Kapitel 3 - Zurechenbarkeit wirtschaftlicher Betätigung von abhängigen Gesellschaften
Der Verein ist nach anerkannter Definition ein auf Dauer angelegter, körperlich organisierter Zusammenschluss von Personen, die einen gemeinsamen Zweck verfolgen.[7] Dabei ist die körperliche Organisation nach herrschender Ansicht[8] an drei Merkmalen erkennbar: Ein Gesamtname, eine Vertretung durch einen Vorstand und eine Verselbstständigung des Vereins in seinem Mitgliederbestand. Der so gebildete Verein erlangt die Rechtsfähigkeit entsprechend seines Zwecks nach unterschiedlichen, vom Gesetz angeordneten Systemen. Dabei erlangt der wirtschaftliche Verein i.S.v. § 22 BGB die Rechtsfähigkeit durch staatliche Konzession[9], wobei das Gesetz bei dem nichtwirtschaftlichen Verein i.S.v. § 21 BGB von einem System der Normativbestimmungen[10] ausgeht. Normativer Anknüpfungspunkt für die Eintragung eines nicht wirtschaftlichen Vereins nach § 21 BGB ist, ob der „Zweck“ des Vereins auf einen nichtwirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist.[11] Der beschriebene Vereinszweck geht somit über rein ideelle Zwecke hinaus. Die Bezeichnung „Idealverein“ ist streng genommen in ihrer Begrifflichkeit zu eng und nur historisch zu erklären. Bei der Ermittlung des Vereinszwecks ist neben dem Gesamtinhalt der Satzung insbesondere die tatsächliche Betätigung des Vereins zu berücksichtigen.[12]
Trotz der elementaren Bedeutung für Existenz, Rechtsform und Rechtsfähigkeit hat es der Gesetzgeber unterlassen, ein eindeutiges Abgrenzungskriterium zu wählen. Vielmehr hat er es der Judikatur und Jurisprudenz überlassen, der begrifflichen Ungenauigkeit des „wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs“ ein Gesicht zu geben. Welche Schwierigkeiten dies birgt, spiegelt sich in den divergierenden Ansätzen im Schrifttum wider.
Nach der gemischt subjektiv-objektiven Theorie kann ein Verein mit wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dennoch Idealverein sein, wenn er mit seinem Geschäftsbetrieb einen ideellen Hauptzweck verfolgt. Nur das kumulative Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs und eines ebenso wirtschaftlichen Hauptzwecks führt nach diesem Ansatz zur Einordnung als Wirtschaftsverein.[13] Die Ansicht war früher herrschend[14]. Sie entstand als vermittelnde Meinung aus der „subjektiven“ Theorie, die allein auf den wirtschaftlichen Gehalt des Vereinszwecks abstellte,[15] und der „objektiven“ Theorie, die hingegen allein auf die Vereinstätigkeit abstellte.[16] Dieser Definitionsversuch war in seiner Begrifflichkeit zu weit, so dass sich sowohl die Literatur als auch die Rechtsprechung auch wegen uneinheitlicher Auslegung und mangelnder Rechtssicherheit von dieser nach und nach abwandte.[17]
Die heute herrschende Meinung[18] beruft sich auf die von K. Schmidt entwickelte teleologisch-typologische Abgrenzung[19]. Ausgehend von seinem Normzweck erfüllt § 22 BGB eine Flankenschutzfunktion für die Normativbestimmungen über Handelsgesellschaften und Genossenschaften[20] und soll eine Unterwanderung der strukturellen Anforderungen zum Schutze der Gläubiger und Mitglieder verhindern.[21] Das Verfahren der Konzessionierung des wirtschaftlichen Vereins soll solche Vereinigungen von der Rechtsform des Vereins ausschließen, die sich auch der Rechtsform einer Handelsgesellschaft hätten bedienen können.
Da jedoch die Schwierigkeit der Begriffsbildung einer negativen Abgrenzungsform immanent ist, hat K. Schmidt drei Grundtypen des wirtschaftlichen Vereins ausgearbeitet.[22] An erster Stelle steht dabei der Volltypus des unternehmerisch tätigen Vereins, der sich durch dauerhafte und planmäßige Leistungen gegen Entgelt an einem äußeren Markt auszeichnet.[23] Auf die Motive der Mitgliedschaft und ein tatsächliches Gewinnstreben des Vereins kommt es dabei nicht an.[24] Der zweite Typus des Wirtschaftsvereins ist der Verein mit unternehmerischer Tätigkeit an einem inneren Markt, wobei sich Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen dem typischen geldwerten Vorteil jedes Vereinsmitglieds und der Angebotstätigkeit am Binnenmarkt ergeben.[25] Der dritte Typus ist der genossenschaftlich tätige Verein. Darunter fallen insbesondere Vereine, die ausgelagerte Teilfunktionen der an ihm beteiligten Unternehmen wahrnehmen.[26]
Darauf aufbauend berücksichtigt D. Reuter bei seinen Überlegungen neben dem Mitgliederschutz auch eingehend die Stamm- und Grundkapitalfunktion als Risikobeteiligung der Mitglieder und erweitert daraufhin die Grundtypen des Wirtschaftsvereins i.S.v. § 22 BGB zum einen um den sog. Holdingverein und zum anderen um den Vermögensverwaltungsverein.[27]
Ein den Grundtypen der Wirtschaftsvereine zuzurechnender Verein wäre nach dem bisher Gesagten stets eintragungsunfähig. Dies würde aber dem Willen des Gesetzgebers zuwider laufen. Denn schon dieser hat die Notwendigkeit der Mittelbeschaffung durch einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erkannt und diesen als zulässig angesehen, wenn er klein, nebensächlich, geringfügig ist und im Zusammenhang mit den nichtwirtschaftlichen Vereinszielen steht.[28] Entscheidend ist demzufolge, dass die wirtschaftliche Betätigung dem nicht wirtschaftlichen Hauptzweck funktional dient. In gleicher Weise ist nach dem BGH und dem Schrifttum ein Verein dennoch eintragungsfähig, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb als „Nebenzweck“ beziehungsweise dessen Verfolgung als bloße Nebentätigkeit einem nichtwirtschaftlichen Hauptzweck untergeordnet werden kann und Hilfsmittel zu dessen Erreichung ist; sog. Nebenzweck- beziehungsweise – weil es auf die tatsächliche Tätigkeit des Vereins ankommt - richtigerweise Nebentätigkeitsprivileg.[29] Der Geschäftsbetrieb muss insofern notwendig beziehungsweise unentbehrlich für die Erreichung des ideellen Vereinszwecks sein.[30] Dagegen soll aber keine privilegierende Nebentätigkeit vorliegen, wenn diese lediglich der Mittelbeschaffung dient.[31]
Bei dem Versuch, den zulässigen Umfang einer derartigen wirtschaftlichen Nebentätigkeit zu bestimmen, wurde immer wieder eine Lösung nach quantitativen Kriterien gesucht.[32] Eine Zulässigkeitsbestimmung auf der Grundlage konkreter Zahlen, wie sie teilweise vorgeschlagen wurde, sei aber nicht überzeugend und auch nicht vom Gesetzgeber gewollt, denn dieser stelle vielmehr auf qualitative Kriterien ab.[33] Auf der Grundlage der gesetzgeberischen Erwägungen seien nach K. Schmidt vielmehr solche Maßstäbe vorzugswürdig, bei denen es auf „die funktionelle Unterordnung der Nebentätigkeit unter eine nichtwirtschaftliche Haupttätigkeit und auf die Mittel-Zweck-Relation zwischen beiden“[34] ankommt.
Der vom 25.8.2004 stammende „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Vereinsrechts“[35] des Bundesministeriums der Justiz lockert die Verbindung zwischen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und Vereinszweck insoweit auf, als es danach unschädlich sei, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb „als bloßes Hilfsmittel zur Erreichung des nichtwirtschaftlichen Vereinszwecks dienen und im Vergleich zu der nichtwirtschaftlichen Vereinsbetätigung geringfügig sein soll“[36].
Die im Entwurf gewählte Formulierung ist ein zweischneidiges Schwert. In Übereinstimmung mit Rechtsprechung und Schrifttum geht auch der Gesetzesentwurf von keiner quantitativen Umschreibung des Nebentätigkeitsprivilegs aus.[37] Entgegen der herrschenden Meinung lässt es der vorgeschlagene Gesetzestext uneingeschränkt genügen, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb nicht notwendig „passend“ zum Vereinszweck und zur Verwirklichung auch nicht „unentbehrlich“ sein muss.[38] Der sog. Mittelbeschaffungsbetrieb ist somit nach dem Referentenentwurf zulässig.[39] Das Nebentätigkeitsprivileg wird dadurch unnötig...