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Wirtschafts- und Verbraucherschutzverbände im Mehrebenensystem

Lobbyingaktivitäten britischer, deutscher und europäischer Verbände

AutorHans-Jörg Schmedes
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl464 Seiten
ISBN9783531908403
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis54,99 EUR


Hans-Jörg Schmedes ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten Peter Friedrich.

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Leseprobe
1.1 Relevanz des Forschungsthemas: Wirtschafts- und Verbraucherschutzverbände in der europäischen Politik (S. 30)

In Ergänzung zur Erörterung verbandlichen Einflusses auf europäischer Ebene sowie zu der aus integrationstheoretischer Sicht uneinheitlich beantworteten Frage nach der Rolle von Interessengruppen im Prozeß der europäischen Integration im allgemeinen kommt auch der Debatte um einen denkbaren Einflußunterschied zwischen den als spezifisch zu charakterisierenden Wirtschaftsverbänden und den eher allgemein ausgerichteten Verbraucherorganisationen auf europäischer Ebene eine hohe Relevanz zu, scheinen sich doch die in nationalstaatlichen Regierungssystemen inhärenten Parameter, die die Fragestellung nach dem Ausmaß verbandlichen Einflusses bei vormals explizit nationalstaatlicher Betrachtung im Regelfall zugunsten einer attestierten Einflußdominanz spezialisierter Wirtschaftsverbände beantworten ließen, durch die Entstehung und Ausdifferenzierung des europäischen Institutionengefüges und dessen Wechselwirkungen mit den politischen Systemen der Mitgliedstaaten zugunsten allgemeiner gesellschaftlicher Interessen verändert zu haben.

Diesbezüglich wird häufig einerseits das in Kapitel 2.6.3 ausführlicher zu diskutierende europäische Mehrebenensystem angeführt, das von einer Dispersion politischer Autorität innerhalb der EU auf mehrere staatliche Ebenen ausgeht, ohne daß einer dieser Ebenen eine übergeordnete Entscheidungskompetenz zufalle, was den mit strukturellen Organisationsdefiziten versehenen allgemeinen Interessen wie beispielsweise Verbraucherschutzverbänden im Vergleich zu institutionellen Arrangements nationaler politischer Systeme zum Vorteil gereichen würde (Beyers 2002a: 592, Pollack 1997b: 575).

Andererseits wird eine erhöhte Zugänglichkeit der Unionsorgane für allgemeine gesellschaftspolitische Belange auch auf die politischen Ziele der EU zurückgeführt, deren Organe sich aufgrund der Vielschichtigkeit ihrer Mitgliedstaaten leichter als einzelne Mitgliedstaaten gegen Partikularinteressen durchsetzen könnten.

Zudem erleichtere der Diskurs um ein „Europa der Bürger, das die öffentliche Akzeptanz der EU in ihren Mitgliedstaaten steigern soll, die Verfolgung allgemeiner politischer Zielsetzung zugunsten einzelner Bürger, wozu beispielsweise auch der Bereich des Verbraucherschutzes gehöre (Greenwood 2003: 209, Panebianco 1998: 349). Nichtsdestotrotz stelle die wirtschaftsliberale Binnenmarktphilosophie nach wie vor den zentralen Aspekt europäischer Politik dar, wie John Peterson und Elizabeth Bomberg (1999: 61) schreiben, woraus sich zumindest indirekt ein Vorteil für die organisierten Wirtschaftsinteressen ableiten lassen könnte:

„The internal market is the heart of the Union: the vast majority of all EU decisions are taken to try to create or maintain a barrier-free market, or compensate for its economic, social or environmental costs.

Mit der Gegenüberstellung von Wirtschafts- und Verbraucherschutzinteressen und deren jeweiliger Einflußnahme auf europäische Politikformulierungsprozesse berührt die Fragestellung dieser Arbeit daher nicht nur einen klassischen Aspekt der politikwissenschaftlichen Verbändeforschung, sondern tangiert auch die in den letzten Jahren zunehmend diskutierte Wettbewerbsfähigkeit der EU.

Insbesondere im Zusammenhang mit der vielzitierten, im März 2000 verabschiedeten Lissabon-Strategie (Kommission 2006b Q-1), die die EU ursprünglich bis zum Jahr 2010 zum dynamischsten und wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt machen sollte, wird von mancher Seite beklagt, daß die gesetzlichen Bestimmungen der EU der europäischen Wirtschaft zu viele umwelt- und verbraucherfreund- liche Verpflichtungen auferlegten, die dem Export von Arbeitsplätzen nach Asien und Amerika Vorschub leisteten.

„Die Diskrepanz fällt auf, beklagt etwa der Leitartikel der Süddeutschen Zeitung vom 17. Januar 2005 von Alexander Hagelüken (2005): „Die Europäische Union steht beim Umwelt- und Verbraucherschutz international ganz vorne und rutscht wirtschaftlich ab. Die EU potenziere die Bürokratie, so Hagelüken weiter, „weil die vielen Entscheidungsparteien simple Lösungen verhindern, und die Kommission durch mehr Gesetze nach mehr Macht strebt.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung5
Zusammenfassung7
Inhaltsverzeichnis9
Abbildungsverzeichnis15
Tabellenverzeichnis16
Abkürzungsverzeichnis18
1 Einleitung: Zur Rolle von Verbänden in der Politik24
1.1 Relevanz des Forschungsthemas: Wirtschafts- und Verbraucherschutzverbände in der europäischen Politik29
1.2 Spezifizierung der Fragestellung und Erklärungsansatz der Untersuchung32
1.3 Forschungsstand und Literaturüberblick: Zu den Bedingungen europäischen Regierens37
1.4 Forschungsdesign und Aufbau der Arbeit46
2 Analytischer Bezugsrahmen: Politische Steuerung und Koordinierung moderner Gesellschaften50
2.1 Politische Steuerung und die „Governance“-Forschung: Vom staatlichen Steuerungsversagen zum „Governing without Government“?51
2.2 Akteure und Strukturen in der Entstehung öffentlicher Politik57
2.3 Theoretische Grundlagen und begriffliche Klärungen zur Analyse verbandlichen Handelns59
2.4 Das Modell des politischen Tauschs: Über das Interesse an und die Kontrolle von Ereignissen83
2.5 Theorien der Interessenvermittlung: Pluralismus, Korporatismus und Politiknetzwerke87
2.6 Integrationstheorien der Europaforschung: Neo-Funktionalismus, Intergouvernementalismus und Multi- Level Governance94
2.7 Zur Analyse ebenenübergreifender Tauschnetzwerke in europäischen Politikformulierungsprozessen107
3 Die politischen Systeme der EU, Großbritanniens und Deutschlands: Zu den Gelegenheitsstrukturen verbandlicher Interessenvermittlung110
3.1 Das politische System der EU: Zur Staatswerdung eines supranational wie intergouvernemental geprägten Institutionengefüges111
3.2 Das politische System Großbritanniens: Zentralisierte Staatsstruktur mit fragmentiertem Interessengruppensystem213
3.3 Das politische System Deutschlands: Fragmentierte Staatsstruktur mit zentralisiertem Interessengruppensystem225
4 Forschungsdesign, Hypothesen und Selektionskriterien: Zur Untersuchungsmethodik der Studie248
4.1 Der Verhandlungsprozeß einer Richtlinie als Untersuchungsgegenstand: Über Einzelfallstudien in der Europaforschung248
4.2 Knoten und Kanten in der Entstehung öffentlicher Politik: Die soziale Netzwerkanalyse als Untersuchungsmethode251
4.3 Verbände in der europäischen Politikformulierung: Zu den Auswahlkriterien der Untersuchung256
4.4 Forschungsdesign der Studie: Zu verbandlichen Kommunikations- und Kooperationsmustern in der europäischen Politik271
4.5 Leitfragen und Hypothese der Untersuchung: Über mögliche Unterschiede im Zugang von Verbänden zu öffentlichen Akteuren274
4.6 Untersuchungsmethoden: Zur Analyse relationaler und attributiver Daten in politischen Entscheidungsprozessen276
5 Die Politikentwicklung der „Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken“285
5.1 Allgemeine Problemlage: Lauterkeitsrecht in den EU-Mitgliedstaaten und auf EU- Ebene285
5.2 Entstehungsprozeß, Grundzüge, rechtswissenschaftliche Perzeption und Konfliktlinien im Verhandlungsprozeß der Untersuchungsrichtlinie293
6 Empirische Datenanalyse: Lobbyingstrategien von Wirtschafts- und Verbraucherschutzverbänden in der europäischen Politik310
6.1 Verbandliche Interaktionsstrukturen in der Formulierung europäischer Politik: Ein netzwerkanalytischer Ansatz312
6.2 Interaktionsorientierungen im europäischen Mehrebenensystem: Zu den Adressanten und den Adressaten verbandlichen Lobbyings335
6.3 Fazit der Analyse: Interaktionsstrukturen und Interaktionsorientierungen britischer, deutscher und europäischer Verbände im Mehrebenensystem359
7 Resümee: Mosaik der Interessenvermittlung im Mehrebenensystem der EU365
8 Bibliographie368
8.1 Literaturverzeichnis368
8.2 Quellenverzeichnis406
9 Anhang415
9.1 Fragebogen – deutsche Version415
A Allgemeine Angaben zu Ihrer Organisation416
B Haltung Ihrer Organisation zur untersuchten Richtlinie416
C Interaktionen im Verhandlungsprozeß der Richtlinie417
D Lobbyingorientierung422
9.2 Fragebogen – englische Version426
A General Information about your organisation427
B Your organisation’s position on the “Unfair Commercial Practices Directive”427
C Interactions in the directive’s negotiation process428
D Lobbying orientation433
9.3 Fragebogen zur Identifikation der Verbände mit besonderer Relevanz innerhalb des Formulierungsprozesses der Richtlinie290437
9.4 Fragebogen zur Bewertung strittiger Themen im Formulierungsprozeß der Richtlinie291444
9.5 Grundgesamtheit der Untersuchung mit erzielten Reputationsnennungen292448
9.6 Bewertung der Strittigkeit einzelner Themen im Formulierungsprozeß der Richtlinie293457
9.7 Übersicht über die Untersuchungspopulation458

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