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Wir sind das Blech!

Die wunderbare Welt der Blechbläser

AutorReinhard Lassek
VerlagKreuz
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl140 Seiten
ISBN9783451346606
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
In welcher Tonart fielen die Mauern von Jericho? Warum ist jeder Posaunist ein Burgunder? Und wieso durfte Joseph Haydn keine Trompeter zu einer Bauernhochzeit einladen? Dieses Buch erzählt die glänzende Geschichte des Blechs vom Schofar bis zu German Brass und vergisst dabei keineswegs die kleinen, heiteren Geschichten am Rande. Instrumentenkunde und Wunderbares aus der Welt des Blechblasens inklusive. Ein Must-have für jeden Freund von Trompete, Tuba und Co.

Reinhard Lassek, Dr., geb. 1954, Pfarrerssohn, Wissenschaftsjournalist und Posaunenchorleiter in der dritten Generation, lebt in Celle.

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Leseprobe

I.
Bläserhistorie – die irdischen
Heerscharen in Kirche & Co


Evangelische Posaunenchöre


Herrnhuter Brüder


»Lobet den Herrn mit Posaunen!« – Das ist aus Sicht eines evangelischen Posaunenchorbläsers die entscheidende Botschaft des 150. Psalms. Gewiss, auch in katholischen Gottesdiensten kommen Trompeten und Posaunen zum Einsatz. Doch eine feste Institution sind die kirchlichen Blechbläser allein im evangelischen Milieu. Die irdischen Bläserheerscharen bilden eine der größten Laienbewegungen innerhalb des deutschen Protestantismus. Mehr als jede dritte evangelische Gemeinde hat einen Posaunenchor. Und es gehört zum Chorgeist, dass all diese »Posaunenchorler« unentgeltlich spielen. Ihr glänzendes Instrumentarium erklingt nicht nur zu liturgischen, sondern auch zu missionarischen, diakonischen oder sozialen Anlässen. Und trotz einer gewissen Bandbreite des Repertoires liegt der musikalische Schwerpunkt auf der Pflege des geistlichen Liedes – vom Reformations-Choral bis hin zum amerikanischen Spiritual.

Während sich der geistliche Auftrag mit dem Hinweis auf den 150. Psalm leicht als »Gotteslob« beschreiben lässt, ist die Herkunft der evangelischen Posaunenbewegung ein weitaus komplexeres Thema. Das Copyright für den Begriff, unter dem sich heute das gesamte evangelische Blech versammelt, liegt jedenfalls bei den Herrnhuter Brüdergemeinden – jener Gemeinschaft böhmischer Glaubensflüchtlinge und deutscher Pietisten, die sich im frühen 18. Jahrhundert in der Oberlausitz angesiedelt haben. Bereits 1764 ist in einem Synodalbeschluss der »Brüdergemeine« offiziell von einem »Posaunenchor« die Rede.

Über erste Anblasübungen der frommen Brüder wird jedoch schon ein paar Jahrzehnte zuvor berichtet. Im Herrnhuter Gemeindetagebuch findet sich am 1. Juni 1731 erstmals ein Eintrag über einen »Chor von Posaunisten«. Einer anderen Quelle nach stiften 1766 fünf musikbegeisterte »Bürger, Häusler und Weber« der Brüdergemeinde in Walddorf – ebenfalls im Kreis Görlitz gelegen – einen kompletten »Chor Posaunen«, bestehend aus Diskant-, Alt, Tenor- und Bassposaune. Diese Schenkung wird mit der Anmerkung versehen, dass die Posaunen dazu da sind, »damit die Sache selbst Gott zu Ehren und hiesiger Kirche zum Ruhm gereiche«.

Die Herrnhuter Posaunenchöre, so der Musikwissenschaftler Nils Niemann, sind »keine gewöhnlichen Kirchenmusikgruppen«, sondern »sicht- und hörbare Zeichen eines lebendigen christlichen Gemeinwesens«. Ein frühes Zeugnis dafür liefert der »Posaunistenchor« der Brüdergemeinde in Kittlitz – heute Stadtteil des sächsischen Löbau. Die Kittlitzer Bläser geben sich 1817 eine 46 Punkte umfassende Satzung, laut der es die vornehmste Aufgabe des Chores ist »a, den Namen Gottes sowohl selbst zu verherrlichen, als auch b, andere dazu zu ermuntern«.

Als Ermunterung gilt gewiss auch das Wecken am Ostermorgen. Auch hierfür liefern die Herrnhuter ein im doppelten Sinne frühes Vorbild: Nach dem Wecken um halb vier findet laut Gemeindetagebuch am 6. April 1738 erstmals eine Ostermorgen-Prozession mit Posaunen und anderen Instrumenten statt. Dass es notfalls auch mal ganz ohne Posaunen geht, bezeugt ein Brief aus einer Herrnhuter Siedlung im hessischen Marienborn. Dort heißt es 1739: Seitdem »mit Trompeten und Waldhörnern« musiziert wird, »laufen die Leute häufig herzu, und mancher Vogel, der um dass Pfeifen willen herbeigeflogen, wird angeschossen von den Pfeilen des Sündenfeuers durchs Wort vom Kreuz, dass sie nicht wissen, wie ihnen geschieht«.

Dem Selbstverständnis der Brüdergemeinde entsprechend sind der Posaunenmission also keinerlei Grenzen gesetzt. Und dank reger Missionstätigkeit erklingen die »Posaunen« alsbald auch bei den Brüdern und Schwestern in Übersee. In manchen Gemeinden spielt der Posaunenchor bis heute noch in jedem Gottesdienst.

Jünglinge und Missionare


Auch wenn die Herrnhuter zweifellos Pionierdienste leisten, die eigentlichen Quellen einer sich über ganz Deutschland ausbreitenden Posaunenwelle sprudeln nicht in der Oberlausitz, sondern in Westfalen sowie in Niedersachsen. Eine flächendeckende evangelische Posaunenarbeit bildet sich erst im engen Verbund mit der Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts heraus. Kennzeichen eines »erwecklichen« Glaubenslebens sind die persönliche Bekehrung sowie eine bewusst auf das Evangelium ausgerichtete Lebensführung. Die vielerorts entstehenden Bläserchöre festigen diese neue Frömmigkeit. Pietismus und Posaunenarbeit streben im Gleichschritt nach geistlicher Erneuerung.

Es gibt zwei große, selbstständige Entstehungszentren der Posaunenbewegung: zum einen die evangelischen »Jünglingsvereine« in Ostwestfalen-Lippe (die Vorläufer des CVJM), zum anderen die Hermannsburger Missionare in Niedersachsen. Der erste »Posaunenchor« wird 1843 im ostwestfälischen Jöllenbeck gegründet – heute ein Stadtbezirk Bielefelds. Der erste »Posaunenverein« hingegen entsteht in der Lüneburger Heide. 1849 wird ein auf Initiative von Theodor Harms im Hermannsburger Missionshaus gegründeter Singchor mit Blechblasinstrumenten ausgestattet. Sowohl die westfälischen »Posaunenchöre« als auch die niedersächsischen »Posaunenvereine« werden zum Modell für das übrige Deutschland.

Der Posaunenwind weht hierzulande also je nach Region entweder aus Westfalen oder aus Niedersachsen. Nach Forschungen des Theologen Wolfgang Schnabel gehen die jeweils ältesten Bläserchöre in Lippe, im Rheinland, in Hessen, in Schlesien, in Sachsen, in Hamburg, in Württemberg, in der Schweiz, in Baden und in Ostpreußen auf die Jünglingsvereine des Minden-Ravensberger Landes zurück. Die jeweils ältesten Chöre in Mecklenburg, in Bayern, in Oldenburg, in Braunschweig und in Schleswig-Holstein verdanken indes ihre Entstehung dem Hermannsburger Missionswerk. 1880 gibt es im Deutschen Reich bereits rund 160 Posaunenchöre mit insgesamt 2000 Bläsern. Und bereits 1933 kann »Posaunengeneral« Johannes Kuhlo voller Stolz feststellen: »Gott hat die Posaunenmission mit einem freundlichen Krescendo gesegnet. An die 30 000 Bläser verkünden in den christlichen Posaunenchören sein Lob.«

Heute vertritt der »Evangelische Posaunendienst in Deutschland« (EPiD e.V.) – als gemeinsame Dachorganisation von 29 eigenständigen Werken und Verbänden – knapp 7000 Posaunenchöre mit insgesamt über 120 000 Bläserinnen und Bläsern. Zum EPiD gehören selbstverständlich auch die Herrnhuter Brüdergemeinde (eigentlich »Brüdergemeine« genannt), aber auch die Posaunenchöre des Elsass – die »Association des Fanfares d’Eglise«. Und nicht nur Herkunft und Auftrag trennen das kirchliche vom nichtkirchlichen Blech. Auch die Besetzung ist im Vergleich etwa zu den Militärmusikkapellen oder anderen großen Amateurmusikensembles eine andere: Posaunenchöre sind reine Blechbläserensembles.

Posaunenväter


Dass sich so zahlreiche »Posaunen« in den Dienst des 150. Psalm stellen, ist gewiss das Verdienst vieler. Die Bewegung als Ganzes wird jedoch vor allem von drei herausragenden Persönlichkeiten geprägt. Zunächst vom »Posaunengeneral«, »Reichsposaunenwart« und später leider auch »Reichsposaunenführer« genannten Johannes Kuhlo sowie vom sächsischen »Posaunenvater« Adolf Müller. Und nach dem Zweiten Weltkrieg ist es insbesondere Wilhelm Ehmann – Professor an der Kirchenmusikschule Herford – der sich als Theoretiker und Praktiker kirchlicher Bläserarbeit einen Namen macht.

Johannes Kuhlo, Adolf Müller, Wilhelm Ehmann und noch so manch anderer mehr gelten als Posaunenväter. »Posaunenmütter« sind indes nicht vorgesehen. Bis 1945 bleiben Posaunenchöre reine (Jung)Männerbünde. Eine Ausnahme bilden in den 1920er Jahren die rein weiblich besetzten Posaunenchöre einiger Diakonissen-Häuser. Seitens der Posaunenwarte wird jedenfalls noch bis in die 1960er Jahre hinein gegen das »Mädchenblasen« polemisiert. Man warnt ganz allgemein vor »Zersetzungserscheinungen«, befürchtet insbesondere »sexualethische Probleme« und traut dem »schwachen Geschlecht« ganz allgemein keine »erwecklich« kraftvollen Töne zu. Irgendwann gerät »Mann« dann aber doch in Zugzwang, sodass nunmehr ganz selbstverständlich sowohl Mädchen und Jungen als auch Frauen und Männer im Posaunendienst stehen. Inzwischen ist wohl ein Fünftel aller Posaunenchorler weiblich. Dementsprechend gibt es nicht mehr nur Landesposaunenwarte, sondern auch Landesposaunenwartinnen.

Um den geistlichen Bläserauftrag in Verbindung zur Heilsgeschichte zu bringen, listet Johannes Kuhlo alle biblischen Trompeten-, Posaunen- und Hörnerstellen auf: Im Alten Testament sind es 65, in den Apokryphen 13 und im Neuen Testament 20. Seinen ersten glänzenden Auftritt hat das Blech demnach bei Moses. Doch der erste »Posaunenchor« erklingt erst in Jerusalem zu Zeiten König Davids. Nach der Zerstörung des Tempels durch die Römer folgt sodann eine 2000-jährige Generalpause – bis jene Jöllenbecker Erweckungsposaunisten das Schweigen der Bläser beenden.

Im »Posaunenchor« oder »Posaunenverein« kann auf die »Posaune« als Instrument notfalls verzichtet werden, nicht jedoch auf den Begriff. Denn Herkunft und Auftrag sind allemal wichtiger als die Besetzung. Schließlich ist es in der Lutherübersetzung stets die Posaune, die Entscheidendes zu verkünden hat. So heißt es etwa im 1. Thessalonicher 4,16 »Denn er selbst, der Herr wird, wenn der Befehl ertönt, wenn die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes erschallen, herabkommen vom Himmel, und zuerst werden die Toten, die in Christus gestorben sind,...

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