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Zentrale Verarbeitung multimodaler sensorischer Reize nach Stimulation der Nasenschleimhaut mit Nikotin

AutorJessica Albrecht
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl109 Seiten
ISBN9783638008761
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Doktorarbeit / Dissertation aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Biologie - Humanbiologie, Note: Magna cum laude, Ludwig-Maximilians-Universität München (Abteilung für Neuroradiologie), 197 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Appliziert man Nikotindampf in niedrigen Konzentrationen auf die nasale Mukosa, so ruft es Geruchsempfindungen hervor. In höheren Konzentrationen ruft Nikotin zusätzlich ein Brennen oder Stechen in der Nase hervor. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war, die Hirnaktivierungen nach intranasaler Stimulation von S(-)-Nikotin in niedrigen, olfaktorisch leicht überschwelligen versus hohen, trigeminal leicht überschwelligen Konzentrationen zu vergleichen. Zuerst wurden die individuellen Geruchs- und Schmerzschwellen von Nikotin von jeweils 30 gesunden Gelegenheitsrauchern mittels PC-kontrolliertem Olfaktometer bestimmt. Danach wurden funktionelle Kernspinuntersuchungen mit einem 1,5 Tesla Magnetresonanztomographen während der Applikation von intranasalen Nikotinreizen in olfaktorisch und trigeminal leicht überschwelligen Konzentrationen durchgeführt. Nach den Bildgebungsexperimenten nahm ein Teil der Probanden an einem weiteren Experiment teil. Während dieses Experiments sollten die Probanden die Intensität der olfaktorischen und trigeminalen Wahrnehmung während intranasaler Nikotinstimulation außerhalb des Magnetresonanztomographen bewerten. Dabei wurden die gleichen Stimulationsparadigmen verwendet wie während der Bildgebungsexperimente. Obwohl die subjektive Wahrnehmung von Nikotindampf in niedrigen und hohen Konzentrationen sich deutlich voneinander unterschied, konnten Aktivierungen in nahezu gleichen Hirnarealen in beiden Experimenten gefunden werden. Diese Hirnareale entsprachen Arealen, von denen bekannt ist, dass sie für die olfaktorische Informationsverarbeitung zuständig sind, aber auch Arealen, die spezifisch für die Verarbeitung von schmerzhaften Reizen sind. Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl das olfaktorische, als auch das trigeminale System während chemosensorischer Wahrnehmung von Nikotindampf aktiviert werden und dass es nicht möglich ist, olfaktorische von trigeminalen Effekten zu trennen, indem man die Stimuluskonzentration variiert. Die Aktivierungen von olfaktorischen und trigeminalen Arealen nach chemosensorischer Stimulation mit verschiedenen Nikotinkonzentrationen sind weitgehend unabhängig von der wahrgenommenen Intensität der Stimuli.

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Leseprobe

2 Theoretischer Hintergrund


 

2.1 Die Geruchswahrnehmung


 

Was im Allgemeinen unter dem Riechen verstanden wird, setzt sich meist aus einer Vielzahl von Sinneseindrücken (Geruch, Schmerz, Berührung, Temperatur, auch Geschmack) zusammen. Während des Riechvorgangs ist die Aktivierung olfaktorischer Rezeptoren entscheidend. Es gibt Substanzen (z. B. Schwefelwasserstoff, H2S), die selektiv nur das olfaktorische System aktivieren. Ein kribbelnder oder sogar brennender Eindruck während des Riechens entsteht durch Aktivierung des trigeminalen Systems. Kohlendioxid (CO2) etwa stimuliert nahezu ausschließlich das trigeminale System (Kobal & Hummel 1988). Die Mehrheit der Duftstoffe aktiviert in Abhängigkeit von der Konzentration sowohl das olfaktorische, als auch das trigeminale System des Menschen (Cometto-Muniz et al. 1998a; Doty et al. 1978; Hummel et al. 1992b). Diese multimodalen Duftstoffe werden von zwei anatomisch voneinander unabhängigen Systemen (olfaktorisches/trigeminales System) verarbeitet. Die entsprechende Wahrnehmung wird durch eine sensorische Integration der Informationen erzeugt (Calvert 2001). Bei Tieren tragen darüber hinaus noch das Vomeronasalorgan, der Nervus terminalis und die solitären chemosensorischen Zellen zur Geruchsempfindung bei (Sbarbati & Osculati 2003). Beim Menschen konnten diese Strukturen aber bislang nicht eindeutig nachgewiesen werden. Die folgenden Abschnitte beschäftigen sich mit dem olfaktorischen und dem trigeminalen System. Obwohl das derzeitige Verständnis der Organisation der Nervenbahnen des olfaktorischen und trigeminalen Systems hauptsächlich auf Studien basiert, welche an Nagetieren und Primaten durchgeführt wurden, wird angenommen, dass diese Systeme eine gleiche oder ähnliche prinzipielle Organisation im menschlichen Körper besitzen.

 

2.1.1 Das olfaktorische System


 

2.1.1.1 Das periphere olfaktorische System

 

Die Geruchsrezeptoren sind nicht gleichmäßig über die Nasen- und Rachenschleimhaut verteilt. Der am hinteren Nasendach gelegene Teil der Nasenschleimhaut (Regio olfactoria) beherbergt die meisten Geruchsrezeptoren. Einige olfaktorische Rezeptoren kann man auch an der oberen Nasenmuschel, am oberen Teil der mittleren Nasenmuschel, am Septum sowie im Rachenraum finden.

 

Die Riechschleimhaut besteht aus dem Riechepithel und der Lamina propia. Das menschliche Riechepithel ist ein mehrreihiges Flimmerepithel, in dem sich mehrere Millionen primäre olfaktorische Neurone befinden. Das Riechepithel wird durch eine Basalmembran von der Lamina propria getrennt. In der Lamina propria befinden sich neben zahlreichen Blutgefäßen und Nervenfasern die Glandulae olfactoriae (Bowman-Drüsen). Diese sind maßgeblich an der Bildung des Riechschleims beteiligt.

 

Olfaktorische Neurone sind bipolare Nervenzellen, deren apikaler Fortsatz in einer Auftreibung mit zahlreichen feinen Sinneshaaren (Cilia) in der das Epithel bedeckenden Schleimschicht endet. Duftstoffe, welche in den Riechschleim penetrieren, interagieren mit den olfaktorischen Rezeptorproteinen, die in der Plasmamembran der Ciliae lokalisiert sind. Die Bindung des Duftstoffs an den Golf-Protein gekoppelten Rezeptor löst eine ‚Second Messenger’ Kaskade (‚Second Messenger’: cAMP, cGMP oder IP3) aus, die zu einem Membranpotential führt. Dieses breitet sich über den Zellkörper hinweg auf das Axon aus, das basal aus dem Zellkörper des olfaktorischen Neurons hervorgeht. Die Axone der einzelnen Neurone sammeln sich zu Axonbündeln, die als Fila olfactoria bezeichnet werden. Die Gesamtheit der Fila olfactoria bilden den Nervus olfactorius, bei dem es sich nach neuroanatomischen Kriterien nicht um einen Hirnnerv im eigentlichen Sinne handelt, da es kein kranial liegender Spinalnerv ist.

 

Olfaktorische Neurone sind die einzigen Neurone, die in unmittelbarem Kontakt mit der Außenwelt stehen und können deshalb sehr leicht durch äußere Noxen geschädigt werden. Die durchschnittliche Lebensdauer der olfaktorischen Neurone beträgt einige Monate. Danach sterben sie ab und werden durch Ausdifferenzierung von neuronalen Stammzellen (Basalzellen), welche der Basalmembran aufliegen und auch im Erwachsenenalter noch zu regelmäßiger mitotischer Teilung fähig sind, ersetzt (Calof et al. 1996; Graziadei & Graziadei 1979). Die Stützzellen umhüllen die Dendriten der olfaktorischen Neurone und isolieren diese. Sie schützen die olfaktorischen Neurone vor äußeren Einwirkungen, deaktivieren Duftstoffe und beseitigen Zellreste untergegangener Neuronen. Zwischen den Stützzellen befinden sich verschiedene Arten von mikrovillären Zellen, die möglicherweise chemorezeptive Funktionen besitzen.

 

Jede olfaktorische Rezeptorzelle exprimiert einen oder höchstens zwei verschiedene Geruchsrezeptortypen. Es wird geschätzt, dass Menschen über 350 bis 400 funktionstüchtige Geruchsrezeptortypen verfügen (Malnic et al. 2004; Niimura & Nei 2005). Mit dieser begrenzten Zahl an Rezeptortypen kann der Mensch eine auf den ersten Blick sehr hohe Zahl von ca. 10.000 verschiedenen Duftstoffmolekülen wahrnehmen (Buck & Axel 1991). Dies ist möglich, da ein Duftstoff nicht nur einen spezifischen Rezeptor aktiviert, sondern mit seinen funktionellen Gruppen eine große Menge an Rezeptortypen mit unterschiedlicher Affinität aktivieren kann. Umgekehrt kann ein Rezeptor von funktionellen Gruppen verschiedener Duftstoffe aktiviert werden. Ein Geruch entsteht, wenn ein Duftstoffmolekül mit seinen funktionellen Gruppen mehrere Geruchsrezeptoren mit unterschiedlicher Intensität aktiviert und dadurch ein für diesen Duftstoff charakteristisches Intensitätsmuster an aktivierten Rezeptoren entsteht (Malnic et al. 1999). Ein anderer Duftstoff kann ein anderes Set an Rezeptoren aktivieren, von denen einige schon vom ersten Duftstoff aktiviert wurden. Wieder würde ein charakteristisches Intensitätsmuster aktivierter Geruchsrezeptoren entstehen. Demzufolge scheint die Kodierung der Geruchsqualität mit der neuronalen Analyse der topographischen Verteilung der aktivierten Rezeptorproteine eng in Verbindung zu stehen (Wiesmann et al. 2004).

 

2.1.1.2 Anatomie des zentralen olfaktorischen Systems

 

Das menschliche zentrale olfaktorische System kann in folgende Bestandteile gegliedert werden (Weismann et al. 2001; Wiesmann et al. 2004) (Abb. 1):

 

(1) Primärer olfaktorischer Kortex

 

Die olfaktorische Information wird von den olfaktorischen Rezeptoren (Neuronen 1. Ordnung) in der nasalen Mukosa über den olfaktorischen Nerv zum Bulbus olfactorius übertragen. Der Bulbus olfactorius ist entwicklungsgeschichtlich kein Ganglion, sondern eine Ausstülpung des Telenzephalons. Er gehört zum Paläokortex, dem, im Vergleich zum Neo- und Archikortex, ältesten Teil des Endhirns. Nach neuroanatomischen Kriterien muss daher der Bulbus olfactorius als primärer olfaktorischer Kortex bezeichnet werden (Albrecht & Wiesmann 2006; Boyle et al. 2007; Cleland & Linster 2003). Diese Bezeichnung stellt sich widersprüchlich zur herkömmlichen Literatur dar, in der der Bulbus olfactorius als kortikales olfaktorisches Areal meist ignoriert wird (Zatorre et al. 1992).

 

In der knöchernen Frontobasis des Schädels befindet sich eine vom Siebbein gebildete zarte Knochenlamelle (Lamina cribrosa). Darin ist auf jeder Seite eine Vertiefung erkennbar (Fossa olfactoria), in welcher ein Bulbus olfactorius liegt. Die Lamina cribrosa besitzt im Bereich der Fossae olfactoriae auf jeder Seite Perforationen, durch die die Fila olfactoria das Schädelinnere erreichen und zum ipsilateralen Bulbus olfactorius ziehen (Weismann et al. 2001). Im Bulbus olfactorius bilden die Axone der olfaktorischen Neurone Synapsen mit Dendriten der Mitral- und Büschelzellen (Neuronen 2. Ordnung). Dieses Netz aus Synapsen formt sich zu einer funktionellen Einheit, dem Glomerulus. Axone von olfaktorischen Rezeptorneuronen, die einen Rezeptortyp exprimieren, projizieren auf ein Glomerulus im Bulbus olfactorius. Ein Glomerulus ist also eine Art „Sammelstelle“ für Signale eines Rezeptortyps.

 

Mit den derzeit aktuellen bildgebenden Verfahren ist es nicht möglich, den Bulbus olfactorius des Menschen darzustellen.

 

 

Abb. 1 Überblick über die zentralnervösen Projektionen des olfaktorischen Systems (Abbildung modifiziert nach Albrecht & Wiesmann (2006))

 

(2) Sekundärer olfaktorischer Kortex

 

Die Bulbi olfactorii sind über den Pedunculus olfactorius mit dem sekundären olfaktorischen Kortex verbunden. Der Pedunculus olfactorius besteht aus dem Tractus olfactorius und einer dünnen Schicht grauer Substanz, welche zum Nucleus olfactorius anterior gehört. Die Axone aller Mitral- und Büschelzellen, die den Bulbus olfactorius verlassen, bilden zusammen den Tractus olfactorius. Dieser verläuft an der Unterseite des Frontalhirns im Sulcus olfactorius, der lateral zum Gyrus rectus gelegen ist, nach dorsal. So erreicht die olfaktorische Information ipsilaterale Hirnareale im hinteren Teil der frontobasalen Hirnoberfläche und im dorsomedialen Teil der temporalen Hirnoberfläche (Gottfried 2006). Auf diesem Weg entsendet der Tractus...

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