Sie sind hier
E-Book

Wie gelingt der Wechsel an weiterführende Schulen bei Migrantinnen und Migranten?

Inner- und außerschulische Faktoren für einen erfolgreichen Übergang von der Primar- in die Sekundarstufe

AutorJanine Tyzak
VerlagStudylab
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl126 Seiten
ISBN9783668381759
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Kinder mit Migrationshintergrund erzielen im deutschen Bildungssystem häufig schlechtere Noten als einheimische Kinder und besuchen nach der Grundschule eher 'niedrigere' Schulformen. Es scheint so, als seien sie 'Bildungsverlierer'. Wie können diese Kinder gefördert werden, sodass sie am Ende der vierten Jahrgangsstufe auf das Gymnasium wechseln und dort erfolgreich sind? Welche Faktoren müssen gegeben sein, damit auch sie einen Bildungserfolg verzeichnen können? Dieses Buch beschäftigt sich ausgehend von diesen Fragen damit, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit ein erfolgreicher Übergang von allochthonen Kindern in die Sekundarstufe gelingen kann. Zunächst werden dazu grundlegende Definitionen gegeben und dabei besonders die Begriffe Migration, Migrant/in und Migrationshintergrund diskutiert. Zusätzlich gibt es einen kurzen Einblick in die Geschichte der Migration nach Deutschland. Da es in dieser Ausarbeitung auch um das Schulsystem geht, werden die einzelnen Primar- und Sekundarschulformen und die rechtlichen Übergangsregelungen und wesentlichen Abläufe skizziert. Anschließend wird die aktuelle Verteilungssituation von Migrantinnen und Migranten im deutschen Schulsystem verdeutlicht. Dabei wird vor allem die Verteilung auf die verschiedenen Sekundarschulzweige nach der vierten Klasse im Vergleich zu autochthonen Lernenden beschrieben. Aus dem Inhalt: - Bildungskarriere; - Bildungserfolg; - Herkunftseffekte; - Institutionelle Diskriminierung; - Ungleichheitsforschung

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

3 Aktuelle Verteilungssituation von allochthonen und autochthonen Lernenden auf die verschiedenen Sekundarschulformen


 

Gerade in Hinblick auf die in Deutschland angestrebte Bildungsexpansion soll erreicht werden, dass „[…] die Bedingungen des Lernens so zu organisieren [sind], dass alle Schüler, ungeachtet ihrer Herkunft und anderer Merkmale, die gleiche Aussicht auf Bildungserfolg haben.“ (Teichler 1974, 203) Besonders seitdem die PISA-Studie des Jahres 2000 veröffentlicht wurde, herrschen rege Diskussionen bezüglich der Chancengleichheit/-gerechtigkeit in Deutschland. Die Studie zeigte, dass die Bildungschancen im deutschen Schulsystem mit der sozialen Herkunft korrelieren. Dieser Effekt war im Vergleich zu anderen Testländern sehr hoch (vgl. El-Mafaalani 2011, 23). Konkret bedeutet dies, dass Kinder aus unteren Sozialschichten schlechtere Schulleistungen erbringen, als Schülerinnen und Schüler aus höheren Schichten (vgl. Stanat 2003, 267).

 

Die soziale Schichtzugehörigkeit spielt auch bei allochthonen Kindern eine zentrale Rolle, denn wie der Deutsche Bundestag konstatiert, verfügen Migrantinnen und Migranten in Deutschland, im Vergleich zu nicht migrierten Personen des Einwanderungslandes, meist über eine niedrig ausgeprägte ökonomische und soziale Situation, (vgl. Deutscher Bundestag 2005, 131). Demnach zufolge wechseln besonders häufig Kinder mit einem Migrationshintergrund auf niedrigere Schulzweige des Sekundarbereichs.[6] Ein aktuelles Säulendiagramm des Statistischen Bundesamtes kann diesen Zusammenhang verifizieren:

 

 

Abbildung 7: Verteilung ausländischer Schülerinnen und Schüler auf die Schularten der Sekundarstufe I in den Schuljahren 2004/05 und 2014/15 (Statistisches Bundesamt 2016, S. 18).[7]

 

Das Diagramm zeigt Vergleichswerte aus den Schuljahren 2004/2005 und 2014/2015. Generell fällt auf, dass die Verteilung von Migrantinnen und Migranten auf Hauptschulen zum früheren Zeitraum weitaus ausgeprägter ist. Hier kann ein klarer Rückgang erkannt werden. Dennoch liegt der Prozentanteil im Schuljahr 2014/2015 bei 30,6 % und ist damit sehr hoch. Die Verteilungen auf die Realschule und das Gymnasium blieben relativ konstant. Signifikant zugenommen haben die Besuchszahlen von Kindern mit ethisch anderen Hintergrund an integrierten Gesamtschulen und Bildungsgängen mit mehreren Schulzweigen. Dieses wird wahrscheinlich dadurch bedingt sein, dass in Niedersachsen in den letzten Jahren viele Schulen auf ein Gesamtschulkonzept umgerüstet haben. Im Schuljahr 2004/2005 war diese Entwicklung noch nicht dermaßen ausgeprägt. Trotz alledem wird deutlich, dass die Hauptschule der am stärksten vertretene Sekundarschulzweig für Kinder mit Migrationserfahrung ist. Ein etwas differenziertes Diagramm aus dem Bildungsbericht 2016 zeigt den direkten Vergleich zwischen allochthonen und autochthonen Kindern, auch im Hinblick auf ihren sozioökonomischen Status. Dabei zeigen diese Daten nicht nur die Schulverteilung von ausländischen Kindern, sondern von Kindern mit Migrationshintergrund. An dieser Stelle wird demnach eine größere Bandbreite an Kindern einbezogen, da hier der Generationsstatus berücksichtigt wurde und sowohl die erste als auch die zweite Genration mit Migrationshintergrund einbezieht.

 

 

Abbildung 8: Verteilung der 15-jährigen Schülerinnen und Schüler auf die Bildungsgänge 2012 nach Migrationshintergrund und sozioökonomischen Status (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, 174).

 

Auch in dieser Abbildung wird deutlich, dass Kinder mit Migrationshintergrund insgesamt fast doppelt so häufig an Hauptschulen vertreten sind als autochthone Lernende. Auch in Bezug auf den Übergang auf die Gymnasialstufe lässt sich hier ein unterrepräsentiertes Bild von allochthonen Lernenden erkennen. Die generelle Übergangsqoute auf die Realschule zeigt prozentual kaum einen Unterschied. Kinder mit und ohne Migrationshintergrund besuchen fast gleich häufig eine Realschule. Ergänzend zum Diagramm lässt sich konstatieren, dass diese Kinder öfter Sonderschulen besuchen, besonders betroffen davon sind Schulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen (vgl. Diefenbach 2008, 76f.). Trotz alledem muss an dieser Stelle auch auf den sozioökonomischen Status hingewiesen werden. Bei einem niedrigen ökonomischen Status, sind kaum Unterschiede zu deutschen Kindern mit vergleichbaren Sozialstatus zu erkennen. In dieser Kategorie zeigen allochthone Kinder sogar einen leicht höheren Prozentsatz bei dem Übergang auf die Realschule oder das Gymnasium. Bei einem mittleren Sozialstatus lässt sich erkennen, dass Lernende mit Migrationshintergrund an höheren und mittleren Schulformen tendenziell noch unterrepräsentiert sind und an niedrigeren Schulformen minimal überrepräsentiert. Bei einem hohen ökonomischen Kapital zeigt sich, dass auch der Prozentsatz von Migrantinnen und Migranten am Gymnasium sehr hoch ist und bei 64% liegt. Im Vergleich zu Nicht-Migranten/innen ist dies kein erheblicher Unterschied. Dennoch lässt sich auch hier eine doppelt so hohe Anzahl von Hauptschülerinnen und Schülern erkennen. Die Angaben des sozioökonomischen Satus wurden über den beruflichen Status der Eltern ermittelt (HISEI). Problematisch an dieser Stelle ist, dass gerade im aktuellen Fluchtkontext viele Jugendliche und Kinder ohne Begleitung nach Deutschland kommen und dieses Erfassungskriterium bei ihnen somit an Bedeutung verliert. Aus diesem Grund merkt die Autorengruppe für Bildungsberichterstattung unter der Grafik an, dass in der Säule ‚insgesamt‘ auch Nennungen von Kindern einbezogen wurden, bei denen das HISEI nicht erfasst werden konnten. Daher orientiert sich diese Arbeit eher an den Werten der ersten Säule, um ein realistischen Eindruck der Verteilungssituation gewinnen zu können. Dennoch zeigt sich an dieser Stelle auch wie wichtig der sozioökonomische Status (unabhängig vom Migrationsstatus) der Familie ist, um eine erfolgreiche Bildungskarriere einschlagen zu können.

 

Dass es sich bei einer solchen Verteilung, um ein starkes Ungleichgewicht zu Kindern ohne Migrationshintergrund handelt, wird weiterführend deutlich, wenn man sich den Erwerb des höchst erreichten Schulabschlusses von Kindern mit und ohne Migrationsgeschichte vor Augen führt.

 

 

Abbildung 9: Schulabschlüsse von Deutschen und Ausländern im Schuljahr 2012/2013 (Hanewinkel, Oltmer 2015, S. 11).

 

Diese Daten wurden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aus dem Schuljahr 2014 erhoben. In der Darstellung von Oltmer und Hanewinkel (2015, 11) wird gezeigt, dass Kinder mit Migrationsgeschichte häufiger gar keinen oder einen Hauptschulabschluss vorweisen können. Bei diesen Bildungsabschlüssen sind die Abschlussraten fast doppelt so hoch, als es bei Schülern ohne anderen ethischen Hintergrund der Fall ist. Alarmierend sind auch die prozentualen Anteile, der Schülerinnen und Schüler, die keinen Schulabschluss erreicht haben. Bei einheimischen Kindern beträgt dieser Anteil gerade einmal 4,9 %. Im Vergleich dazu haben 11,4 % der Kinder mit Migrationshintergrund keinen Schulabschluss. Einen Gymnasialabschluss erhalten ausschließlich 17,8 % der Lernendenden mit Migrationsgeschichte, hingegen 38,6 % der Schülerinnen und Schüler ohne familiäre Wanderungserfahrung.

 

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass allochthone Schülerinnen und Schüler generell öfter nach der Primarstufe auf eine niedrigere Schulform übergehen und im Vergleich häufiger einen Hauptschulabschluss oder sogar überhaupt keinen Schulabschluss erhalten (vgl. Stein 2012, 40). Eine Hochschulreife erlangen hingegen nur wenige Lernende der fokussierten Bevölkerungsgruppe. Diese Unterpräsenz in dem Schulzweig lässt sich bereits bei der Schulverteilung von der Primar- in die Sekundarstufe erkennen. Aber woran liegt diese ungleiche Verteilung? Lässt sich diese ausschließlich auf schlechtere Noten zurückführen?

 

Einerseits beweisen Studien (bspw. IGLU), dass Kinder aus Migrationsfamilien wenig ausgeprägter Lesekompetenzen, jedoch auch im Durchschnitt geringere naturwissenschaftliche Leistungen erbringen. Unter anderem wird dieser Befund damit begründet, dass Kinder aus Migrationsfamilien weniger häufig vorschulische Einrichtungen besuchen, wodurch eine wichtige Förderquelle entfällt (vgl. Diefenbach 2008, 76f.). Treffend dazu wird konstatiert, dass solche Kinder besonders Defizite im Bereich der deutschen Sprache aufweisen. Diese spiegeln sich besonders in der, für den Übergang relevanten, Deutschnote, aber auch in allen anderen Fächern, für die eine gewisse Sprachkompetenz vorausgesetzt wird, wieder (vgl. Stanat 2006, 192f.).

 

Andererseits ist bekannt, dass auch soziale Disparitäten einen entscheidenden Einfluss auf Notenvergabe und Übergangsempfehlung haben (vgl. Maaz et al. 2010, 69).

 

„Mit anderen Worten bedeutet dies, dass Schülerinnen und Schüler bei gleicher Leistung eine unterschiedliche Schullaufbahnpräferenz seitens der Lehrkräfte bzw. der Eltern erhalten, wenn der soziale Hintergrund berücksichtigt wird. Dies steht dem Gebot der Chancengleichheit entgegen.“ (Sartory et al. 2013, 110)

 

Ergebnisse diesbezüglich liefert unter anderem eine Studie von Terkessidis, welche zeigt, dass Schülerinnen und Schülern trotz guter Leistung eine niedrigere Schulform für die Sekundarstufe empfohlen wurde (vgl. Terkessidis...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Pädagogik - Erziehungswissenschaft

Weitere Zeitschriften

Archiv und Wirtschaft

Archiv und Wirtschaft

"Archiv und Wirtschaft" ist die viermal jährlich erscheinende Verbandszeitschrift der Vereinigung der Wirtschaftsarchivarinnen und Wirtschaftsarchivare e. V. (VdW), in der seit 1967 rund 2.500 ...

crescendo

crescendo

Die Zeitschrift für Blas- und Spielleutemusik in NRW - Informationen aus dem Volksmusikerbund NRW - Berichte aus 23 Kreisverbänden mit über 1000 Blasorchestern, Spielmanns- und Fanfarenzügen - ...

Das Hauseigentum

Das Hauseigentum

Das Hauseigentum. Organ des Landesverbandes Haus & Grund Brandenburg. Speziell für die neuen Bundesländer, mit regionalem Schwerpunkt Brandenburg. Systematische Grundlagenvermittlung, viele ...

Gastronomie Report

Gastronomie Report

News & Infos für die Gastronomie: Tipps, Trends und Ideen, Produkte aus aller Welt, Innovative Konzepte, Küchentechnik der Zukunft, Service mit Zusatznutzen und vieles mehr. Frech, offensiv, ...

DER PRAKTIKER

DER PRAKTIKER

Technische Fachzeitschrift aus der Praxis für die Praxis in allen Bereichen des Handwerks und der Industrie. “der praktiker“ ist die Fachzeitschrift für alle Bereiche der fügetechnischen ...

Eishockey NEWS

Eishockey NEWS

Eishockey NEWS bringt alles über die DEL, die DEL2, die Oberliga sowie die Regionalligen und Informationen über die NHL. Dazu ausführliche Statistiken, Hintergrundberichte, Personalities ...