3. Der Vergleich der Anlagestrategien von Benjamin Graham und Warren Buffett
3.1. Vorwort zum Vergleich
Buffett ist ein rein professioneller Investor und Graham schrieb Bücher für professionelle und private Investoren. Für einen Vergleich bietet sich an, den Privatinvestor außen vor zu lassen und sich beidseitig auf der professionellen Ebene zu bewegen.
Buffett folgte die ersten Jahre seiner Investmentkarriere streng den Regeln Grahams, doch entwickelte er zunehmend seine eigene Anlagestrategie, welche besonders von Charlie Munger und Philip A. Fisher inspiriert wurde. Ich will mich bezüglich des Vergleichs der Anlagestrategien auf den späteren Warren Buffett beziehen.
In Kapitel „3.2.Tabellarischer Vergleich“ erfolgt der Gegenüberstellung beider Investoren bezugnehmend auf die entscheidenden Kriterien der Anlagestrategien.
Im darauffolgenden Abschnitt „3.3. Detailvergleich der Investorenpersonen“ werden die wichtigsten Kriterien des tabellarischen Vergleichs ausgewählt und ausführlich besprochen.
3.2. Tabellarischer Vergleich
Tabelle 2: Vergleich der Anlagestrategien von Warren Buffett und Benjamin
Graham [22]
3.3. Detailvergleich der Investorenpersonen
3.3.1. Zur Persönlichkeit beider Investoren
Benjamin Graham war ein Wirtschaftswissenschaftler und Investor, der hoch angesehene Bücher für Wertpapieranalysten geschrieben hat. Graham wurde 1894 in London als Benjamin Grossbaum geboren und zog mit einem Jahr nach New York. Sein Vater war Porzellanhändler, brachte die Familie zu Wohlstand, verstarb aber 1903. Die Familie verarmte langsam, so dass seine Mutter das Haus zu einer Pension machen musste und sie versuchte mit auf Kredit gekauften Aktien aus der Misere zu kommen. Aktienkäufe auf Kredit waren zu der damaligen Zeit in der Gesellschaft nichts Außergewöhnliches und seine Mutter hatte damit nicht viel Glück. Dieser Zustand hat ihn sehr geprägt.
Graham lebte die nächsten Jahre in ärmlichen Verhältnissen, schloss aber trotz alledem mit Hilfe eines Stipendiums mit 20 Jahren sein Studium als sehr guter Student an der Columbia University ab, so dass er von drei Fakultäten für eine Lehrtätigkeit umworben wurde. Entschieden hat er sich jedoch für eine Arbeit an der Wall Street und seine Tätigkeit mündete später in der „Graham-Newman-Partnership“, die eine frühe Form des heutigen Investmentfonds darstellte.
Ab 1928 unterrichtete er an der Columbia University und begegnete später dort seinen Schüler Warren Buffett.
Warren Buffett wurde 1930 in Omaha geboren. Sein Vater war Aktienhändler und später Kongressabgeordneter. Er wuchs in gut bürgerlichen Verhältnissen auf,
zeigte früh eine Vorliebe für Zahlen sowie ausgeprägte unternehmerische Fähigkeiten. Mit acht Jahren begann er die Börsenbücher seines Vaters zu lesen und die Berufsrichtung war frühzeitig festgelegt
Benjamin Graham veröffentlichte 1934 gemeinsam mit David L. Dodd das Buch „Security Analysis“ (Die Geheimnisse der Wertpapieranalyse), welches Buffett im Kindesalter las.
1949 erschien ein weiteres Buch von Graham mit dem Namen „The Intelligent Investor“. Für Buffett gilt dieses Buch heute noch als eines der besten Bücher, das jemals für Analysten geschrieben wurde.
Es gilt als Auslöser für Buffetts Entscheidung bei Graham studieren zu wollen.
Die Chemie zwischen beiden stimmte sofort, so dass Graham dem jungen Buffett nach dessen Studienabschluss einen Arbeitsplatz in seinem Unternehmen anbot. Als sich Graham zur Ruhe setzte, ging Buffett nach Omaha zurück und eröffnete eine Investmentgesellschaft. 1965 erwarb Buffett das Textilunternehmen Berkshire Hathaway. Jedoch wendete sich Berkshire Hathaway mit Buffett an der Unternehmensspitze mehr und mehr vom Textilgeschäft ab und erwarb diverse Unternehmen und Beteiligungen. Die A-Aktie von Berkshire Hathaway wird mit einem Kurs von momentan 95.991,12$ (Stand: 8.06.2012; 19:15Uhr) gehandelt.
3.3.2. Die Grundeinstellung zur Aktie
Für beide Investoren stellt eine Aktie immer ein Miteigentum an einem Unternehmen dar. Es spielt keine Rolle, ob nur eine Aktie oder ein Unternehmen gekauft wird. Beide Vorgänge machen sie zu einem Besitzer des Unternehmens und aus diesem Grund sind Kriterien zu beachten, die auch ein Eigentümer an sein Unternehmen stellt.
Die jeweilige Aktie hat einen Wert, der nicht vom Kurs der Aktie abhängt. Somit kann die Aktie über oder unter dem Wert gehandelt werden und der Markt ist entweder zu optimistisch oder zu pessimistisch.
3.3.3. Kernaussagen der Anlagestrategien
3.3.3.1. Die Personifizierung des Mr. Market
Graham hatte sich jahrelang mit der Psychologie von Anlegern auseinandergesetzt und kam zu dem Schluss, dass „das größte Problem eines
Investors, und auch sein schlimmster Feind – wahrscheinlich er selbst“[23] sei. Er ist der Meinung, dass ein guter Anleger psychologische Eigenschaften wie Geduld, Disziplin und Lernfähigkeit vorweisen sollte. Er sollte die psychische Stärke besitzen der Irrationalität der Märkte zu widerstehen. „Spekulative Kursbewegungen ... [schlagen]...in beide Richtungen, nach oben und nach unten, häufig zu weit ... [aus]. Dies gilt oft für den gesamten Markt, immer aber für einzelne Titel. Außerdem kann eine Aktie unterbewertet sein, weil sich niemand für sie interessiert oder weil es ungerechtfertigte, verbreitete Vorurteile gegen sie gibt. [Es herrscht]...eine Diskrepanz zwischen Kurs und Wert.“[24]
Beide Investoren vertreten somit die Meinung, dass die Märkte kurzfristig unberechenbaren Schwankungen unterliegen, welche auf menschlichen Reaktionen beruhen. Diese können nicht vorhergesagt werden, da die Psychologie der Anleger diese kurzfristig bestimmen.
Langfristig werden aber umfangreiche Untersuchungen einer unterbewerteten Aktie einen fairen Wert rechtfertigen.
Graham personifiziert die Börsenschwankungen in Form des so genannten Mr. Market. Jeden Tag sagt Mr. Market was eine Aktie wert ist und bietet Kauf- und Verkaufskurse an. Er ist launisch und das, was er anbietet kommt einem geschulten Investor oft irrational vor. Diese Stimmungsschwankungen reichen von übertriebener Freude bis zur tiefen Verzweiflung und es ergeben sich teure und billige Kurse. Dadurch, dass ein geschulter Investor darauf nicht eingehen muss, den fairen Wert (innerer Wert) seiner Anteile kennt, wird er nur mit Mr. Market ein weiteres Geschäft eingehen, wenn sich beide einig sind. Bietet er einen übertrieben hohen Preis an, sollte verkauft und nicht gekauft werden. Bietet er einen zu geringen Preis an, sollte gekauft und nicht verkauft werden. Die restliche Zeit sollte den Zahlen und Informationen des Unternehmens gewidmet werden. Langfristig wird auch der Markt erkennen, wie viel ein Unternehmen wert ist.
„Graham warnte seine Studenten: ... Wenn Mr. Market in verrückter Stimmung ankommt, steht es einem frei, ihn zu ignorieren oder ihn auszunutzen, aber wenn man unter seinen Einfluss gerät, wird das katastrophal.“[25]
Der Begriff Mr. Market findet heutzutage genauso Platz in den Aktionärsbriefen Buffetts. Der richtige Umgang mit Mr. Market nach Graham stellte eine wichtige Lerneinheit für Buffett dar. Beide teilten die Ansicht, dass der Markt zu einem Großteil aus Psychologie besteht, welche selten auf Fakten beruht.
3.3.3.2. Der Unterschied von Investition und Spekulation
Ein nächster Kernpunkt der Arbeit Grahams besteht in der konsequenten begrifflichen Trennung von Investition und Spekulation, welche in seiner Zeit neuartig war.
Graham schrieb: „Eine Kapitalanlage [hier Investition] liegt dann vor, wenn sie nach gründlicher Analyse die Sicherheit des eingesetzten Kapitals und einen angemessenen Gewinn verspricht. Anlagen, die diesen Kriterien nicht entsprechen sind spekulativ.“[26] Die Analyse umfasst das Untersuchen aller vorhandenen Fakten mit dem Ziel logische Schlussfolgerungen ziehen zu können und so nicht den Turbulenzen am Markt ausgeliefert sein zu müssen.
Graham räumt ein, dass die angestrebte Sicherheit nie vollkommen sein kann, denn jede Handlung hat ein spekulatives Element. Sie stellt eher einen Schutz vor hohen Kapitalverlusten dar, den es zu vermeiden gilt.
Die Akteure an der Börse können demnach als...