Wie in Kapitel 2 beschrieben, nimmt Wissen einen sehr hohen Stellenwert in Unternehmen und Organisationen ein. Um dem gerecht zu werden, sind Lösungen notwendig, die unterschiedliche Wissensarten und Wissensträger im Organisationsverbund berücksichtigen. Das vielfältig verbreitete und in mehreren verfügbaren Formen ausgeprägte Wissen bedarf Strukturierung und Administration, um zur Entwicklung und zum Erfolg einer Organisation beitragen zu können. Hierzu ist es nötig, auf Managementmethoden zurückzugreifen (Lehner 2012, 16f.). Darauf aufbauend wird im Folgenden der Begriff des Wissensmanagements untersucht: Neben den begrifflichen Grundlagen werden ausgewählte wissenschaftliche Modelle vorgestellt und Wissensmanagement aus dem Blickfeld der Informationstechnologie betrachtet. Abschließend wird auf einige allgemeine Erfolgsfaktoren von Wissensmanagementsystemen eingegangen.
In diesem Kapitel wird zunächst auf die Entwicklungsgeschichte von Wissensmanagement eingegangen. Anschließend wird eine Begriffsdefinition für diese Arbeit festgelegt sowie Wissensmanagement und Informationsmanagement voneinander abgegrenzt.
Erste, dem Wissensmanagement zuordenbare wissenschaftliche Arbeiten, wurden bereits in den 1960er Jahren veröffentlicht und behandelten den Wissensbegriff vorwiegend im Zusammenhang mit wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragestellungen (Schüppel 1996, 186). Die vom Chemiker und Philosophen Michael Polanyi 1966 publizierte Monografie The Tacit Dimension (Polanyi 1966) stellt dabei die vermutlich bedeutsamste Veröffentlichung dieser Zeit dar. In den 1970er und 1980er Jahren verfolgte man das Management explizitem Wissens in Unternehmen vor allem auf Führungsebene (Lehner 2012, 29f.).
Durch gesteigerte Wahrnehmung des Produktionsfaktors Wissen begannen Unternehmen, sich intensiv mit Wissensmanagement auseinanderzusetzen. Im Hinblick auf Globalisierung und gesteigerten Wettbewerb wurden Lernprozesse effektiver gestaltet und versucht, die unternehmerische Produktivität zu erhöhen. Ab Mitte der 1990er Jahre wurden auch erste Softwarewerkzeuge und Wissensportale zum Management von Wissen in Unternehmen eingesetzt. Die weite Verbreitung des Internets und der Einsatz von Business-Intelligence-Methoden verstärkten diesen Trend. Wissensmanagement wurde zum Modethema in Unternehmen und Hauptbestandteil einer Vielzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen und Konferenzen. Die vorhandenen Wissensmanagementlösungen konnten allerdings den teilweise überzogenen unternehmerischen Zielen nicht gerecht werden (Lehner 2012, 30f. & Schüppel 1996, 187).
Etwa ab dem Jahr 2005 begann – verbunden mit den Schlagworten KM Governance, Enterprise 2.0 und Big Data – ein weiterer Entwicklungsabschnitt. Unternehmer und Wissenschaftler befassten sich mit der Kontrolle, Steuerung, Verarbeitung und Entwicklung umfassend gewordener Datenmengen in Wissensgemeinschaften (Back, Gronau & Tochtermann 2009, 6, Hoffmann & Voss 2013, 30 & Lehner 2012, 31).
Ähnlich wie der Wissensbegriff wird auch das Wissensmanagement aus einer Vielzahl wissenschaftlicher Perspektiven untersucht. Aufgrund der vielfältigen Einsatzzwecke in unterschiedlichen Bereichen scheint es nicht möglich, auf eine allgemeingültige Begriffsbestimmung zurückzugreifen (Heisig 2005, 13 & Lehner 2012, 34).
Als Verständnisgrundlage dieser Arbeit wird zunächst die Definition von Romhardt (1998, 45) gewählt:
„Wissensmanagement bildet ein integriertes Interventionskonzept, das sich mit Möglichkeiten zur Gestaltung, Lenkung und Entwicklung der organisatorischen Wissensbasis befasst“ (Romhardt 1998, 45).
Dieser systemorientierte Ansatz beschreibt die Administration und die Evolution einer Wissensbasis im System bzw. in Teilsystemen einer Organisation.
Ergänzend dazu stellen Oelsnitz & Hahmann (2003, 101) die Entwicklungsfähigkeit organisationaler Wissensbasen durch Lernprozesse heraus (Abb. 7):
Abb. 7: Wissensmanagement im Kontext von Lernen und Wissen In Anlehnung an: Oelsnitz & Hahmann (2003, 101)
Die gegenwärtige organisationale Wissensbasis wird durch die Bestandsgröße Wissen beschrieben. Die Stromgröße Lernen wirkt auf die Wissensbasis einer Organisation ein und verändert diese. Die Aufgabe des Wissensmanagements liegt in der Verwaltung und gesteuerten Entwicklung des organisationalen Wissensbestandes (Oelsnitz & Hahmann 2003, 101).
Die Begriffe Informationsmanagement und Wissensmanagement bzw. Information und Wissen werden – je nach Perspektive der Forschungsdisziplin – teilweise synonym verwendet (Welter 2005, 50). Diese Begriffe weisen durchaus viele Gemeinsamkeiten auf, trotzdem unterscheiden sie sich in einigen wesentlichen Punkten (Rehäuser & Krcmar 1996, 11 & Welter 2005, 31f.). Deswegen wird im Kontext dieser Arbeit zwischen den Begriffen des Informationsmanagements und des Wissensmanagements differenziert.
Trivialerweise befasst sich das Informationsmanagement mit der „Gestaltung und Lenkung der Wahrnehmung, Verarbeitung, Speicherung und Nutzung von Information im Unternehmen“ (Welter 2005, 75, Kursivdruck im Original), während das Wissensmanagement dieselben Aufgaben im Hinblick auf das Wissen im Unternehmen erfüllt (Welter 2005, 75). Information und Wissen unterscheiden sich folglich in mehrerer Hinsicht:
Die Verbreitung und Vervielfältigung von Informationen geschieht einfach und zu geringen Grenzkosten, etwa durch das Kopieren von Daten auf materiellen Wissensträgern wie Speichermedien oder Papierausdrucken (Rehäuser & Krcmar 1996, 11). Des Weiteren liegen Informationen nur in Form des leicht verfügbaren und einfach zu duplizierenden expliziten Wissens vor (Nakamori 2006, 4).
Die Weitergabe und Reproduktion von Wissen hingegen ist schwieriger und kostenintensiver bezüglich der Vervielfältigungs- und Grenzkosten. Die Ursache dafür liegt darin begründet, dass Wissen vordergründig auf personelle Wissensträger bezogen wird. Zudem berücksichtigt Wissen sowohl explizites als auch das im Verborgenen liegende und nur schwer vervielfältigbare implizite Wissen. Demzufolge ist die Vervielfältigung und Entwicklung von Wissen wegen nötiger (Weiter-) Bildungskosten zeit- und kostenintensiver oder gar nicht möglich (Nakamori 2006, 4 & Rehäuser & Krcmar 1996, 11-13).
Wie bereits in Kapitel 2.2.2 beschrieben, bauen Information und Wissen aufeinander auf. Wissen entsteht, indem Informationen vernetzt werden (Rehäuser & Krcmar 1996, 6). Infolgedessen treten auch beim Management von Informationen und Wissen Wechselwirkungen und Verknüpfungspunkte auf, sodass die Integration des Informationsmanagements in das Wissensmanagement und vice versa nötig ist (Müller-Merbach 1999, 95).
Da – wie bereits in Kapitel 3.1.2 beschrieben – unterschiedliche wissenschaftliche Betrachtungsweisen bezüglich dem Management von Wissen vorherrschen, haben sich mehrere, teilweise konkurrierende, Modelle entwickelt. Auch hier konnte kein einheitlicher Modellierungsansatz entwickelt werden (Lehner 2012, 71).
Im Folgenden werden zwei geläufige, ganzheitliche Wissensmanagementkonzepte beschrieben, deren Hauptaugenmerk auf dem Management organisationaler Wissensbasen liegen (North 2011, 184). Um einen möglichst umfassenden Eindruck zu gewinnen, wurden folgende Ansätze ausgewählt: Zuerst wird das eher theoretisch geprägt SECI-Modell nach Nonaka & Takeuchi (2012) vorgestellt. Anschließend wird der praxisnahe Ansatz der Bausteine des Wissensmanagements nach Probst, Raub & Romhardt (2003) beschrieben.
Nonaka (1991, 97) verglich Managementkonzepte japanischer Unternehmen gegenüber den Ansätzen europäischer und amerikanischer Mitbewerber. Dabei stellte er fest, dass der Erfolg japanischer Unternehmen vor allem auf der Integration neuen Wissens in die organisationale Wissensbasis fußt (Nonaka 1991, 97).
Auf diesen Erkenntnissen aufbauend entwickelten Nonaka & Takeuchi (2012, 90ff.) in Zusammenarbeit mit...