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Wichtige Schriften

Vollständige Ausgabe

AutorHeinrich von Treitschke
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl632 Seiten
ISBN9783849619619
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Dieser Band beinhaltet die wichtigsten Schriften des deutschen Historikers und Mitglied des Reichstages. Inhalt: Die Freiheit. Das deutsche Ordensland Preußen. Luther und Die Deutsche Nation. Gustav Adolf und Deutschlands Freiheit. Milton. Fichte und Die Nationale Idee Königin Luise. Die Völkerschlacht bei Leipzig. Zwei Kaiser. Zum Gedächtnis des großen Krieges. Cavour Lessing. Heinrich von Kleist. Ludwig Uhland. Otto Ludwig. Friedrich Hebbel.

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Leseprobe

 


(Leipzig 1862.)

 

Nicht die Jahre der Geschichte zähle, wer eines Volkes Alter messen will; sicherer zum Ziele führt ihn die tiefere Frage, welcher Teil der Vergangenheit noch als Geschichte in der Seele des Volkes lebendig ist. Wer aus dem Kampfe der Gegenwart um den Grundbau des deutschen Staates noch nicht die Einsicht gewonnen hat, dies alte Land komme jetzt zum zweiten Male zu seinen Tagen: der mag die Jugend unseres Volkes erkennen an der vergeblich geleugneten Tatsache, daß unser Mittelalter dem Bewußtsein der heutigen Deutschen unendlich fern steht. Nicht bloß der Masse ist nahezu alles aus dem Gedächtnis geschwunden, was über die Tage der Schwedennot und der Reformation hinaus liegt. Auch das Urteil der Gebildeten ist nur über sehr wenige Erscheinungen jener reichen Zeit zu einem festen Schlusse gelangt. Der heute mit neuem Eifer entfachte Streit über das Kaisertum, wäre er möglich in einem Volke von einfacher, ungebrochener Entwicklung? Noch mehr, sogar das durchschnittliche Maß unserer Kenntnisse von dem deutschen Mittelalter ist erstaunlich dürftig für ein so gelehrtes Volk und nach so emsiger Arbeit der historischen Wissenschaft. Was anders lehren in der Regel unsere gelehrten Schulen, als ein willkürliches Gemisch gleichgültiger Tatsachen, das man Geschichte des engeren Vaterlandes zu taufen liebt, und jene Kaisergeschichte, welche dahinging wie der Traum einer Sommernacht und mit all ihrem Glanze die Deutschen doch nur als die Lernenden zeigt? Kaum daß eine hingeworfene Notiz dem süddeutschen Knaben eine Ahnung gibt von der größten, folgenreichsten Tat des späteren Mittelalters, von dem reißenden Hinausströmen deutschen Geistes über den Norden und Osten, dem gewaltigen Schaffen unseres Volkes als Bezwinger, Lehrer, Zuchtmeister unserer Nachbarn.

 

Ein glücklicheres Geschlecht, emporgewachsen auf den Werken unserer Tage, wird vielleicht dereinst als einen köstlichen Segen preisen, was wir an der Unfertigkeit unseres Gemeinwesens noch schmerzlich empfinden: daß die Deutschen so eigen zu ihrer Geschichte stehen, daß wir so alt sind und so jung zugleich, daß unsere uralte Vorzeit nicht als eine Last auf unseren Seelen liegt, wie vormals die Größe Roms auf den romanischen Völkern. Preußen insbesondere mag mit Stolz den Namen führen, womit seine Neider es schmähend ehren, den Namen des Emporkömmlings unter den Mächten. Dennoch sollten wir öfter, als es namentlich bei uns in Süd- und Mitteldeutschland zu geschehen pflegt, den Blick verweilen lassen auf jener kraus verschlungenen Entwicklung, welche den kurzen zwei Jahrhunderten der modernen preußischen Geschichte voranging. Ein kräftiges Gefühl der Sicherheit dringt uns zu Herzen, wenn wir das so plötzlich zur Reife gediehene Werk durch die harte Arbeit langer Jahrhunderte vorbereitet sehen. Wir lachen des hämischen Geredes über die willkürliche Entstehung des preußischen Staates, wenn wir die deutsche Großmacht der modernen Welt auf demselben Boden gefestet schauen, wo einst das neue Deutschland unserer Altvordern, die baltische Großmacht des Mittelalters sich erhob. Und wer mag das innerste Wesen von Preußens Volk und Staat verstehen, der sich nicht versenkt hat in jene schonungslosen Rassenkämpfe, deren Spuren, bewußt und unbewußt, noch in den Lebensgewohnheiten des Volkes geheimnisvoll fortleben? Es webt ein Zauber über jenem Boden, den das edelste deutsche Blut gedüngt hat im Kampfe für den deutschen Namen und die reinsten Güter der Menschheit.

 

Gelehrte Bearbeiter haben dem reizvollsten Teile dieser Vorgeschichte, der Geschichte des Ordenslandes Preußen, nie gefehlt. Wie hatte es nicht jede lautere und jede lüsterne Phantasie locken sollen, den Geschicken der geheimnisvollen Ordensburgen mit der morgenhellen Pracht ihrer Remter und dem Spuk ihrer unterirdischen Gänge nachzuspüren? Diese rätselhaften Menschen zu verstehen, die zugleich rauflustige Soldaten waren und streng rechnende Verwalter, zugleich entsagende Mönche und waghalsige Kaufleute und, mehr als all dies, kühne, weitschauende Staatsmänner? Den Staatsmann vornehmlich mußte sie reizen, diese Geschichte einer schroffen Aristokratie, deren beste Kraft in ihrem Bunde mit dem Bürgertume gelegen war – einer geistlichen Genossenschaft, welche der Kirche so herrisch wie nur je ein weltlicher Despot den Fuß auf den Nacken setzte – eines Staates, der uns bald traumhaft fremd erscheint, wie eine versunkene Welt, ein Anachronismus selbst in seiner Zeit, bald die rationalistische Nüchternheit moderner Staatskunst vorbildet – einer Kolonie, die keiner Theorie des Kolonialwesens sich einfügen will und dennoch die Lebensgesetze der Pflanzungsstaaten typisch veranschaulicht in ihrem atemlosen Steigen, ihrem jähen Falle. Eine Geschichte tut sich hier auf, welche uns bald heimisch anmutet durch die trauliche Enge provinzialen Sonderlebens, bald die Seele erhebt durch den weiten Ausblick auf welthistorische Verwicklungen: eine Geschichte so wirrenreich und verschlungen wie nur die Schicksale unseres alten Reichswappens, jenes einköpfigen Adlers, der von dem Stauferkaiser dem Hochmeister in sein Schild geschenkt ward und in der fernen Pflanzung sich erhielt, derweil er dem Reiche selber verloren ging, bis ihn endlich der deutsche Großstaat der neuen Zeit zu seinem verheißenden Zeichen wählte. Doch was uns Bewohner der Kleinstaaten zu dieser Geschichte mehr noch hinzieht als ihr romantischer Reiz, das ist die tiefsinnige Lehre von dem Segen des Staates, der bürgerlichen Unterordnung, welche sie lauter vielleicht predigt als irgendein anderer Teil unserer Vergangenheit.

 

Das Bild des alten Ordensstaates war in der Epoche des evangelischen Glaubenseifers in Altpreußen selber fast vergessen, und wurde dann im Wetteifer verzerrt und entstellt bald von dem nationalen Hasse polnischer Geistlichen, bald von dem Bürgerstolze gelehrter Danziger Stadtschreiber, bald endlich von der selbstgefälligen Aufklärung der Kotzebue und Genossen. Auch läppischer Fabelsucht war Tür und Tor geöffnet. Denn des Ordens alte Chronisten ermangeln nicht nur, nach der Weise epischer Zeiten, der Gabe Charaktere zu schildern; sie verschmähen es sogar grundsätzlich, gemäß dem hocharistokratischen Geiste des Ordens, die großen Männer des Staates in den Vordergrund zu stellen. Wie mußte da nicht in den modernen Schriftstellern das echtmenschliche Bedürfnis sich regen, gewaltige Taten zu personifizieren? Erst Johannes Voigt hat die wissenschaftliche Geschichtforschung in Alt-Preußen begründet, als er vor nahezu fünfzig Jahren seine "Geschichte von Preußen" aus den Archiven des Ordens zu schöpfen begann. Leicht mögen wir heute die Mängel des Werkes tadeln: die reizlose Darstellung, die oft stumpfe Kritik der Quellen, den Mangel großer staatsmännischer Gesichtspunkte und vor allem jene sanguinische Schönseherei, welche sich aus der Freude des ersten Entdeckers und aus dem dünnen Idealismus der Tage der alten Romantik vollauf erklärt. Uns jüngeren Skeptikern wird oft gar lustig zu Mute unter all diesen edlen und biederen Rittern, deren Taten doch so laut verkünden: ein guter Teil ihrer Größe bestand in dem gänzlichen Mangel jener Gutmütigkeit, die man fälschlich als eine deutsche Tugend preist. Trotz alledem bleibt dem ehrwürdigen Verfasser ein unvergängliches Verdienst. Dafür zeugt am lautesten der lebhafte Eifer, den alle Stände der Provinz seit dem Erscheinen des Voigtschen Werkes auf die Erforschung ihrer alten Geschichte verwenden; die rührende Liebe zur Heimat, die in Altpreußen vielleicht kräftiger lebt als in irgendeiner anderen deutschen Landschaft, betätigte sich gern in historischer Forschung. Diese stille Arbeit ging Hand in Hand mit dem Wiederaufbau der Marienburg; ihre Ergebnisse liegen vor in zahllosen Einzelschriften und Sammelwerken, die freilich gründliche historische Kritik oft vermissen lassen. Erst neuerdings, seit Töppen in seiner Geschichte der preußischen Historiographie (1853) die alten Chroniken des Landes einer eingehenden Prüfung unterwarf, ist abermals ein vollständiger Umschwung eingetreten in der Auffassung der preußischen Vorzeit; die von Hirsch, Töppen und Strehlke herausgegebene musterhafte Sammlung der preußischen Geschichtsquellen (Scriptores rerum Prussicarum) hat den Weg gebahnt für eine der strengeren Methode der heutigen Wissenschaft genügende Darstellung der altpreußischen Geschichte. Ein solches Werk ist noch zu schreiben. Wir versuchen in den raschen starken Strichen einer anspruchslosen Skizze die Entwicklung des Ordenslandes zusammenzufassen.–

 

Der helle Tag des alten deutschen Rittertums ging zur Rüste. Noch einmal, glänzender denn je zuvor, war die Blüte des adligen Deutschlands, an vierzigtausend Ritter, um ihren Helden versammelt, als der alte Kaiser Rotbart auf dem Reichshoftage zu Mainz seinen Söhnen "den ehrenreichen Schlag schlug" und selber noch mit der Lanze im adligen Spiele sich tummelte (1184). Drei Jahre noch – so nahe berühren sich Glanz und Fäulnis auf diesem steilen Gipfel altritterlicher Zeit – und der ritterfreundliche Kaiser legte dem deutschen Adel selber die Axt an die Wurzel, gab ihm das selbstmörderische Recht der Fehde. Nach abermals drei Jahren hatte der ruhmreichste Vertreter deutscher Ritterherrlichkeit im Morgenlande sein Grab gefunden. In diesen verhängnisvollen Tagen, auf demselben Kreuzzuge, der dem Kaiser den Tod gab, entstand der deutsche Orden von Sankt Marien, ein nachgeborenes Kind des älteren deutschen Rittertums. Als die Lateiner die Feste Akkon belagerten, erbarmten sich reiche Kaufleute aus Lübeck und Bremen der siechen Landsleute und nahmen sie auf in ihre Segelzelte. Deutsche Ritter boten den Verwundeten fromme...

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