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E-Book

Zitat, Paraphrase, Plagiat

Wissenschaft zwischen guter Praxis und Fehlverhalten

VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl339 Seiten
ISBN9783593433400
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis30,99 EUR
Wissenschaftliches Fehlverhalten - ein individualethisches Problem? Dass viel mehr dahinter steckt, zeigt die interdisziplinäre Arbeitsgruppe »Zitat und Paraphrase« der Berlin Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Der Band versammelt Beiträge zur historischen Entwicklung der Belegkultur, zur Frage von Urheberschaft und Originalität in der Wissenschaft sowie zu Problemen des wissenschaftlichen Fehlverhaltens in Naturund Geisteswissenschaften.Die Historikerin Dr. Christiane Lahusen ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der BBAW. Christoph Markschies, Professor für Kirchengeschichte, war von 2006 bis 2010 Präsident der HU Berlin und ist seit 2011 Vizepräsident der BBAW.

Die Historikerin Dr. Christiane Lahusen ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der BBAW. Christoph Markschies, Professor für Kirchengeschichte, war von 2006 bis 2010 Präsident der HU Berlin und ist seit 2011 Vizepräsident der BBAW.

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Vorwort der Herausgeber


Christiane Lahusen und Christoph Markschies

Mit dem hier vorgelegten Band Zitat, Paraphrase, Plagiat. Wissenschaft zwischen guter Praxis und Fehlverhalten gibt die interdisziplinäre Arbeitsgruppe Zitat und Paraphrase der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) einen Einblick in ihre Arbeit. Die in den letzten Jahren zum Teil mit größerer (und sogar sehr großer) öffentlicher Aufmerksamkeit verhandelten Plagiatsfälle in wissenschaftlichen Veröffentlichungen (keineswegs nur in Qualifikationsarbeiten von Politikerinnen und Politikern)1 waren der Ausgangspunkt, nicht der Anlass der Arbeitsgruppe. Anlass der Arbeitsgruppe waren vielmehr die diversen wissenschaftsgeschichtlichen, wissenschaftspolitischen, wissenschaftssoziologischen und wissenschaftstheoretischen Probleme, auf die diese Fälle und ihre Behandlung in der Öffentlichkeit wie der Wissenschaft aufmerksam machen. Da die Akademie laut ihrer Satzung den Auftrag hat,2 den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu fördern und Aufgaben der Gesellschafts- und Politikberatung wahrzunehmen, lag es nahe, ein solches zentrales Thema an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft aufzugreifen. Entsprechend regte der Vorstand der Akademie die Bildung einer solchen interdisziplinären Arbeitsgruppe (IAG) im Herbst 2012 an; die Einrichtung erfolgte aufgrund eines Beschlusses des Rates der Akademie und mit namhafter finanzieller Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung im Frühjahr 2013. Eine IAG darf freilich nicht mit einem Langzeitvorhaben im Akademienprogramm des Bundes und der Länder verwechselt werden; eine vollständige Aufarbeitung der diversen Probleme in den genannten Bereichen war weder beabsichtigt noch während der Laufzeit der Arbeitsgruppe mit den ihr zugebilligten personellen und finanziellen Mitteln zu leisten. Die Beiträge des Bandes sollen stattdessen notwendige historische, soziologische und wissenschaftstheoretische Informationen bereitstellen, um in Zukunft auch in Deutschland das Problem von wissenschaftlichem Fehlverhalten auf einem Niveau zu bearbeiten, das mindestens dem anderer europäischer Länder vergleichbar ist. Denn man wird schlecht bestreiten können, dass an dieser Stelle ein erheblicher Nachholbedarf im bundesrepublikanischen Wissenschaftssystem besteht, wie das Projekt Impact of Policies for Plagiarism in Higher Education Across Europe deutlich gemacht hat. Im Rahmen dieser von der Europäischen Union finanzierten Studie wurden zwischen Oktober 2010 und September 2013 Strategien und Praktiken im jeweiligen nationalen Hochschulwesen untersucht, mit denen studentisches Plagiieren aufgedeckt wird und verhindert werden soll. Schon ein flüchtiger Blick auf die in einer Tabelle (»Comparison of Academic Integrity Maturity across 27 EU Countries«)3 zusammengefassten Ergebnisse dieser im Netz zugänglichen Studie macht deutlich, dass die Dinge in anderen Staaten der Europäischen Gemeinschaft erheblich besser stehen. Damit soll nicht bestritten werden, dass einzelne Zeitschriften hierzulande insbesondere mit Hilfe ihrer Rezensionen schon lange vor Zeiten der mechanisierten Suche nach Plagiaten im Internet mangelnde wissenschaftliche Originalität und fehlende Standards im Blick auf Zitat und Paraphrase unerbittlich bemängelt haben; selbstverständlich haben auch die diversen Plattformen und das große mediale Interesse am Thema im Internet für das Thema weiter sensibilisiert. Bereits 2008 überschrieb ein Nachrichtenmagazin polemisch einen Artikel über Plagiate in der Wissenschaft und über eine Untersuchung der University of Texas, die Datendiebstahl und die Mehrfachpublikationspraxis am Beispiel von Biologen ins Visier nahm, mit der zugespitzt formulierten Frage: »Warum selber arbeiten, wenn man auch abschreiben kann?«4

Im Zentrum der IAG Zitat und Paraphrase der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stand das »Abschreiben« in der Wissenschaft, das Plagiat und die diversen wissenschaftsgeschichtlichen, wissenschaftspolitischen, wissenschaftssoziologischen und wissenschaftstheoretischen Probleme, die damit ganz unmittelbar verbunden sind. Wie grundlegend diese Probleme sind, macht eine sehr grundsätzliche Kritik an der gegenwärtigen Disposition der Geistes- und Sozialwissenschaften deutlich, die man im Zusammenhang mit den öffentlichen Debatten über prominente und weniger prominente Plagiatsfälle öfter lesen kann; sie wird stellenweise auch schon auf die Natur-, Technik- und Lebenswissenschaften ausgedehnt: Das Plagiat falle in diesen Wissenschaften schon deshalb kaum mehr auf, weil ihnen die Verpflichtung zur Originalität beziehungsweise zur Innovation strukturell abhandengekommen sei.5 Als Symptom der veränderten Erwartungen wird dabei eine Überproduktion von solchen Veröffentlichungen ausgemacht, deren Hauptzweck im Paraphrasieren längst bekannter Positionen respektive in der positivistischen Zusammenfassung sowie im bloßen Abschreiben von mechanisch übernommenen Quellen besteht. Die unausgezeichnete Übernahme ganzer Textblöcke stelle dabei dann nur die letzte Konsequenz einer jeden Originalitätsanspruchs beraubten Wissenschaftskultur dar.

Nimmt man dieser Kritik ihre leicht polemische Spitze, dann beschreibt sie ein Stück weit die Praxis von Wissenschaften in der Gegenwart und markiert – ungeachtet aller Bedenken gegen die Angemessenheit dieses Duals – zugleich doch einen Unterschied zwischen den Wissenschaftskulturen: Während in den Natur-, Technik- und Lebenswissenschaften vermutlich kaum jemand auf die Idee kommt, die Qualität eines Papers an der Eigenständigkeit der Wortwahl zu bemessen, unterliegen die Geisteswissenschaften an diesem Punkt anderen Normen. Sie orientieren sich offensichtlich an sprachlichen Besitzordnungen, die auf ein Konzept von geistigem Eigentum verweisen und deren negative Grenzbestimmung der leicht unscharfe (und juristisch nicht unproblematische) Begriff des »Plagiats« bildet.6

Anliegen der Arbeitsgruppe war, die verschiedenen Problemkomplexe präzise zu identifizieren und möglichst konkret zu benennen. Dabei ging es zunächst nicht darum, erneut die bestehenden Standards zu formulieren, Methoden zu ihrer besseren Implementierung zu entwickeln und schärfere Sanktionen vorzuschlagen – der Blickwinkel der Arbeit der Gruppe war eher ein analytischer als ein normativer, da an Publikationen, die zu korrektem Zitieren und Paraphrasieren anleiten, bekanntlich kein Mangel herrscht und auch kein Unwissen darüber besteht, wie einwandfreies wissenschaftliches Arbeiten auszusehen hat.7 Gleichwohl wird sich die Arbeitsgruppe im Jahr 2016 noch einmal zur Frage äußern, welche Methoden besserer Implementierung der bestehenden Standards und welche schärferen Sanktionen ihren Mitgliedern aufgrund ihrer Analysen in den vergangenen Jahren besonders sinnvoll erscheinen. Im Laufe ihrer Arbeit hat sich die IAG aber vor allem auf terminologische, wissenschaftsgeschichtliche und wissenschaftsethische Probleme konzentriert:

Bei den beiden Begriffen Zitat und Paraphrase (vor allem natürlich bei »Zitat«) handelt es sich um in den aktuellen Debatten häufig verwendete, aber sehr unterschiedlich gebrauchte und verstandene Termini. So versteht man gewöhnlich unter Zitat eine »wörtlich angeführte Stelle aus einer Schrift oder Rede«.8 Nach dem Verständnis des Urheberrechts bedeutet Zitat aber »die nach den Schranken des Urhebergesetzes erlaubte Nutzung von Teilen eines urheberrechtlich geschützten Werkes in einem anderen Werk« und entsprechend wird zwischen einer »Anführung (Kleinzitat)«, »Aufnahme (Großzitat)« und einer »Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Wiedergabe des Zitats« unterschieden.9 Der Begriff »Paraphrase« wird dagegen gern mit kritischer Absicht verwendet. Tatsächlich schließt er aber eine Vielzahl von textlichen Verfahrenstechniken ein, die der geisteswissenschaftlichen Produktion von Wissen zugrunde liegen. Eine präzise Unterscheidung der erkenntnisfördernden von den erkenntnishemmenden Funktionen der wissenschaftlichen Paraphrase bleibt ein Desiderat, das die Arbeitsgruppe nicht beheben konnte.10

Der Umgang mit Zitat und Paraphrase hat zudem eine wissensgeschichtliche Dimension, wie drei kurze Beispiele dokumentieren können: Während es lange als unfein galt, sich in Fußnoten selbst zu zitieren und es gute wissenschaftliche Praxis war, die Menge der Selbstreferenzen vor einer Veröffentlichung drastisch zu beschneiden, führt die verschärfte Jagd nach dem Plagiat zur gegenteiligen ...

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