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E-Book

Wo war ich noch mal?

Autobiografie

AutorJohn Cleese
VerlagBlessing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl480 Seiten
ISBN9783641123376
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis18,99 EUR
'And now for something completely different!'
Als im September 1969 die ersten Folge von Monty Python's Flying Circus gedreht wurde, war John Cleese knapp dreißig Jahre alt. Bis zu diesem Moment hatte das Leben bereits schwerwiegende Fragen aufgeworfen. Hatten die Deutschen kurz nach seiner Geburt sein unbedeutendes englisches Heimatdorf tatsächlich nur bombardiert, um zu beweisen, dass sie doch Sinn für Humor besaßen? Würde er sich je wieder von dem Trauma erholen, als Kleinkind von einem Kaninchen gebissen worden zu sein? Warum hatte man ihn für seinen ersten ernsthaften Bühnenauftritt als Luzifer ausgerechnet in Strumpfhosen gesteckt? In seiner Autobiografie zeichnet Weltstar John Cleese ein Porträt des Künstlers als junger Mann bis zur Gründung von Monty Python, um diesen und vielen anderen Fragen auf den Grund zu gehen.

'Wo war ich noch mal?' erzählt den Lebensweg eines schüchternen englischen Schlaks zum gefeierten Komödianten, der den Humor ganzer Generationen prägen sollte.

John Marwood Cleese, geboren 1939 in Weston-super-Mare, England, schloss sein Jura-Studium am Downing College in Cambridge mit Promotion ab, bevor er mit seinem Talent als Texter Karriere machte. Als Drehbuchautor und Schauspieler war er für namhafte Preise nominiert - vom Emmy- über den Edgar-Allen-Poe-Award bis zum Oscar. Mit Drehbüchern und Hauptrollen reüssierte er auch in Hollywood, seine Gastauftritte bereicherten so diverse Filmserien wie James Bond, Harry Potter und Shrek. Heute lebt John Cleese in London.

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Leseprobe

1. KAPITEL

Mein erster öffentlicher Auftritt fand am 13. September 1948 auf den Stufen zum Schwesternzimmer der St. Peter’s Preparatory School in Weston-super-Mare, Somerset, England, statt. Ich war achtfünfsechstel und mein Publikum ein Haufen Neunjähriger, die mir höhnisch »Chee-eese! Chee-eese!« zugrölten. Ich stieg die Treppen hoch, erniedrigt, verängstigt und vor allem fassungslos. Wie war es mir bloß gelungen, so viel Aufmerksamkeit zu erregen? Was hatte ich getan, um solche Aggressionen auszulösen? Und … wie in aller Welt konnten die wissen, dass mein Familienname eigentlich Cheese ist?

Während die Hausmutter »Fishy« Findlater an mir die übliche Musterung vornahm, die jeder neue Schüler über sich ergehen lassen musste, versuchte ich meine Gedanken zu ordnen. Meine Eltern hatten mir immer eingebläut, mich von »garstigen bösen Jungs« fernzuhalten. Was machten die dann an einer freundlichen Schule wie St. Peter’s? Und wie sollte ich mich hier von ihnen fernhalten?

Entscheidenden Anteil an meinem Dilemma hatte die Tatsache, dass ich nicht nur ein kleiner Junge, sondern ein sehr großer kleiner Junge war. Ich war ein Meter sechzig, und es wurde erwartet, dass ich noch vor meinem zwölften Geburtstag die Einsachtzigermarke überspringen würde. Es fiel mir also einigermaßen schwer, mich in den Hintergrund zu verdrücken, wie ich es mir so oft wünschte – vor allem später, als ich schon größer war als jeder Lehrer. Da war es dann auch nicht besonders hilfreich, dass einer von ihnen, Mr. Bartlett, mich immer als einen »herausragenden Bürger« bezeichnete.

Hinzu kam, dass ich meiner überbordenden Größe wegen »über meine Kräfte hinausgewachsen« war und diese physische Schwäche für so unkoordinierte und ungeschickte Bewegungen sorgte, dass mich mein Sportlehrer Captain Lancaster ein paar Jahre später als »hundertachtzig Zentimeter durchgekauter Bindfaden« bezeichnete. Addiert man noch hinzu, dass ich über keinerlei Erfahrungen mit der wölfischen Natur von Knaben-Gangs verfügte, wird man sofort verstehen, weshalb meine Miene augenblicklich die Memme in mir verriet, als »Fishy« die Tür öffnete und mich zu meinem zweiten öffentlichen Auftritt hinausbugsierte.

»Keine Sorge«, sagte sie, »ist nur Gebell.« Welcher Trost sollte das wohl sein? Hätte man in Nürnberg auch sagen können. Aber wenigstens hatten sie zu skandieren aufgehört. Als ich mich die Treppe runterzwang, herrschte erwartungsvolle Stille. Dann …

»Bist du ein Roundhead oder Cavalier?«

»Was?«

Gesichter, die gespannt auf Antwort lauerten, drängten sich mir entgegen: »Roundhead oder Cavalier?« Wovon sprachen die?

Hätte ich die Frage so verstanden, wie sie gemeint war, wäre ich sehr wahrscheinlich in Ohnmacht gefallen, kleines zartes Pflänzchen, das ich war. (Vielleicht sollte ich an dieser Stelle den behutsamer aufgewachsenen Lesern erklären, dass ich hier nicht etwa aufgefordert worden war, meine wohlbedachten Ansichten über die jeweiligen Meriten der gegnerischen Parteien im englischen Bürgerkrieg 1642–49 kundzutun, sondern vielmehr offenzulegen, ob ich beschnitten war oder nicht.) Letztlich war mein erster Tag an der Prep School dann aber doch kein Totalausfall gewesen. Als ich abends nach Hause kam, hatte ich die tiefere Bedeutung zweier neuer Wörter gelernt – pathetic (mickrig) und wet (feucht hinter den Ohren/Heulsuse). Sissy (Schwuchtel, Weichei) musste ich allerdings in Dads Wörterbuch nachschlagen.

Warum war ich so … unbeholfen? Nun, fangen wir doch bei meinen Anfängen an. Geboren wurde ich am 27. Oktober 1939 in Uphill, einem kleinen Dorf südlich von Weston-super-Mare beziehungsweise von diesem nur durch die Breite der Straße getrennt, die von der Küste vor Weston ins Landesinnere führte. Meine früheste Erinnerung gilt jedoch nicht Uphill, sondern einem Baum in dem Dorf Brent Knoll ein paar Meilen entfernt. Ich liege darunter und blicke durch die Äste in einen strahlend blauen Himmel. Die Sonnenstrahlen fallen in unterschiedlichen Winkeln auf die Blätter, weshalb mein Blick zwischen flimmernden Farbflecken hin und her flackert und die opulent grünen Nuancen des opulenten Blattwerks wahrnimmt (ich dachte, ich sollte hier mal »opulent« und »Nuancen« und »Blattwerk« in einem Satz hinkriegen, weil meine Lehrer immer meinten, so etwas sei ein Zeichen von schöpferischem Talent. Allerdings hätte ich »opulent« wohl nicht gleich doppelt verwenden sollen).

Natürlich bin ich mir nicht gewiss, dass das meine früheste Erinnerung ist, aber mit Gewissheit habe ich das immer geglaubt, und es gefällt mir, das zu denken, weil es sinnig scheint: Baby-Ich liegt im Kinderwagen und beobachtet zufrieden das Zusammenspiel des flimmernden opulent grünen Blattwerks in seinen schönsten Nuancen.

Eines weiß ich jedoch sicher, nämlich dass die Deutschen kurz vor dieser Begebenheit mit dem Baum Weston-super-Mare bombardiert hatten. Ich will das nur noch mal festhalten …

Am 14. August 1940 warfen deutsche Flieger ihre Bomben auf Weston-super-Mare ab. Das ist nachweisbar. Es stand in allen Zeitungen, besonders ausführlich im Weston Mercury. Die meisten Westoner waren überzeugt, dass das ein Versehen sein musste. Immerhin waren die Deutschen berühmt für ihre Effizienz, warum also sollten sie völlig einwandfreie Bomben auf Weston-super-Mare abwerfen, wo es in Weston-super-Mare doch nichts gab, was eine Bombe zerstören konnte, das auch nur annähernd so wertvoll gewesen wäre wie die Bombe, die es zerstörte? Das würde bedeuten, dass jede Explosion bei uns ein winziges Loch in die deutsche Kriegskasse gerissen hat.

Aber die Deutschen kamen wieder, mehrfach sogar, was allen ein Rätsel war. Gleichwohl geht mir der Gedanke nicht aus dem Kopf, dass es den Westonern ziemlich gut gefiel, bombardiert zu werden. Es verlieh ihnen eine Bedeutung, an der es ihrem Leben ansonsten mangelte. Doch das beantwortet noch nicht die Frage, warum sich The Hun diese Mühe machte. War das teutonische Joie de vivre? Haben die Luftwaffenpiloten die Weston Seafront mit der Westfront verwechselt? Ich habe ältere Westoner mit vollem Ernst sagen hören, dass das auf Veranlassung von William Joyce geschehen sei, dem berüchtigten »Lord Haw-Haw«, den die Briten 1946 als Landesverräter hängten, weil er sie im Krieg mit Nazi-Radiopropaganda genervt hatte. Als ich diese Hobbyhistoriker später fragte, warum ein Mann irischer Abstammung aus Brooklyn, New York, einen solchen Animus gegen Weston gehegt haben soll, dass er Hitler am Schlafittchen packte und auf die Bombardierung unseres Städtchens festnagelte, wurden sie still. (Ich glaube ja eher, dass Reichsmarschall Hermann Göring nachtragend war wegen eines unappetitlichen Vorfalls, der sich in den 1920er-Jahren unter der vermutlichen Beteiligung von Noël Coward and Terence Rattigan am Weston-Pier zugetragen hatte.)

Am sinnvollsten scheint mir die Erklärung meines Vaters zu sein: Die Deutschen haben Weston bombardiert, um zu beweisen, dass sie nicht so humorlos sind, wie man es ihnen nachsagt.

Was immer der wahre Grund dafür gewesen sein mag, jedenfalls übersiedelten wir zwei Tage nach dem ersten Fliegerangriff in ein idyllisches Dörfchen in Somerset namens Brent Knoll. Dad hatte seit seinen vier Jahren in den Schützengräben von Frankreich die Nase ziemlich voll gehabt von Big Bangs, und da er in Weston gerade nichts weiter vorhatte, das entscheidend zum Ausgang des Krieges hätte beitragen können, verbrachte er den Tag nach dem ersten Angriff im Auto und fuhr die Gegend ab, bis er den kleinen Hof von Mr. und Mrs. Raffle entdeckte, die sich bereit erklärten, die Cleese-Familie als zahlende Gäste aufzunehmen. Ich liebe ihn dafür, dass er da nicht lange gefackelt hat: Wir waren dann mal weg! Typisch für ihn auch, dass er so smart gewesen war, uns in dieser Zeit strikter Rationierungen eine Farm zu suchen, wo durchaus mal ein Ei oder ein Huhn oder sogar ein Ferkel abhandenkommen konnte, ohne allzu viel Aufmerksamkeit zu erregen.

Mutter erzählte mir, dass Dad dieses sofortigen Rückzugs wegen von so manchem Westoner hinter vorgehaltener Hand kritisiert wurde. Offenbar hätten sie es würdevoller gefunden, hätten wir noch eine Woche gewartet, bevor wir davonliefen. Meiner Meinung nach haben sie dabei das Wesentliche des Davonlaufens nicht begriffen. Nur ein zwanghafter Zauderer käme auf die Idee, »Rennt nächsten Mittwochnachmittag um euer Leben!« zu kreischen.

Aber zurück zum Baum. Viele Jahre später habe ich die Farm noch einmal besucht, und gerade so, wie ich es in Erinnerung zu haben glaubte, stand da mitten im Vorgarten ein riesiger Kastanienbaum. Unter dem hätte mein Kinderwagen gut geparkt worden sein können. 1940 war das Haus eines von mehreren mittelgroßen Gebäuden gewesen, die sich mit Blick auf die gegenüberliegenden Felder die Straße entlangreihten. Von der Frontseite betrachtet, sah es nicht sehr bäuerlich aus, aber wenn man die Auffahrt hinauf zum hinteren Teil lief, stand man in einem richtigen Bauernhof samt Matsch und Hühnern und rostigen Geräten und Frettchen in Käfigen und Kaninchen in Holzverschlägen.

Und genau dieser Anblick deckt sich mit meiner zweiten Erinnerung (diese Begebenheit muss nach der ersten stattgefunden haben, denn nun stehe ich bereits): Ich werde von einem Kaninchen...

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