In der Fachliteratur und in der Praxis ist es bisher nicht zu einer eindeutigen Definition der Begriffe „Führung“ und „Macht“ gekommen, weshalb dieser Abschlussarbeit eine genaue Erläuterung der Begriffe vorangestellt wird. Außerdem wird der Begriff „Autorität“ vom Begriff „Macht“ abgegrenzt.
In den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften wird zwischen „Personalführung“ und „Unternehmensführung“ unterschieden. Letzteres beschreibt einen mehrstufigen Prozess, der die zielorientierte Planung, die Entscheidung für die optimale Alternative, die Ausführung und die Kontrolle innerhalb eines Unternehmens umfasst (Wöhe, 2005, S.129).
Ausgangspunkt für die vorliegende Arbeit bildet „Führung“ im Sinne der „Personalführung“.
Von Rosenstiel, Regnet und Domsch (2003) entwarfen zum Verständnis das Rahmenmodell der Führung, welches in Abbildung 2.1. dargestellt ist.
Abbildung 2.1. Rahmenmodell Führung
(Abbildung verändert aus von Rosenstiel et al., 2003, S.9, eigene Darstellung)
Führung als solches wurde erstmals von Robert Bales (1949) im Rahmen eines Gruppenexperiments beobachtet und versteht sich als einen beeinflussenden asymmetrisch ausgerichteten Prozess. Demnach ist hier (im Rahmen der Mitarbeiter- bzw. Personalführung) die zielbezogene soziale Einflussnahme von Führungskräften auf ihre Mitarbeiter in Organisationen gemeint (Vgl. Felfe, 2012) (Vgl. von Rosenstiel, 2003).
„»The ultimate question is not ›What is leadership?‹ but ›What is good leadership?‹«”(Ciulla, 1995, S.5). Oder vielmehr: Welches Führungsverhalten ist effektiv und zielführend und wird optimalerweise von Mitarbeitern und Kollegen akzeptiert.
Der 1469 geborene italienische Philosoph Niccolo Machiavelli lehrte in seinem Buch „der Fürst“ folgende Theorie:
[…] Ein Fürst darf die Nachrede der Grausamkeit nicht scheuen, […] Keineswegs darf er zu leichtgläubig oder zu mitleidig sein […], damit ihn weder zu großes Vertrauen unvorsichtig noch zu großes Mißtrauen [sic] unerträglich mache […], so ist es weit sicherer, gefürchtet als geliebt zu werden. […] (Machiavelli, N., 1990, S. 82 f.).
Diese Theorie vertrat die Auffassung, dass man nur erfolgreich führen könne, wenn man bereit war, hart und rücksichtslos zu handeln (Weibler, 2012, S. 630). In der heutigen Zeit wäre dies nur schwer umsetzbar. Will man doch als Führungskraft nicht nur erfolgreich bzw. effektiv sein, sondern auch von Mitarbeitern und Kollegen akzeptiert werden.
Eine tragende Rolle in der Führungsforschung nimmt die amerikanische Wissenschaftlerin Barbara Kellerman ein. Kellerman (2004; S. 34 ff.) prägte die Forschungsrichtung der „Bad Leadership“. Den Kontrast bildet nach Kellerman (2004) die „light side of leadership“, zu der sie folgende These aufstellte: „we presume that to be a leader is to do good and to be good“.
Führung 2.0 berücksichtigt Einflussfaktoren, wie den dynamischen Gebrauch der modernen Medien, die Erhöhung der unternehmerischen Veränderungsgeschwindigkeit sowie das globale Zusammenarbeiten (Vgl. Aron-Weidlich, 2012). Weitere Faktoren finden sich in der Abbildung 2.2.
Abbildung 2.2 Herausforderungen in der Führungsarbeit
(Abbildung verändert aus Aron-Weidlich, 2012, S. 9, eigene Darstellung)
Hier ist bereits zu erkennen, dass das Verständnis von Führung sich über die Jahrzehnte stark verändert hat, wenn man die modernen Anforderungen an Führungskräfte betrachtet, die sich aus den aktuellen Einflussfaktoren ableiten lassen.
Führung als Ganzes kann demnach nicht (mehr) in „gut“ oder „schlecht“, “schwarz” oder “weiß” kategorisiert werden.
„Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht“ (Lincoln, n.d.).
Macht als solches hat für viele einen negativen Beigeschmack, weil sie von Führungskräften und Managern in Unternehmen immer wieder missbraucht wird. Weber (1990, S. 28) definiert Macht entsprechend als das Ausnutzen jeder Chance, die sich innerhalb einer sozialen Beziehung bietet, den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen. Vereinfacht nach Dahl (1957, S. 202 f.) bedeutet das, dass Person A insoweit Macht über Person B hat, als dass sie Person B dazu bringen kann, etwas zu tun, das Person B sonst nicht tun würde.
Jede Führungskraft hat in irgendeiner Form Macht. Sie braucht auch (Entscheidungs- und (Gestaltungs-) Macht, um im Idealfall gemeinsam mit ihrem Team, ihren Mitarbeitern ihre Ziele zu erfüllen. Ass et al. (2014, S. 90) schreiben in ihrer Studie:
“[…] Power is a tool used every day in organizations, and moreover organizations would not exist without power relations. To have things done leaders need to influence others. This means that power is a very important tool in achieving organizational goals and objectives […].”
Es gilt also nicht, die Mitarbeiter durch Machteinfluss in ihrer persönlichen Entfaltung im Arbeitskontext zu hemmen oder gar zu unterdrücken. In einer Studie zeigen Case & Maner (2013), dass dies oft der Fall ist. Probanden, die innerhalb eines Rollenspiels, die Rollenbeschreibung „Führungskraft“ bekamen, hielten Informationen strategisch zurück, um Ihre Rolle als Führungskraft in der Gruppe zu schützen, auch auf die Gefahr hin, dass die Gruppe als Ganzes schlechter performt.
Es ist also nur schwer möglich, über „leadership“ zu sprechen, ohne „Macht“ mit zu berücksichtigen (Vgl. Shackleton, 1995, S. 72).
French und Raven (1959) haben insgesamt 6 Machtbasen bzw. Machtformen im Rahmen ihrer Forschungen entwickelt, auf denen Macht im Führungskontext basieren kann. Eine Übersicht gibt die Tabelle 2.1.
Tabelle 2.1 Machtformen nach French und Raven
(Tabelle verändert aus French und Raven, 1959, S. 151 ff.; Raven, Schwarzwald & Koslowsky 1998, S. 308, eigene Darstellung)
Ursprünglich definierten French und Raven (1959) fünf Machtbasen. Diese wurden ebenfalls von Bachmann, Smith und Slesinger (Vgl. 1966, S. 130) unterstützt. Die Sechste „Macht durch Information“ definierte Raven auf Basis seiner Forschungen im Jahre 1965 (Raven, Schwarzwald & Koslowsky 1998, S. 308). Weitere Untersuchungen durch Raven (1998) mit den Psychologen Joseph Schwarzwald und Meni Koslowsky von der Bar Ilan University ergaben insgesamt 11 Machtbasen. Identifiziert wurden keine faktisch neuen Machtformen. Die zusätzlichen Fünf ergaben sich durch die Differenzierung von bereits definierten Basen. Die Tabelle 2.2. zeigt die 1998 zusätzlich definierten Machtformen.
Tabelle 2.2 Differenzierte Machtformen nach Raven, Schwarzwald & Koslowsky
(Tabbelle verändert aus Raven, Schwarzwald & Koslowsky, 1998, S. 307, S. 322, eigene Darstellung)
Im Rahmen ihrer Forschungen führten Raven und Kollegen (1998, S. 307) außerdem eine Studie mit 317 amerikanischen Studenten durch und untersuchten, inwieweit es einen Zusammenhang zwischen den einzelnen Machtbasen und dem erfolgreichen Einfluss einer Führungskraft auf einen „Untergebenen“ gibt. Die Probanden wurden gebeten, an eine Situation zu denken, in der ihr Vorgesetzter sie aufgefordert hat, ihre Arbeit auf eine bestimmte Art und Weise zu verrichten und sie der Anweisung gefolgt sind. Im Folgenden mussten sie einen skalierten Fragebogen (1=kein Grund, 7=definitiv ein Grund) mit möglichen Gründen, die sie dazu bewegt haben könnten, der Anweisung Folge zu leisten, beantworten.
Die spätere Faktorenanalyse ergab 7 Faktoren und 2 Kategorien von Basen: harte und weiche. In einer zweiten Studie gelang es Raven et al. (1998), die früheren Ergebnisse zu stützen. Die Tabelle 2.3. stellt die Ergebnisse dar.
Tabelle 2.3 Zweidimensionale Struktur der 11 Machtformen nach Raven et al.
(Tabelle verändert aus Raven, Schwarzwald & Koslowsky 1998, S. 315 f., eigene Darstellung
Zwischenzeitlich identifizierten Yukl und Falbe (1991) außerdem Überzeugungskraft (im Englischen: persuasivenes) und Charisma als Machtquellen.
However, their definition of persuasivenes (being convinced by a person’s logical argument) overlaps with Raven's (1992) definition of information. Charisma may be seen as a projected character trait which is probably closely related to the use of referent power but may also contribute to legitimate and expert power. (Raven et al., 1998, S. 309)
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