hier wegen der Untreue in 27 sowie der Steuerhinterziehung in drei Fällen, gegen den ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzen der Arcandor AG, Thomas Middelhoff, von großem öffentlichen Interesse.[13] Insbesondere für die tausenden entlassenen Angestellten der zum Arcandor-Konzern gehörenden Kaufhauskette „Karstadt“ war der einstige Top-Manager - nicht zuletzt auch durch den Bezug ungerechtfertigter Boni in Millionenhöhe[14] - zum Gesicht der fatalen Insolvenz im Sommer 2009[15] geworden.

 

Allerdings „gelang“ es dem weiterhin amtierenden Formel-1-Chef, Bernie Ecclestone, durch Erfüllung der ihm gemäß § 153a StPO auferlegten historischen Zahlungsauflage in Höhe von 100 Millionen US-Dollar einer möglichen Verurteilung durch das Münchener Landgericht wegen des Verdachts der Bestechung eines Amtsträgers zu entgehen[16] und dadurch einen, wenn nicht gar den Sturm der Entrüstung des Jahres 2014 in der Bundesrepublik auszulösen.[17] Einer in Anbetracht des verloren gegangenen Vertrauens in die deutsche Judikative angebrachten konstruktiven Debatte standen jedoch der Natur der Boulevard-Presse gemäß mitunter unsachliche Mitteilungen entgegen.[18]

 

Doch auch das laufende Jahr ist reich an vergleichbaren weiteren Beispielen. Gleich zu Jahresbeginn berichtete das Handelsblatt, dass sich in der Schottdorf-Affäre[19] möglicherweise auch die Allianz-Versicherung als ursprünglich Geschädigter der Untreue strafbar gemacht haben könnte.[20] Der Skandal ist derart brisant und nebulös, dass das Land Bayern in der Sitzung vom 01. Juli 2014 gar den Einsatz eines Landtagsuntersuchungsausschusses beschloss, wogegen Schottdorf wiederum erfolgslos Verfassungsbeschwerde erhob.[21]

 

Wenngleich das erste Semester des laufendes Jahres noch nicht verstrichen ist, so begäbe sich wohl nicht auf dünnes Eis, wer behauptet, dass der durch die Aufsehen erregende Festnahme sieben zentraler FIFA-Funktionäre nur zwei Tage vor dem 65. FIFA-Kongress in Zürich bekannt gewordene Ermittlungskomplex des US-Justizministeriums wohl als einer der Skandale des Jahres 2015 zu werten sein wird.[22] Die 164-seitige Anklageschrift der Staatsanwaltschaft New York (Stand: 20.05.2015) wirft den (bisher) insgesamt 14 Angeklagten unter anderem Korruption, Geldwäsche sowie Überweisungsbetrug mit Schäden in dreistelliger Millionenhöhe vor.[23] Allerdings überschlagen sich die Meldungen mit immer weitergehenden Anschuldigungen und Ermittlungen nahezu täglich, sodass diese Affäre wohl auch zukünftig für Aufsehen sorgen wird.[24]

 

Unabhängig der vorgenannten Entwicklungen rückt der Begriff der „Cybercrime“[25] im Lichte der voranschreitenden Technisierung des alltäglichen Lebens mit Begriffen wie „Web 2.0“[26] oder auch „Industrie 4.0“[27] in den vergangenen Jahren unaufhaltsam in das Bewusstsein der bundesdeutschen Bürger. Wirtschaftsexperten warnten unlängst vor einer Verschmelzung von Informations- und Kommunikationskriminalität[28] mit Wirtschaftskriminalität und den damit einhergehenden Synergieeffekten. Eine Potenzierung des Gefahren- und Schadenspotentials scheint unausweichlich.

 

Zusammenfassend betrachtet verbarg sich „White-Collar Crime“ seit 1939 als relevantes Phänomen in den USA und in Deutschland im (Halb-)Schatten öffentlicher Anteilnahme; seit der Weltwirtschaftskrise scheinen die einschlägigen Meldungen jedoch nicht abzureißen. Dies führt letztlich unter Ableitung der namensgebenden suggestiven Titelfrage „Auch heute noch von Bedeutung?“ zu den Leitfragen der nachfolgenden Thesis:

 

Ist die vermehrte mediale Aufbereitung lediglich Ausdruck eines gesteigerten gesamtgesellschaftlichen Interesses an einem in seiner Art und seinem Ausmaß unveränderten Kriminalitätsphänomen in Deutschland oder ist sie vielmehr als ein Indikator einer (proportionalen) Zunahme zu verstehen? Wäre es nicht auch möglich, dass die Berichterstattung lediglich die Spitze eines Eisberges ist, dessen Ausmaße vor allem im Hinblick auf „Cybercrime“ bereits ungeahnte Größenordnungen angenommen haben und womöglich auch zukünftig annehmen werden?

 

I.2. Zielsetzung und Vorgehensweise


 

Ziel der Arbeit ist es, die faktische und nicht die mediale Bedeutung[29] von „White-Collar Crime“ in der Bundesrepublik Deutschland anhand wissenschaftlicher Daten chronologisch zu bewerten und letztlich einen möglichst fundierten Ausblick zur weiteren Entwicklung des Phänomens zu bieten.

 

Dazu wird zunächst auf ihre Definition und Charakteristika eingegangen. Dieser Teil wird etwas ausführlicher als es für eine Thesis üblich ist, da Sutherlands Definition sich in der Vergangenheit der Konkurrenz vielerlei anderer Definitionen ausgesetzt sah. Diese zu beleuchten und im Hinblick auf ihre Stärken und Schwächen zu vergleichen, erscheint daher erkenntnisreich. Zudem soll dem Leser hier das Phänomen etwas näher gebracht und somit greifbarer gemacht werden. In Anlehnung an die Definitionen werden gemeinsame Charakteristika sowie einige Delikte exemplarisch genannt und kurz erläutert. Oberstes Ziel dieses Kapitels wird es sein, auf der einen Seite ein gewisses notwendiges Maß an einheitlichem Begriffsverständnis zu schaffen, andererseits jedoch den Leser auch für die Definitionsproblematik zu sensibilisieren und letztlich in die Lage zu versetzen, sich selbst eine Meinung zum Charakter von „White-Collar Crime“ zu bilden. Die Entwicklung einer eigenen Definition ist im Rahmen dieser Arbeit nicht zu leisten.

 

Anschließend werden die bereits in der Einleitung erwähnten historischen Ursprünge von „White-Collar Crime“ erörtert. Dabei stehen...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Strafrecht - Strafprozessrecht - Strafvollzug

Handbuch der forensischen Psychiatrie

E-Book Handbuch der forensischen Psychiatrie
Band 3: Psychiatrische Kriminalprognose und Kriminaltherapie Format: PDF

Die Nachfrage nach kriminalprognostischen Gutachten steigt. Sie sind Basis juristischer Entscheidungen zur bedingten Entlassung von Gefangenen oder der Verhängung einer Maßregel. Die Öffentlichkeit…

Weitere Zeitschriften

FESTIVAL Christmas

FESTIVAL Christmas

Fachzeitschriften für Weihnachtsartikel, Geschenke, Floristik, Papeterie und vieles mehr! FESTIVAL Christmas: Die erste und einzige internationale Weihnachts-Fachzeitschrift seit 1994 auf dem ...

Menschen. Inklusiv leben

Menschen. Inklusiv leben

MENSCHEN. das magazin informiert über Themen, die das Zusammenleben von Menschen in der Gesellschaft bestimmen -und dies konsequent aus Perspektive der Betroffenen. Die Menschen, um die es geht, ...

Card Forum International

Card Forum International

Card Forum International, Magazine for Card Technologies and Applications, is a leading source for information in the field of card-based payment systems, related technologies, and required reading ...

CE-Markt

CE-Markt

CE-Markt ist Pflichtlektüre in der Unterhaltungselektronik-Branche. Die Vermarktung von Home und Mobile Electronics mit den besten Verkaufsargumenten und Verkaufsstrategien gehören ebenso zum ...

Computerwoche

Computerwoche

Die COMPUTERWOCHE berichtet schnell und detailliert über alle Belange der Informations- und Kommunikationstechnik in Unternehmen – über Trends, neue Technologien, Produkte und Märkte. IT-Manager ...

IT-BUSINESS

IT-BUSINESS

IT-BUSINESS ist seit mehr als 25 Jahren die Fachzeitschrift für den IT-Markt Sie liefert 2-wöchentlich fundiert recherchierte Themen, praxisbezogene Fallstudien, aktuelle Hintergrundberichte aus ...