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Wir Berliner!

Prominente über Prominente. 33 x Bewunderung, Staunen, heimliche Liebe

AutorAdriana Altaras, Christoph Stölzl, Elisabeth, Irene Bazinger, Peter Raue, Peter von Becker, Udo Walz
VerlagVerlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl336 Seiten
ISBN9783838758831
Altersgruppe16 – 
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR

Wenn Udo Walz über Marlene Dietrich schreibt, Katharina Thalbach über Helene Weigel, Gregor Gysi über Rosa Luxemburg, Peter Schneider über Axel Springer, Christoph Stölzl über Heinrich Zille, Peter Raue über James Simon, Irene Bazinger über Knut und Klaus-Dieter Lehmann über Nofretete - dann kann das nur faszinierend und unterhaltsam werden.

Die Journalistin Irene Bazinger und der renommierte Kunstanwalt Peter Raue haben prominente Lokalpatrioten über deren liebste Berliner schreiben lassen. Herausgekommen sind überraschende und originelle Wahlverwandtschaften, ein Reigen besonderer Berliner Köpfe aus Politik, Wissenschaft und Kultur.

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Leseprobe

DER PUBLIZIST UND DER PHYSIKER


PETER VON BECKER über ALBERT EINSTEIN

Ohne Humor sind wir unerträglich

I


Immer wieder möchte man die stummen Dinge zum Reden bringen. Hier den Schreibtisch, an dem der gerade 26-jährige »Technische Experte III. Klasse« im Eidgenössischen Patentamt zu Bern in seinem Wunderjahr 1905 gesessen haben soll. Dort Albert Einsteins Lieblingssessel oder die Standuhr mit den Eisengewichten, die im Wohnzimmer in Berlin und später in Princeton dem Einstein-Clan die Stunde geschlagen hat. Wir fahren mit der Hand über das Holz, pochen an die Wurmlöcher und imaginieren uns à la Proust eine Madeleine der verlorenen, der wiedergefundenen Zeit.

Natürlich lebt Albert Einstein zuallererst fort in seinen Theorien, Aufsätzen, Reden, Briefen. Aufgehoben ist das Denken und Fühlen des Jahrhundertgenies zudem in den Konvoluten von Manuskript-Mappen, Aktenordnern und Kartons, die heute als Einsteins Erbe in der Hebräischen Universität Jerusalem verwahrt werden.

Eine Schar schwer bewaffneter israelischer Soldaten hatte das Archiv aus dem Institute for Advanced Study, Einsteins Arbeitsstätte in seinen letzten 22 Jahren, während einer Dezembernacht 1981 auf einen Lkw verladen und Stunden später nach Tel Aviv geflogen. Das war Israels vermutlich einziger offizieller Truppeneinsatz auf amerikanischem Boden – um 26 Jahre nach Einsteins Tod ein wenig verspätet seinen letzten Willen zu erfüllen. Sechs Wochen später starb Helen Dukas, Einsteins Privatsekretärin seit Berliner Zeiten, die bis dahin sein Archiv in Princeton verwaltet hatte.

Was jedoch ist jenseits der Gedankenwelt noch geblieben an originalen Spuren, an authentischen Orten?

Es gibt ein paar verstreute Erinnerungsstätten, aber kein wirkliches Albert-Einstein-Museum. Das entspricht Einsteins Wunsch. Der jahrzehntelang von Verehrern, Bittstellern und Wichtigtuern aus der ganzen Welt genervte Mann wollte nicht auch noch posthum zur Wallfahrt dienen; ihm grauste vor einem Einstein-Schrein.

Sein halbes Leben lang war er nach eigenen Worten ohnehin ein »Zigeuner« gewesen – mit festen Adressen zwar, aber, seine Bücher und Papiere ausgenommen, fast ohne bürgerlichen Besitz. In 76 Jahren hatte er 26 zumeist möblierte Wohnungen und spät erst zwei Häuser. Allein in Bern, wo zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Spezielle Relativitätstheorie entstand, ist er zwischen 1902 und 1906 sechsmal umgezogen. Nur an zwei Orten überhaupt hat Albert Einstein länger gelebt: in Berlin, von 1914 bis 1933, und danach, bis zu seinem Tod 1955, in Princeton, der kleinen, feinen Universitätsstadt, eine Zugstunde südlich von New York.

II


Alles begann naturgemäß – mit dem Geburtshaus. Doch von der Adresse Bahnhofstraße 135 B im Jahr 1879 in Ulm ist kein Stein mehr geblieben. Schon im nächsten Jahr zog die Familie nach München, dann nach Italien, und Sohn Albert ging in München und später im Schweizer Aarau zur Schule, studierte am Polytechnikum Zürich, scheiterte zunächst mit einer Dissertation, schlug sich als Hauslehrer durch und heiratete 1903, inzwischen beim Berner Patentamt angestellt, seine erste Frau Mileva. 1904 wurde Hans Albert, der erste von zwei Einstein-Söhnen, geboren.

Über 100 Jahre später freilich kommt man Einstein inmitten der Berner Altstadt noch unverhofft nah.

Kramgasse 49. Unweit des Uhrenturms, des Berner Wahrzeichens, an der Hauptstraße der spätmittelalterlichen Innenstadt steht in der trutzigen Häuserzeile die Nummer 49: vier Geschosse, aber nur je ein Zimmer breit. Solche schmalen Häuser finden sich sonst eher an Kanälen und Grachten. Hier im Einstein-Haus wird an den berühmten Bewohner schon seit 1979, dem Jahr seines 100. Geburtstags, erinnert. Aber von 2005 an, ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod, sollte alles noch schöner und originaler werden.

Also hat die Berner Einstein-Gesellschaft das gut 500-jährige Haus vollkommen saniert. Auf die schönen alten Deckenbohlen im Treppenaufgang hat man als kosmisches Entree eine Hinterglas-Illumination der Galaxie montiert. Eigentlich schade, so viel moderner Schick. Aber im kleinen Schauraum im ersten Stock freut man sich an den wenigen Originalen – Einsteins Schreibtisch aus dem Patentamt, ein von ihm für Kinder gebastelter Drachen und sein Schweizer Pass. Ein Mini-Museum des großen Geistes.

Wirklich berührend ist indes Albert und Mileva Einsteins Wohnung im zweiten Stock. Eine Wendeltreppe führt hinauf, dann betreten wir, durch die Haustür und über die Dielen seiner Zeit, eine Drei-, nein, eigentlich nur eine Zweieinhalbzimmerwohnung. Links zum Hinterhof das kleine Schlafzimmer mit einem Kachelofen. Der ist die einzige Heizung. Ein fensterloser Durchgang, erwärmt durch die Rückseite des Ofens, war das Kinderzimmer von Hans Albert; von dort oder vom Flur aus geht es ins hübsche, doch unbeheizte und im Winter schneidend kalte Wohn- und Arbeitszimmer Einsteins. Zwei Fenster zur Kramgasse, kein Kamin, aber ein bisschen barocker Stuck, und die Pflanzentapete ist nach alten Fotos originalgetreu nachgepinselt worden. Von Leihgebern hat man einige Biedermeier-Möbel erhalten, die den Eindruck der bürgerlichen Bescheidenheit von einst ganz stimmungsvoll vermitteln. Einsteins Küche und Klo nach hinten raus, über den Gang, geteilt mit den Bewohnern der Hofwohnung (bei meinem Besuch logierte da ein Haute-Couture-Atelier). Im Jahr 2012 hat ein größerer Wasserschaden Haus und Andenken beschädigt, aber nach einjähriger Renovierung und abermaliger Restaurierung ist das Berner Einstein-Haus seit Februar 2013 wieder neu im alten Stil geöffnet.

Man spürt: Hier lebte der berühmteste Kopf des 20. Jahrhunderts in einer historischen Weltsekunde – als Genie vor seiner Entdeckung. In der krähwinkelhaft kleinbürgerlichen Enge entwickelte er im Jahr 1905, bei Kindergeschrei und noch in Kälte und Halbdunkel, jene Gedankenblitze, die die Welt und das wissenschaftliche Universum bald erleuchten und erweitern sollten wie nichts zuvor.

Die letzte der vier Studien jenes annus mirabilis, seine Gedanken zur Äquivalenz von Masse und Energie (mit der berühmten Formel E = mc²), hatte der noch immer unpromovierte Feierabendphysiker freilich schon wieder aus einer anderen Wohnung geschickt. Wir fahren in den außerhalb der Altstadt gelegenen früheren Besenscheuerweg, der heute Tscharnerstrasse heißt. Dort hält mich der Taxifahrer für leicht meschugge, als ich andächtig auf eine heruntergekommene Neubausiedlung gegenüber einem Busdepot starre. Nichts ist geblieben, es gibt nicht einmal ein Hinweisschild. Und die unschweizerisch ärmliche Tscharnerstrasse heißt schon ein paar Häuser weiter: Konsumstrasse.

 

PETER VON BECKER

Er wurde 1947 in Mannheim geboren, ist promovierter Jurist, jedoch bekannt geworden als Kulturjournalist, Kritiker und Schriftsteller. Bis 1997 war er Mitherausgeber der Zeitschrift Theater heute in BERLIN. Zwischen 1997 und 2005 leitete er die Kulturredaktion des BERLINer Tagesspiegel, dessen Kulturautor er weiter ist. Seit 2003 lehrt er als Honorarprofessor an der Universität der Künste BERLIN.

 

Zurück also in die Mitte Berns. Zum ehemaligen Patentamt. Das massige Gründerzeitgebäude in der Speichergasse 6, Ecke Genfergasse, ragt als steinernes Tortenstück vor und sieht fast noch so aus wie auf den Fotos um 1905, nur der Dachgiebel und eine Turmhaube wurden abgenommen. Zwischenzeitlich war es die Hauptverwaltung des Telekommunikationsunternehmens Swisscom, seit dem Sommer 2008 ist es das Haus der Kantone, eine von Finanz- und Justizdirektionen bestückte Zentrale der Schweizer Konföderation. Gleich im Foyer findet sich eine Tafel, auf der steht, dass Albert Einstein in diesem Haus »von 1902 bis 1905« gearbeitet hat. Allen rot marmorierten Säulen und vergoldeten Kapitellen in den Treppenhäusern zum Trotz sind die Büros von ernüchternder Heutigkeit. Einsteins Zimmer 86 im rechten Seitenflügel, vierte Tür im dritten Stock, trägt inzwischen eine neue Beschriftung, und in dem vier mal sechseinhalb Meter messenden Raum dürften die jüngeren Staatsangestellten kaum noch wissen, wer hier einst, wenn es die Aktenlage zuließ, über die Grundlagen des Universums nachsann. Der Blick über die Dächer geht freilich wie zu Zeiten des jungen Einstein hinüber auf einen Hügel mit dem Physikalischen Institut der Universität Bern. So hatte der an 48 Wochenstunden mit Patentanträgen beschäftigte künftige Starphysiker seine Zukunft schon vor Augen 

III


Der Sprung nach Berlin. In den Weltruhm. Einsteins Berliner Jahre markieren vom Ausbruch des Ersten Weltkrieges bis zum Anbruch der Naziherrschaft eine ganze Epoche. In dieser Zeit wird der Wissenschaftler als Pazifist auch zur politischen Figur.

Privat zerbricht die Ehe mit Mileva. Einstein, während des Krieges erkrankt, zieht, nach anfänglichen Quartieren im (damals noch vorörtlich abgelegenen) Dahlem und in der Wittelsbacherstraße in Wilmersdorf, der Pflege und Triebe wegen 1917 zu seiner Cousine Elsa. Die beiden Geschiedenen heiraten, nachdem der eher eheskeptische Einstein zunächst zögert, zwei Jahre später.

Ab Oktober 1917 ist der inzwischen international umworbene Professor ohne Lehrverpflichtung auch Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik. Doch weil das Institut kein eigenes Haus hat, residiert es faktisch in Einsteins Arbeitszimmer, seinem »Turm«, einer Mansarde oberhalb jener nun erstmals großbürgerlichen Achtzimmerwohnung in der Haberlandstraße 5 in Schöneberg.

Das Haus gehörte Elsas Familie. Doch hier im Turmzimmer darf Einstein...

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