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You understand or you overstand? Eine Betrachtung der Sprache der Rastafari

AutorChristin Franke
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl102 Seiten
ISBN9783668104952
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2015 im Fachbereich Kulturwissenschaften - Karibik, Note: 1,5, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) (Sprachvergleich und Sprachgebrauch), Sprache: Deutsch, Abstract: Rastafarians have developed a group-specific vocabulary, a special language unique to the group, refered to below as 'Rasta-Talk'. By means of this particular language they convey their ideologies, beliefs and lifestyles. Simultaneously this special language symbolizes the refusal of the former colonial regime as well as the rejection of the lifestyle, language and the political system of the Western World, which they still see as oppressive. The differences among the groups - mansions - within the Rastafarian-Movement; Universal Rastafari, Nyabinghi, Bobo Ashanti and Twelve Tribes of Israel, and the way they communicate among themselves and to others, was a major part of my interest in the question: What is the symbolic value and current significance of Rasta-Talk for their speakers and in which sectors, public or private, this special language is used by who and in what way? The focus lies on the usage of the special language and the differences of the speech style of the respective groups. For this purpose I have conducted eight qualitative interviews with different members of the Rastafari-Movement in Jamaica, therefore the text is mainly based on empirical data. Subsequently eight categories were identified from the data corpus, answers from the interviewees were allocated to the aforementioned categories and comparatively considered, corresponding to a reductive content analysis. In summary it can be stated that the different definitions of Rastafari in general and the associated individuality of each Rastafarian, equates to the idiosyncratic use of Rasta-Talk. Any member of the movement is under their sole discretion to which extent they use Rasta-Talk if at all, in addition it is found that the usage can be emotionally conditioned and depends on the environment and listeners. The usage of Rasta-Talk no longer plays a dominant role for some Rastafari groups neither is it seen as a very important feature in identifying Rastafarians. Nevertheless Rasta-Talk is an important pillar of the Rastafarian culture having great historical and developmental significance. In conclusion it can be stated that Rasta-Talk is a special language which reflects the social situation and history of the descendants of the former African slaves. The group-specific vocabulary also has an impact on the Jamaican Creole language, as some terms have been retained and established as part of the Creole oral system exemplifying its characteristic features as a special languages.

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Leseprobe

3. Aktueller Forschungsstand: Die Sondersprache der Rastafari


 

Mit dem Begriff „Dread-Talk“ oder „Rasta-Talk“ ist der gruppenspezifische Wortschatz der Rastafari gemeint, welcher nach Mordecai (2001) eine Abwandlung der jamaikanischen Kreolsprache „Patwah“ darstellt.[79] Im Verlauf dieser Arbeit wird jedoch ausschließlich der Begriff „Rasta-Talk“ für diese besondere Sprache der Rastafari verwendet, da das Wort „dread“ in meiner Gegenwart häufig in einem negativen Kontext verwendet wurde und meine Entscheidung diesbezüglich beeinflusst hat.

 

3.1 Exkurs


 

In Anbetracht der Tatsache, dass die Sondersprache der Rastafari eine Abwandlung des Patwah darstellt, soll vorerst die Entstehung und die spezifischen Merkmale von Kreolsprachen im Allgemeinen und die Entstehungsgeschichte von Patwah im Einzelnen erläutert werden.

 

3.1.1 Was sind Kreolsprachen


 

Unter Kreolsprachen werden jene Gruppen von Sprachen zusammengefasst, die sich aus einer ehemaligen Pidginsprache herausgebildet haben.[80] Nach Thomason/Kaufman (1988) bezeichnet Bußmann (2008) Pidginsprachen als:

 

„[…] eine aus einer sprachlichen Notsituation entstandene Mischsprache: Beim Kontakt von Sprechern von zwei oder mehr Sprachen ohne gegenseitiges Sprachverständnis werden Struktur und Vokabular der einzelnen muttersprachlichen Systeme durch mutual accommodation nachhaltig reduziert, um eine Verständigung herbeizuführen (Vgl. Thomason/Kaufman [1988]); […].“[81]

 

Überwiegend sind diese Pidginsprachen im Zuge der Kolonialisierung und des Sklavenhandels entstanden. Die aus Übersee importierten Sklaven in den besetzten Gebieten, wie beispielsweise in der Karibik und im Pazifikraum, bildeten eine multilinguale Zwangsgemeinschaft, welche die nach Thomason/Kaufman (1988) beschriebene „sprachliche Notsituation“ versinnbildlicht.[82] Weiterhin beschreibt Bußmann (2008), dass aufgrund dieser besonders situierten sprachlichen Konstellation, Pidginsprachen:

 

„[…] gekennzeichnet [sind] durch (im Vergleich mit der Ausgangssprache) vereinfachte phonologische, morphologische und syntaktische Strukturen, durch einen stark reduzierten Wortschatz, [und] eine Tendenz zur Umschreibung und Metaphorik [aufweisen].“[83]

 

Wie zu erkennen ist, sind Pidginsprachen überwiegend als funktional anzusehen und zudem oft als Vorläufer von Kreolsprachen zu betrachten.[84] Im Laufe der Zeit wurden dann die primitiven Strukturen des Pidgin beseitigt und eine neue Sprache – eine Kreolsprache – kreiert, die sich dann allmählich als Muttersprache der neu entstandenen Gesellschaft etabliert hat. Dies wird wie folgt erklärt:

 

„[…] durch Verbindung von Elementen der Muttersprache, insbes. von syntaktischen und semantischen Elementen, mit Elementen der sozial dominanten Sprachen (primär lexikalische Elemente) unter Hinzunahme von generellen linguistischen Strategien.“[85]

 

Eine wichtige Voraussetzung dafür waren jedoch Stabilisierungsprozesse in dieser Gesellschaft, was ein Ende der Sklaverei und der kolonialen Besetzung impliziert und Kontinuität im Spracherwerb dieser neuen Sprache voraussetzt.[86]

 

3.1.2 Die Entstehung der jamaikanischen Kreolsprache: Patwah


 

Patwah ist eine auf Jamaika gesprochene Kreolsprache, die sich im Zuge der Sklaverei aus einer Pidginsprache entwickelt hat. Aufgrund der britischen Kolonialherren, in der letzten Phase der Kolonialisierung Jamaikas, handelt es sich dabei um eine englisch-basierte Kreolsprache, welche insbesondere von Elementen westafrikanischer Sprachgruppen beeinflusst wurde.[87]

 

Durch die Verschiffung afrikanischer Sklaven auf die Insel Jamaika, kam es zu der Entstehung einer multilingualen Gesellschaft. Im Zuge dessen entstand eine Pidginsprache, wodurch sich vorerst über den kleinsten gemeinsamen Nenner der vorhandenen Sprachen verständigt wurde. Diese Pidginsprache unterlag dem dominierendem Einfluss des britischen Englisch. Einerseits waren die britischen Kolonialherren versucht den Arbeitssklaven das eigene Sprachsystem aufzudrängen. Andererseits waren die verschifften Sklaven dazu gezwungen, da sie von den Sprechern ihrer eigenen Muttersprachen isoliert wurden, ein Sprachsystem zu kreieren, was ihnen eine Kommunikation untereinander ermöglichte.[88] Das Englisch der Kolonialherren wurde diesbezüglich von den afrikanischen Sklaven insoweit modifiziert, dass es schließlich Wortneuschöpfungen, eine eigene Syntax, so wie Leihwörter aus anderen Sprachen aufwies. Des Weiteren wurden zum Teil Vokale und Konsonanten ausgetauscht und die neue Sprache mit einer Mixtur aus afrikanischen Grammatiken, insbesondere aus den Ewe- und Ibo-Sprachgruppen, versehen.[89] Bei diesem Prozess entwickelte sich im Laufe der Zeit aus einer Pidginsprache eine Kreolsprache, die sich dann allmählich weiter entwickelte und schließlich zu der Muttersprache nachfolgender Generationen wurde.[90] Dies konnte durch die Stabilisierungsprozesse der gesellschaftlichen Verhältnisse nach Beendigung der Sklaverei realisiert werden, da es nun zu einer Kontinuität im Sprachgebrauch kommen konnte (siehe Kapitel 3.1.1).

 

Die britischen Kolonialherren und weitere Unterdrücker interpretierten die Korruption ihrer Sprache als „Dummheit“ und Unfähigkeit der Sklaven Englisch zu lernen. Wird dieser Vorwurf aus heutiger Perspektive beurteilt, vergleichbar mit der Auffassung von Louise Bennett,[91] kann festgehalten werden, dass es sich dabei um eine Revolte der Sklaven handelte, die sich hilflos ausgeliefert sahen und nicht anders in der Lage waren Widerstand zu leisten.[92] Obwohl die Amtssprache auf Jamaika immer noch das „Queens English“ ist und Patwah oftmals als ein Dialekt der Unterschicht verkannt wird, hat sich mit der Unabhängigkeit Jamaikas 1962, insbesondere durch Louise Bennett, ein neues Bewusstsein in der jamaikanischen Bevölkerung ausgebildet. Sie rief unter anderem dazu auf, der jamaikanischen Kreolsprache mit Stolz zu begegnen und sich ihrer nicht zu schämen, da diese ein Produkt ihrer Vorfahren sei, die sich dadurch mit Erfolg gegen die westliche Herrschaft auflehnten. Die Ausbildung eines neuen sprachlichen Bewusstseins schließt zusätzlich die Entwicklung eines neuen Selbstverständnisses und gesellschaftliche Veränderungen ein, was bedeutet, dass sich die Jamaikaner ihrer Wurzeln und ihrer Identität bewusst wurden.[93]

 

Schließlich kann die Entwicklung von Patwah unterschiedlich aufgefasst werden. Einerseits handelt es sich bei Patwah um eine Kreolsprache, die sich im Zuge der Kolonialisierung aus einer sprachlichen Notsituation und diesbezüglich aus einer Pidginsprache heraus entwickelt hat. Diese wurde dann nach den Anforderungen der damaligen Gesellschaft spezifiziert und fungiert heute als Muttersprache vieler Jamaikaner. Andererseits kann die Entstehung, wie Louise Bennett unter anderem vorschlägt, als erfolgreiche Revolte und Auflehnung der Arbeitssklaven gegen die Unterdrücker interpretiert werden.

 

3.2 Was ist Rasta-Talk und Fakten zur Entstehung


 

Die Rastafari entwickelten durch grammatikalische und lexikalische Veränderungen und Erweiterungen der jamaikanischen Kreolsprache Patwah, einen gruppenspezifischen Wortschatz. Dieses sprachliche Verhalten kommt der Definition von Sondersprachen gleich, weshalb Rasta-Talk als solche deklariert werden soll.[94]

 

Bei einer Sondersprache handelt es sich um eine besondere Sprache, die vom gegebene Sprachsystem abweicht und von einer bestimmten sozialen Gruppe einer Sprachgemeinschaft verwendet wird. Die gegebene Lexik und Grammatik der vorhandenen Sprache wird nach individuellen Ansprüchen und Interessen der Gruppe modifiziert, sodass ein gruppenspezifischer Wortschatz entsteht. Überdies besteht die Möglichkeit, dass bestimmte Ausdrücke dieser Sondersprache in die gegebene Einheitssprache etabliert werden.[95]

 

Mittels der Sondersprache der Rastafari werden Weltanschauungen dieser jungen Bewegung vermittelt, die unter anderem, wie in Kapitel 2.3 aufgeführt wurde, einen Bruch mit dem westlichen und ehemals kolonialen Herrschaftssystem darstellen. Durch die Modifizierung des Patwah wird eine spezifische Beziehung zwischen Form und Funktion der Sprache hergestellt, deren Inhalte als eine Art Revolte angesehen werden können.[96] Nach Pollard (2000): „[h]ere patterns of speech really do reflect patterns of thought.“[97]

 

Das Rasta-Talk vielmehr als eine Abwandlung des Patwah und nicht, wie sich aufgrund der Weltanschauungen logisch ergeben würde, des „Queens Englisch“ zu betrachten ist, hat gesellschaftliche Hintergründe, die im Verlauf der...

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