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E-Book

Zen-Buddhismus Schritt für Schritt

AutorHarry Misho Teske
VerlagReclam Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783159613284
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Schritt für Schritt führt Harry Misho Teske, Zen-Meister in Kiel, in den Zen-Buddhismus ein. Es geht dabei um echtes, authentisches Zen in der Tradition der japanischen Rinzai-Schule.Zen bedeutet Üben, fortwährendes, nicht nachlassendes Üben; das Ziel ist die vollständige Erleuchtung. Der Weg dahin ist nicht leicht, aber einfach: Zazen, das Sitzen in Stille. Was dabei zu beachten ist, wo Gefahren lauern, wie Hindernisse überwunden werden können, das erläutert Harry Misho Teske. Illustriert ist das Buch mit farbigen Bildern von Christian Meier, der den klassischen Zyklus der zehn Ochsenbilder, die den Weg des Zen-Schülers veranschaulichen, neu interpretiert hat.

Harry Misho Teske, geb. 1958, gelernter Zimmermann, begegnete der Zen-Übung erstmals 1981 auf der Walz, praktiziert seit 1985 intensiv Zazen; 1991 im Kloster Hoko-ji, Japan, zum Mönch ordiniert; arbeitete 13 Jahre lang als Diplom-Sozialpädagoge und Therapeut.

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Leseprobe

2 Zazen – nichts Besonderes machen


Das große Problem unserer Zeit besteht darin, dass alle Menschen ihr Heil und ihr Glück außerhalb von sich selber suchen. Und im Laufe dieser Suche allen möglichen Modeerscheinungen, Lehren, Übungssystemen, Gurus und sogenannten verwirklichten Meistern hinterherlaufen, ohne dabei zu erkennen, dass das eigentliche Problem die Suche nach einer Wahrheit außerhalb des Suchenden selber ist. In dem Augenblick, in dem der Mensch seine Blickrichtung ändert und sich im wahrsten Sinne des Wortes er-innert, statt sich weiter zu veräußern, hat er seine verlorene Heimat wiedergefunden. Die erste Ursache und der letzte Sinn des Lebens sind in jedem Menschen und in jedem fühlenden Wesen immer vollständig vorhanden und aktiv. Diese, nennen wir sie ruhig: absolute Wirklichkeit erscheint in unserem Geist als Gedanke an die universelle Vollkommenheit, in unseren Gefühlen als reine Freude und Glückseligkeit und in unseren Körpern als fundamentale Gewissheit der Einheit aller Lebewesen.

In unserer hektischen und vorwiegend erfolgs- und gewinnorientierten Wirklichkeit erscheinen Gedanken jedoch viel häufiger als eine sehr chaotische Affenhorde. Und diese Affenhorde wird umso wilder, je mehr wir versuchen, sie unter Kontrolle zu bringen. Die Gefühle werden von unangenehmer Wut, selbstsüchtigem Egoismus, unbefriedigtem Verlangen und Sehnsüchten, zermürbender Konkurrenz und Eifersucht sowie Angst, Depressionen und Selbstabwertung bestimmt und sind häufig alles andere als glückselig. Unsere Körper sind äußerst anfällig für alle möglichen Krankheiten, werden bei kleinsten Unfällen schon teilweise erheblich verletzt, und Zeiten der vollkommenen Beschwerdelosigkeit sind eher die Ausnahme als die Regel. Einmal ganz abgesehen davon, dass unser irdisches Dasein auf jeden Fall tödlich enden wird. So hoffnungslos präsentiert sich unsere Situation, wenn wir unter dem Einfluss des mächtigen Dämons »Unwissenheit« stehen.

Die frohe Botschaft des Zen besagt nun aber glücklicherweise, dass es einen Ausweg aus diesem Jammertal des Leidens und der Unzufriedenheit gibt, und mehr noch, dass jeder von uns diesen Weg aus eigener Kraft beschreiten kann. Das Großartige an diesem Weg ist außerdem, dass er keine Flucht aus dieser Welt des Leidens erfordert, sondern dass das endlose Glück des Nirvāna mitten in dieser Welt der Unzulänglichkeiten zu finden ist. Ja selbst die Vorstellung, dass es erforderlich wäre, einen Weg zu gehen, um dieses Nirvāna zu erreichen, ist nur ein notwendiger Kunstgriff, um endlich unsere Augen zu öffnen für die uns allen innewohnende grundlegende Weisheit, in der wir alle schon vollkommen erleuchtete Buddhas, also vollkommen erleuchtete Menschen sind. Die eigentliche Veränderung findet nicht in der Außenwelt statt, sondern in unserem eigenen Geist, und aus diesem Grund ist es unbedingt erforderlich, dass wir unsere Blickrichtung ändern. Wir sollten endlich damit aufhören, die Erlösung außerhalb von uns selber zu suchen, sondern sie genau dort finden, wo sie schon seit ewiger Zeit auf uns wartet.

Erst ab dem Augenblick, in dem wir die Freiheit in uns selber gefunden haben, sind wir wirklich in der Lage, auch anderen Menschen und Lebewesen zu dieser endgültigen Freiheit zu verhelfen. Das heißt, wenn wir in der Welt und der Gesellschaft wirklich etwas verändern wollen, müssen wir bei uns selber anfangen und uns selber verändern. Woran es uns allen noch fehlt, ist das felsenfeste Vertrauen in unsere eigenen Fähigkeiten. Dieses Vertrauen bedeutet das Ende aller Ängste. Solange man nicht die universelle, strahlende und von Grund auf beglückende Natur des eigenen Geistes erkannt hat, der identisch ist mit der Natur des gesamten Universums, braucht man ein Arbeitsziel, auf das hin man die eigene Entwicklung ausrichtet. Dieses Planziel ist eben die Erleuchtung bzw. das Erwachen (Sanskr. Bodhi) und der Zustand der vollkommenen Befreiung (Sanskr. Nirvāna) von sämtlichen Hindernissen, Schwierigkeiten und leidverursachenden Emotionen, wohlgemerkt nur der leidverursachenden.

Hat man diesen Zustand auch erst einmal nur ansatzweise erreicht, erkennt man zweifelsfrei, dass es im Grunde nie etwas anderes gegeben hat als diese allumfassende und stets anwesende vollkommene Wirklichkeit, in der nie etwas gefehlt hat und vor der sich Bezeichnungen wie »Bodhi« und »Nirvāna« ausnehmen wie der Schein einer Haushaltskerze vor der leuchtenden Sonne. Für einen erleuchteten Menschen gibt es keine Erleuchtung mehr, für einen befreiten Menschen gibt es keine Freiheit mehr, und für einen erwachten Buddha gibt es den Zustand des Erwachens nicht mehr. Weil eben jeder vollständig in diesen Zuständen aufgegangen ist und nichts anderes mehr existiert außerhalb dieser Freiheit, dieser Erleuchtung und dieses Erwachens. Sich in diesem Zustand noch an begrenzenden Begriffen und beschränkten Definitionen wie »Erleuchtung« und »Nirvāna« festzuhalten, würde genau das Gegenteil einer befreiten Geisteshaltung bewirken.

 

Wir beginnen unsere Praxis damit, dass wir anfangen, unsere Atemzüge zu zählen, und zwar nicht irgendwie und mit zerstreutem Geist, sondern völlig konzentriert.

Der Atem wird an einem Punkt ungefähr drei Zentimeter unterhalb des Nabels beobachtet, und in diesen Punkt atmen wir auch hinein, natürlich nur in der Vorstellung. Dieser Punkt trägt den Namen Hara, und er ist der Punkt, an dem der Mensch die meiste Kraft ansammeln kann.

Wir fangen am besten damit an, dass wir das Ausatmen mit »Eins« zählen, das Einatmen mit »Zwei«, das nächste Ausatmen mit »Drei« und so weiter, bis wir bei »Zehn« sind. Dann ist es ganz entscheidend, wieder von vorn anzufangen und das nächste Ausatmen wieder mit »Eins« zu zählen. Sollten Sie sich dabei ertappen, mit den Gedanken schon beim Abendessen zu sein oder beim nächsten Jahresurlaub, fangen Sie sofort wieder bei »Eins« an. Dasselbe machen Sie, wenn Sie beim Zählen merken, dass Sie über »Zehn« hinaus gezählt haben und, sagen wir mal, bei »Dreizehn« sind. Das ist das sichere Anzeichen dafür, dass Sie nicht mehr beim Zählen der Atemzüge waren, sondern ganz woanders mit Ihren Gedanken. Aber machen Sie sich keine Sorgen, dieses Problem haben nicht nur Sie, sondern jeder Mensch, egal welchen Alters und welchen Geschlechts. Entscheidend dabei ist, nicht die Flinte ins Korn zu werfen, sondern sanft, aber beharrlich weiterzumachen. Darin liegt das Geheimnis des Zen, denn nichts verwandelt den Menschen mehr als dauerhafte Praxis, und der Wert einer beharrlichen Übung ist nicht mit Gold aufzuwiegen.

1

Die körperliche Haltung, die Sie bei dieser Praxis einnehmen sollten, wird dadurch bestimmt, dass der Rücken gerade zu halten ist (Bild 1). Und das über die gesamte Dauer der Übung, das heißt 25 Minuten lang. In vielen Büchern ist zu lesen, dass die Haltung der Beine eine entscheidende Rolle in der Meditation einnimmt. Die Haltung der Beine dient ausschließlich dazu, den Körper während des Zazen, also während der Meditation in Stille, zu stabilisieren. Und ob das Ganze sitzend auf einem Stuhl geschieht oder im vollen Lotossitz auf dem Boden, spielt dabei die geringste Rolle. Zunächst einmal suchen Sie sich also eine Haltung aus, in der Sie bequem mit aufrechtem Rückgrat sitzen können. Setzen Sie sich im Schneidersitz auf ein Sitzkissen am Boden und legen Sie eine zusammengefaltete Decke unter das Sitzkissen. Hierbei beachten Sie bitte, dass möglichst beide Knie den Boden berühren, im Bedarfsfall legt man ein oder mehrere Bücher unter die Knie. Idealerweise benutzen Sie hierfür ein Zabuton und ein Zafu, also eine Sitzmatte und ein Sitzkissen, aber zu Beginn tun es auch ein zusammengelegtes Kissen und eine Wolldecke als Unterlage.

2

Der Viertel-Lotossitz (Bild 2) ist eine andere mögliche Sitzposition, die man dadurch einnimmt, dass man einen Fuß aus dem Schneidersitz auf den gegenüberliegenden Unterschenkel legt, entweder den rechten Fuß auf den linken Unterschenkel oder den linken Fuß auf den rechten Unterschenkel, außerdem kann man diese Sitzhaltung nach einer Sitzperiode ohne weiteres wechseln. Der halbe Lotossitz sieht fast genauso aus, nur dass der eine Fuß nicht auf dem Unterschenkel, sondern auf dem Oberschenkel liegt, auch diese Sitzposition können Sie nach einer Meditationsrunde ohne weiteres wechseln. Sie sollten darauf achten, dass Sie sich während der Sitzrunde so wenig wie möglich bewegen.

3

Die ausgewogenste Sitzweise ist der volle Lotossitz (Bild 3), obwohl er für die meisten Menschen vor allem in unserem Kulturkreis am schwierigsten einzunehmen ist. Der Name »voller Lotossitz« rührt daher, dass in dieser Sitzposition auf beiden Knien dieselbe »volle« Spannung ruht. Diese Sitzposition bewahrt den Praktizierenden davor, beim Einschlafen umzufallen, aber sind Sie schon einmal bei der Meditation eingeschlafen? Wie dem auch sei, der volle Lotossitz wird eingenommen, indem man den rechten Fuß auf dem linken Oberschenkel ablegt und dann den linken Fuß auf dem rechten Oberschenkel. Um es noch einmal zu betonen, benötigen Sie auf jeden Fall bei diesem wie auch den anderen Sitzen, die auf dem Boden bzw. einer Sitzmatte ausgeführt werden, ein Sitzkissen. Dieses Kissen kann in der Höhe variieren, und zwar von cm bis zu...

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