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Wir hätten gewarnt sein können

Donald Trumps Sicht auf die Welt

AutorBrendan Simms, Charlie Laderman
VerlagDeutsche Verlags-Anstalt
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783641218928
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Wie unberechenbar ist Donald Trump wirklich? Was wir von dem US-Präsidenten zu erwarten haben
Donald Trump erscheint vielen als Politiker, der das Handwerk nicht beherrscht und dessen politische Äußerungen impulsiv und widersprüchlich sind. Doch damit unterliegen wir einem Trugschluss. In einer scharfsinnigen Analyse zeigen die Historiker Brendan Simms und Charlie Laderman, dass Donald Trump seit seinen ersten öffentlichen Äußerungen in den Achtzigerjahren beharrlich eine Linie verfolgt: Amerika, das von aller Welt ausgenutzt wird, wieder den nötigen Respekt zu verschaffen und zu alter Größe zu führen. Und dafür braucht es, nach den vorhergehenden Versagern im Amt, einen starken Präsidenten: Donald Trump. Ein erhellender Einblick in Trumps weltpolitische Vorstellungen.

Brendan Simms, geboren 1967, ist Professor für die Geschichte der internationalen Beziehungen an der Universität Cambridge. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Geopolitik Europas und die Geschichte Deutschlands im europäischen Kontext. Er publiziert in Zeitschriften und Zeitungen zu aktuellen geo- und europapolitischen Themen und ist Autor zahlreicher Bücher, die breite Beachtung fanden, darunter »Die Briten und Europa. Tausend Jahre Konflikt und Kooperation« (2018) und »Hitler. Eine globale Biographie« (2020).

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Leseprobe

Vorwort

Zum Narren gehalten

Als Donald Trump am 14. Juli 1946 geboren wurde, besaßen die Vereinigten Staaten eine beispiellose Macht. Sie waren aus dem Zweiten Weltkrieg als reichste und stärkste Nation der Welt hervorgegangen. Als einzige der Großmächte waren sie nach dem Krieg nicht viel ärmer, sondern um vieles reicher als vorher, und ihr Lebensstandard war höher als der jedes anderen Landes. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf übertraf dasjenige aller anderen Staaten. Mehr als die Hälfte der globalen Industrieproduktion und ein Drittel der weltweiten Güterproduktion stammten aus den Vereinigten Staaten. Auch verfügten sie über ein außergewöhnliches militärisches Arsenal. Ihre Marine war konkurrenzlos, die Luftmacht unerreicht, und sie besaßen damals als einziges Land die Atombombe – deren verheerende Zerstörungskraft soeben Hiroshima und Nagasaki dem Erdboden gleichgemacht hatte.1

In Trumps prägenden Jahren waren die Amerikaner jedoch gezwungen, sich mit der Tatsache anzufreunden, dass die Macht der Vereinigten Staaten zwar beachtlich war, aber ihre Grenzen hatte. Viele Amerikaner betrachten die 1950er Jahre im Rückblick als eine goldene Ära in der amerikanischen Geschichte, in der das Land sicher und voller Selbstvertrauen war und sich auf dem Höhepunkt seiner globalen Hegemonie befand. Doch als Harry Truman 1952 das Weiße Haus verließ, waren die Vereinigten Staaten in den Koreakrieg verstrickt, und die Amerikaner waren wütend auf ihre Regierung, beunruhigt über die Leistung ihrer Streitkräfte und besorgt um ihren Rang in der Welt. Trotz ihrer unvergleichlichen Macht und Prosperität fiel es den Vereinigten Staaten schwer, in Korea den Sieg zu erringen, und nachdem Mao Zedong 1949 in China ein kommunistisches Regime errichtet hatte, wurde der Regierung Truman vorgeworfen, das Land »verloren« zu haben. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahl von 1952 fasste der britische Historiker D. W. Brogan die in den USA herrschende Stimmung zusammen. Die Amerikaner, bemerkte er, könnten größtenteils nicht glauben, dass Amerikas Macht irgendeine Weltgegend nicht erreiche. Für deren Rückschläge machten sie vielmehr die Unfähigkeit ihrer gewählten und nicht gewählten Amtsträger verantwortlich. Viele Amerikaner hegten »die Illusion, dass eine Situation, die für die Vereinigten Staaten belastend oder gefährlich ist, nur eintritt, weil einige Amerikaner Narren oder Schurken gewesen sind«.2

Donald Trump ist ein Kind der 1950er Jahre, und genauso wie seine innenpolitische Agenda der damaligen Vorstellung vom amerikanischen Traum entspricht, spiegelt sich in seinem Weltbild die von Brogan beschriebene Mentalität wider. In Trumps Augen lässt sich nahezu jedes internationale Problem, von dem die Vereinigten Staaten geplagt werden, mit der Dummheit ihrer Führer erklären. Jahrzehntelang hat er behauptet, Amerikas Politiker ließen sich vom Rest der Welt über den Tisch ziehen. 1987 erklärte er in einem offenen Brief an das amerikanische Volk, mit dem er sich selbstbewusst zum ersten Mal in einer schriftlichen Äußerung in die amerikanische Politik einmischte: »Die Welt lacht über Amerikas Politiker.«3 Am selben Tag, an dem der Brief veröffentlicht wurde, sagte er in einem Interview mit Larry King im Fernsehsender CNN, andere Länder würden »hinter unserem Rücken über uns [lachen]; sie lachen über uns wegen unserer Dummheit und [derjenigen unserer] Führer«.4 Diesen Refrain hat er seitdem ständig wiederholt.

In der festen Überzeugung, die Vereinigten Staaten kämen im Welthandel schlecht weg, erklärte Trump: »Der Freihandel kann wunderbare sein, wenn man kluge Leute hat, aber wir haben Leute, die dumm sind. Wir haben Leute, die nicht klug sind.«5 In ihren Bündnissen, sagte er, würden die Vereinigten Staaten unentgeltlich »reiche Länder beschützen, Länder, die innerhalb von nur 15 Minuten von dieser Welt getilgt würden, wenn wir nicht wären«; während die Amerikaner »von der ganzen Welt ausgelacht« werden.6 Was Amerikas Einwanderungspolitik angehe, lache Mexiko über Amerika, »über unsere Dummheit«.7 In der Umweltpolitik würden sich die Vereinigten Staaten an internationale Vorschriften halten – während »China und andere Länder einfach alles verbrennen, was gerade zur Hand ist« –, weil »unsere Führer dumm sind; sie sind dumme Leute«.8 Als in den 1980er und 1990er Jahren der Erdölpreis stieg, behauptete Trump, dass »das Kartell« den Preis in die Höhe trieb, »weil sie wieder einmal klüger waren als unsere Führer«.9 Für die Tatsache schließlich, dass die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten sich nicht an irakischem Erdöl »schadlos hielten«, bevor sie im Jahr 2011 aus dem Land abzogen, gab es nach seiner Ansicht nur einen Grund: »Unsere Politiker sind so dumm, dass sie nicht einmal daran gedacht haben.«10 Jahrzehntelang hat Trump, unter demokratischen ebenso wie unter republikanischen Regierungen, buchstäblich jede internationale Entwicklung mit negativen Folgen für die Vereinigten Staaten der angeblichen Dummheit ihrer politischen Führung angelastet.

Laut Trump hat diese Idiotie die Vereinigten Staaten zum ewigen Verlierer auf dem Weltparkett gemacht. Wie die Amerikaner, die in den 1950er Jahren enttäuscht waren, dass in Korea kein deutlicher Sieg erreicht wurde, hat Trump ständig geklagt: »Wir gewinnen nicht mehr.« Ein Beispiel von vielen ist die Rede, mit der er 2015 seine Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur bekanntgab; bei diesem Anlass verkündete er: »Wir haben keine Siege mehr. Früher hatten wir Siege, aber wir haben sie nicht [mehr].«11 Bei den Wählern kam er damit an, weil seit dem Koreakrieg viele Amerikaner seine Verwirrung und Empörung darüber teilten, dass sich die überwältigende militärische und ökonomische Macht Amerikas nicht in grandiosen Siegen niederschlug. Das klarste Beispiel war der Krieg in Vietnam, wo die Vereinigten Staaten trotz einer Expeditionsarmee von einer halben Million Mann und trotz technologischer Überlegenheit und Erfolgen in konventionellen Schlachten schließlich zu einem beschämenden Rückzug gezwungen waren. Selbst wenn sie einen Gegner zermalmten, wie im Zweiten Golfkrieg, erwies sich der eindeutige Sieg als flüchtig. Immerhin ist seither eine große Zahl amerikanischer Soldaten im Nahen Osten stationiert. Und seit dem 11. September 2001 befinden sich die Vereinigten Staaten in einem »Krieg gegen den Terror«, der scheinbar endlose militärische Einsätze im Ausland nötig macht. Für Trump, der 1980 in einem Interview mit Rona Barrett erklärte, er betrachte das Leben als »Kampf«, ist ein endloses Ringen mit unklarem Ausgang inakzeptabel.12

Damit die Vereinigten Staaten wieder zum »Gewinner« werden und ihre »Größe« wieder geltend machen, bedarf es nach seiner Ansicht lediglich einer wirksamen Führung. »Ich glaube«, hat er vor dreißig Jahren gegenüber Rona Barrett erklärt, »dass dieses Land mit der richtigen Führung werden kann, was es einmal war, und ich hoffe, ich hoffe gewiss, dass es wird, was es sein sollte.«13 1987 schaltete er in drei großen amerikanischen Tageszeitungen eine ganzseitige Anzeige, um diese Ansichten zu verbreiten. Ihre Überschrift verkündete: »An Amerikas Verteidigungspolitik ist nichts falsch, was ein bisschen Rückgrat nicht kurieren könnte.«14

Trump glaubt an die Macht menschlichen Handelns, einen fundamentalen Wandel herbeizuführen, insbesondere wenn er selbst der Handelnde ist. »Menschen brauchen [ein Ego]«, erklärte er 1990 im Interview mit dem Playboy, »ganze Nationen brauchen es. Ich denke, unser Land braucht mehr Ego, weil wir von unseren sogenannten Verbündeten … übers Ohr gehauen werden.«15 Nachdem er viele Jahre mit der Präsidentschaft geliebäugelt hatte, verkündete er 2015: »Unser Land braucht einen wahrhaft großen Führer, und wir brauchen jetzt einen wahrhaft großen Führer. Wir brauchen einen Führer, der Die Kunst des Erfolges geschrieben hat.«16 Ihm war eins völlig klar, wie er es 2016 auf dem Parteitag der Republikaner ausdrückte, auf dem er seine Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten annahm: »Ich allein kann es richten.«17 Nachdem er jahrzehntelang die führenden Politiker Amerikas als Dummköpfe abgekanzelt hat, muss Trump jetzt beweisen, dass er ihren Job besser erledigen kann.

Für seine Gegner ist Trump jedoch der wahre Dummkopf. Sie haben ihn wiederholt als Witzfigur, als Clown oder modernen P. T. Barnum verlacht, der schamlos jeden PR-Trick nutzt, um im Licht der Öffentlichkeit zu bleiben. Er versteht sich selbst als Showman. Aber die Folge war, dass seine Kritiker es versäumten, sich ernsthaft mit seinem Weltbild befassen. Die Journalistin Salena Zito hat es während des Wahlkampfs von 2016 auf den Punkt gebracht:...

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