Sie sind hier
E-Book

Wie erkläre ich meinem Hund, dass er kein Mensch ist?

AutorDana Horáková
VerlagLau-Verlag & Handel KG
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783941400436
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Dana Horáková war stets in wohltuendem Stress: als Dissidentin im kommunistischen Prag, als Journalistin, als Hamburger Kultursenatorin. Ein Leben zwischen Terminen, nicht selten einsam. Bis Dany, der Zwergschnauzer, kommt ... Mit Charme und Witz, ebenso offen wie selbstironisch, erzählt Dana Horáková von Pinkelpannen, geschäftstüchtigen Tierärzten, sexuellen Bedürfnissen, dem Glück der Natur und Weihnachten mit Hund. Sie schildert Danys sechsten Sinn und wie er den ihren zum Leben erweckt, sie berichtet von dunklen Stunden, in denen nur Dany sie wieder aufzurichten vermag - 'Es gibt kein besseres Antidepressivum als einen Hund, der deine Ohren leckt' - und schließlich davon, wie Dany das erste, aber keineswegs das letzte Mal das Wort an sie richtet. Und sie erzählt von einer großen Liebe, die ebenso intim wie historisch ist. So ist das Buch eine Fundgrube für Details aus fast 15.000 Jahren gemeinsamer Geschichte von Hund und Mensch und es findet philosophische Antworten auf die großen Streitfragen: Bett oder nicht Bett? Erziehen Frauen ihre Hunde anders als Männer? Warum markieren Hunde? Aber eigentlich kann man in Horákovás Coming-out auch noch eine ganz andere Geschichte lesen: die eines gemeisterten Älterwerdens.

Dana Horáková, geboren 1947 im Vogtland, aufgewachsen in Prag, studierte Philosophie an der Karlsuniversität und Theologie in New York. Ihre Wohnung in Prag wurde vor der 'Samtenen Revolution' zum Treffpunkt oppositioneller Künstler, Literaten, Filmemacher und Theologen. Mit dem künftigen Präsidenten Václav Havel wurde sie Herausgeberin des Samisdat-Verlages 'Edice Expedice', auf Grund dieser Tätigkeit als 'Staatsfeindin' eingestuft , verfolgt und gezwungen, das Land 1979 verlassen. In Deutschland zunächst freie Autorin, dann Journalistin und Ressortleiterin Kultur bei 'Bunte', 'B.Z.' und 'BILD', sowie stellvertretende Chefredakteurin der 'Welt am Sonntag'. 2002 wechselte sie in die Politik und bekleidete bis 2004 das Amt der Kultursenatorin der Freien und Hansestadt Hamburg. Seither hat sie mehrere Bücher veröffentlicht.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

SELBSTVERSTÄNDLICH hatte ich beschlossen, dass mein Bett für Dingelchen eine Tabuzone sein würde. Doch diese Entscheidung wurde gleich in der ersten Nacht auf eine harte Probe gestellt.

Im Schlafzimmer setzte ich ihn in seinen Korb. Er schritt ihn ab und sah mich dann verloren an: Wo sind meine Schwestern? Es folgte ein kaum hörbares Winseln, als würde er sie rufen. Und da sie nicht auftauchten, fing er an, fragend zu heulen: Wo hast du sie versteckt? Sind sie vielleicht bei dir oben im Bett?

Ich setzte mich zu ihm, kraulte ihn in den Schlaf und schlich mich dann ins Bett. Licht aus. Schlief ich? Plötzlich spürte ich heißen Atem im Gesicht. Dany lehnte auf den Hinterbeinen stehend am Bettrand, die Nase knapp über der Matratze, und sah mich wie einen Erlöser an. Diesem Blick zu widerstehen!

Heb ihn doch einfach hoch, er will doch nur kuscheln, Wärme spüren, flehte mein Herz. Mein Kopf protestierte: Du hast dich entschieden, es nicht zu tun. Wer Beschlüsse bricht, verliert das Gesicht. Ist es das, was du willst? Schluss mit der Diskussion!

Ich drehte mich um, hörte Dingelchen tief seufzen, und dann kam ein leises, verzweifeltes Wimmern. Es klang so unwiderruflich, so hoffnungslos wie nichts, was ich je zuvor in meinem Leben gehört hatte. Ich stand auf, sammelte Danys Plüschtiere ein und polsterte damit seinen Korb aus, als Ersatz für das Gedränge in Mamas Bauch, in den er vermutlich zurückschlüpfen wollte in seiner Einsamkeit, obwohl es dort nicht wirklich bequem gewesen sein konnte.

Es funktionierte! Dany quetschte sich rein und schlief ein.

Eine halbe Stunde später. Mein Hund weinte. Aber nicht, um mich zu erpressen, nein, lediglich um sich seinen Kummer erträglicher zu machen, nachdem er sich mit seiner Lage abgefunden hatte: Wieso sieht sie nicht, dass ich zu klein bin, um allein zu schlafen? Vielleicht ist sie gar nicht mein Mensch …

Apropos: Dany neigt, wie ich bereits damals unschwer erkennen konnte, zum Monologisieren, genau wie Zahnärzte, nachdem unsereiner ihren Befehl »Mund öffnen, bitte!« ausgeführt hat und keinen Laut mehr von sich geben kann.

Mein Hund, vermutlich entkräftet, schnäuzte sich leise, beinahe entschuldigend. Ich kam mir vor wie eine böse, böse Rabenmutter.

Wer sagte eigentlich, dass Hunde, vor allem so kleine, niedliche, kuschelige, unschuldige, liebesbedürftige nicht in einem Bett schlafen sollen? Es musste ja keiner erfahren.

Also gut. Ich machte das Licht an, griff nach Dingelchen, erklärte ihm: »Aber nur heute, es ist und bleibt eine Ausnahme, verstanden?«

Dany gab einen vorsichtigen Quietscher von sich, den ich als Zustimmung deutete – da tauchte ein Bild vor meinen Augen auf: Heikes französisches Doppelbett, das sie ihrer geliebten Sandy zur Verfügung stellte. Heike ist eine taffe Geschäftsfrau, Sandy ihre Labrador-Hündin. Heike wiegt um die 50 Kilo, Sandy kaum weniger. Heike bewohnt ein Haus am See und zelebriert vorm Zubettgehen ausgiebige Reinigungsrituale (eine Duftkerze für jede Seelenlage inklusive). Sandy hingegen wird lediglich gebürstet, nicht gebadet, obwohl sie tagsüber beim Spazierengehen ihre Nase in allerlei Unrat steckt. Als ich Heike mal besuchte und eine überaus selige Sandy in »ihr« Bett springen sah, dachte ich, warum leugnen, ein wenig angeekelt: Hundeliebe schön und gut, Hygiene ist was anderes … Dany bleibt, wo er hingehört. In seinem Korb. Licht aus.

Ich drückte mir ein Kissen ans Ohr, um nichts zu hören. Doch Dany gab keinen Mucks von sich. Als hätte er geahnt, dass mich seine Bereitschaft zu ertragen, was weh tut, obwohl man es weder versteht noch verdient, weit mehr bewegen würde als lautstarke Klagen.

Ein Kompromiss musste her. Ich schob Danys Korb neben die Bettkante, damit ich meine Hand reinhängen und, solange noch halbwegs wach, Dingelchen streicheln konnte.

In den folgenden Nächten versuchte er, unermüdlich und aus allen Himmelsrichtungen in mein Bett zu krabbeln. Und ich schubste ihn immer wieder sanft zurück und wiederholte mit tiefer, möglichst männlich klingender Stimme: »Böser Hund! Böser Hund!!!«

Er gab nicht auf, deutete an, dass wir tauschen sollten oder ich mich zu ihm in seinen Korb legen könnte, da wäre Platz genug für uns beide. Es ging ihm um Nähe. Wir sollten uns aneinander schmiegen, egal wo, um sicher zu sein, dass es uns gibt.

So ein Quatsch, spottete mein Kopf, der (noch!) amtierende Herr meines Herzens. Aber ich fühlte mich schuldig, sobald mich Dany anschaute, als wäre ich eine Fremde. Er verstand mich nicht. Wie sollte er auch? Tagsüber streichelte ich ihn, trug ihn herum, ließ ihn auf meinem Schoß sitzen, er durfte pausenlos um mich sein. Kaum wurde es dunkel, war ich für ihn unerreichbar und er im »Exil« …

Als ich 1979, damals, als noch der Eiserne Vorhang Europa teilte, nach Deutschland kam, fühlte ich mich unendlich verloren, denn ich musste davon ausgehen, meine Eltern, meine Freunde und meine Schwester – im Unterschied zu Dany habe ich nur eine – nie wieder zu sehen. Und dieses Gefühl verließ mich nur, wenn mein Mann mich nachts in seine Arme nahm.

Allerdings war ich damals nicht nur um gefühlte Jahrhunderte älter als mein Welpe, sondern ich wusste auch, warum mich die Prager KP-Regierung wie so viele andere Dissidenten loswerden wollte. Dany aber hatte – wenn man von den angeknabberten Schuhen, verschleppten Handschuhen und zerkauten Büchern absah – in meinem Haushalt nichts verbrochen und wurde dennoch Nacht für Nacht verbannt.

Tatsache war jedenfalls: Dany fühlte sich in seinem Korb einsam und ich mich allein in meinem Bett. Ich haderte weiter. Bett oder nicht Bett? Das war hier die Frage.

Weihnachten verbrachten wir bei Heike, die Dany unbedingt kennenlernen wollte. Ich machte mir nur ein wenig Sorgen, dass Sandy Dany zeigen würde, wie sie ihr Frauchen in Sachen Bett rumkriegte.

Als ich dann allerdings mein Dingelchen neben der riesigen Sandy sah, die ihn wie eine leckere Wurstsemmel umkreiste, liefen erst mal meine Beschützerinstinkte heiß. Gerade wollte ich ihn vor ihren Fängen retten, da beruhigte mich Heike: »Nie was vom Welpenschutz gehört?«

Gehört schon. Aber bislang nicht erlebt, dass es funktioniert.

Nun, es funktionierte. Dany fraß Sandys Napf leer, zerrte an ihren Spielsachen, pinkelte in ihren Korb – und überlebte. Sandy fand das natürlich nicht witzig und schon gar nicht fair, aber irgendetwas verbat ihr, den frechen Fremdling umzubringen. Nur ein einziges Mal wurde die Lage brenzlig: Als Sandy am Treppenrand eingenickt war und Dany in seinem Jugend-forscht-Drang ihren Schwanz zunächst lange beobachtete, um schließlich resolut hineinzubeißen. Da schnellte sie im Halbschlaf auf und patschte ihm eine mit ihrer mächtigen Pfote. Aber als Dany aufschrie, begann sie ihn tröstend abzuschlecken, fast, als würde sie sich schämen, als möchte sie sich entschuldigen.

Ich stellte Danys Transportbox neben mein Bett im Gästezimmer. Er kroch zu gegebener Zeit brav hinein, knabberte ein wenig an seinem Spielknochen – alles war gut.

Kurz nach Mitternacht wurde ich aus dem Schlaf gerissen, ­irgendwo hatte eine Tür geknallt. Ein Einbrecher? In dem Moment sprang Dany in mein Bett und schaute mich herausfordernd an: Heute kriegst du mich nicht raus, versuch’s gar nicht erst!

Na gut, dachte ich, das ist schließlich nicht mein Bett, also muss es nicht verteidigt werden. Doch vor allem: Es war schön, das ­angeschmiegte Dingelchen zu fühlen und zu spüren, wie er sich entspannte. Wir schliefen Haut an Fell.

Morgens dehnte Dany sich, begrüßte mich mit einem flüchtig-feuchten Küsschen, sprang vom Bett, schüttelte sich, nahm einen Schluck Wasser, verschwand in seiner Box und schlief weiter.

Nach dieser Nacht gab er auf, mein Bett mit mir teilen zu wollen. Vermutlich hatte er erreicht, was er schon immer ausprobieren wollte, und festgestellt, dass ich kein ruhiger Schläfer bin.

Und nun die ganze Wahrheit.

Monate später, eines Sommertages, es war Mittwoch, war ich ziemlich deprimiert. Ein Stalker, der mich seit Monaten terrorisierte, hatte wieder zugeschlagen. Ich fühlte mich hilflos, machte den Fernseher im Schlafzimmer an, um mich abzulenken. Dany setzte sich vor das Bett, sah mich lange an, als würde er meine Seele abtasten wie ein Ultraschallgerät die inneren Organe. Dann kam er mit ­einem Satz angeflogen, leckte ausgiebig mein Ohr, sprang graziös über mich, um das andere auch noch zu fassen zu kriegen, konnte gar nicht aufhören, mich zu trösten: Ich bin ja auch noch da, zusammen überstehen wir alles!

Er wusste doch, dass es verboten war (»böser Hund!«), in mein Bett zu springen. Doch jetzt war es ihm wichtiger, mich aufzurichten, als einer Rüge zu entgehen. Und dann legte er seinen schweren Kopf auf meinen Arm und schlief ein. In meinem Bett. Ich ließ ihn.

Seitdem »besucht« – auf diese Bezeichnung haben wir uns eines Tages geeinigt – er mich, wenn ich erschöpft bin oder wenn mich irgendein Problem so beschäftigt, dass ich nicht schlafen kann. Dann...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Sonstiges

Schimmelpilze in Wohngebäuden

E-Book Schimmelpilze in Wohngebäuden
Ursachen, Vermeidung und Bekämpfung Format: PDF

Mit der Verringerung des Lüftungsaustausches in den Wohnungen, der Entstehung von Wärmebrücken nach der Sanierung u.a. werden die schon immer vorhandenen Schimmelpilze durch lokale…

Schimmelpilze in Wohngebäuden

E-Book Schimmelpilze in Wohngebäuden
Ursachen, Vermeidung und Bekämpfung Format: PDF

Mit der Verringerung des Lüftungsaustausches in den Wohnungen, der Entstehung von Wärmebrücken nach der Sanierung u.a. werden die schon immer vorhandenen Schimmelpilze durch lokale…

Daumendrücken

E-Book Daumendrücken
Der ganz normale Aberglaube im Alltag Format: PDF

Warum klopfen wir auf Holz? Warum gilt die Sieben als Glückszahl, warum aber nicht im 'verflixten siebten Jahr'? Warum sind selbst 'Sonntagskinder' nicht vor 'Hexenschuss' gefeit? - Ob wir wollen…

Daumendrücken

E-Book Daumendrücken
Der ganz normale Aberglaube im Alltag Format: PDF

Warum klopfen wir auf Holz? Warum gilt die Sieben als Glückszahl, warum aber nicht im 'verflixten siebten Jahr'? Warum sind selbst 'Sonntagskinder' nicht vor 'Hexenschuss' gefeit? - Ob wir wollen…

Generation 50 plus

E-Book Generation 50 plus
Ratgeber für Menschen in den besten Jahren Format: PDF

Vor gar nicht allzu langer Zeit galt ein Mensch jenseits der 60 als 'alt'. Heute wissen wir, dass mit '66 noch lange nicht Schluss' ist. Dank der Erkenntnisse der modernen Medizin ist es den meisten…

Generation 50 plus

E-Book Generation 50 plus
Ratgeber für Menschen in den besten Jahren Format: PDF

Vor gar nicht allzu langer Zeit galt ein Mensch jenseits der 60 als 'alt'. Heute wissen wir, dass mit '66 noch lange nicht Schluss' ist. Dank der Erkenntnisse der modernen Medizin ist es den meisten…

Networking

E-Book Networking
Kontakte nutzen, Beziehungen pflegen Format: PDF

Networking ist für die Karriere von großer Wichtigkeit - und nicht zu verwechseln mit Vetternwirtschaft. Wie man ein persönliches Netzwerk aufbaut und Kontakte pflegt, beschreibt…

Grammatik 5. und 6. Klasse

E-Book Grammatik 5. und 6. Klasse
Format: PDF

Du bist mit deiner Deutschnote nicht zufrieden? Du könntest beim Aufsatzschreiben und beim Diktat noch besser sein, wenn du in der deutschen Grammatik sicherer wärst? Möchtest du die…

Weitere Zeitschriften

FESTIVAL Christmas

FESTIVAL Christmas

Fachzeitschriften für Weihnachtsartikel, Geschenke, Floristik, Papeterie und vieles mehr! FESTIVAL Christmas: Die erste und einzige internationale Weihnachts-Fachzeitschrift seit 1994 auf dem ...

Computerwoche

Computerwoche

Die COMPUTERWOCHE berichtet schnell und detailliert über alle Belange der Informations- und Kommunikationstechnik in Unternehmen – über Trends, neue Technologien, Produkte und Märkte. IT-Manager ...

Courier

Courier

The Bayer CropScience Magazine for Modern AgriculturePflanzenschutzmagazin für den Landwirt, landwirtschaftlichen Berater, Händler und generell am Thema Interessierten, mit umfassender ...

SPORT in BW (Württemberg)

SPORT in BW (Württemberg)

SPORT in BW (Württemberg) ist das offizielle Verbandsorgan des Württembergischen Landessportbund e.V. (WLSB) und Informationsmagazin für alle im Sport organisierten Mitglieder in Württemberg. ...

ea evangelische aspekte

ea evangelische aspekte

evangelische Beiträge zum Leben in Kirche und Gesellschaft Die Evangelische Akademikerschaft in Deutschland ist Herausgeberin der Zeitschrift evangelische aspekte Sie erscheint viermal im Jahr. In ...