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Zivilisationskrank

Wie wir unsere biologische Natur mit dem modernen Leben versöhnen

AutorJohn J. Ratey, Richard Manning
VerlagVerlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783732513154
Altersgruppe16 – 
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR

Seit 40 000 Jahren haben sich unser Körper und Gehirn kaum, unsere Lebensweise durch die Zivilisation jedoch dramatisch verändert. Das tut uns nicht gut. Krankheiten wie Diabetes, Stress oder Burnout nehmen zu.

Wir leiden an einer Naturdefizit-Störung, sagt der renommierte Psychiater und Mediziner John Ratey. 'Raus in die Wildnis! Weniger ist mehr!', lautet daher sein Rat. Schalten Sie Fernseher und Smartphone aus, bewegen Sie sich im Grünen.

Anhand neuester Wissenschaftserkenntnisse zeigen Ratey und Co-Autor Manning, wie Aufenthalte in der Natur, mehr Schlaf, gezielte Ernährung und Achtsamkeit unser Wohlbefinden und die Gesundheit steigern.

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Leseprobe

EINLEITUNG


Go Wild. Wenn man den amerikanischen Originaltitel hört, denkt man im ersten Moment vielleicht an Schulkinder, die außer Rand und Band herumspringen, wenn der letzte Schultag vor den großen Ferien vorbei ist. Daher ist es durchaus berechtigt, erst einmal zu fragen: Was ist damit gemeint? Wenn nicht ausflippende Schulkinder, dann vielleicht irgendwelche Nudisten oder Sonnenanbeter auf einer einsamen Insel oder urzeitliche Jäger im Lendenschurz, die ihre Speere nach Antilopen werfen oder Löwen verscheuchen? An so etwas Aufregendes ist nicht gedacht, aber man kommt der Sache schon näher. »Wild« ist heutzutage ein ziemlich überstrapaziertes Wort, das mit einer Fülle von Bedeutungen aufgeladen sein kann. Wir hingegen wollen uns auf seine ursprüngliche Bedeutung besinnen, um es sinnvoll benutzen zu können – sinnvoll für unser persönliches Wohlbefinden.

Was wir damit meinen, ist einfach zu erfassen. Man denke an »wild« im Gegensatz zu »zahm«, an einen Wolf im Gegensatz zu einem Hund, an ein Bison im Gegensatz zu einer Kuh. Behalten wir für einen Moment die gleiche Art der Unterscheidung im Hinterkopf, wenn wir dies auf den Menschen übertragen und an »die Wilden« denken. Das ist nicht ganz so abwegig, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Denn wenn man in längeren geschichtlichen Zeiträumen denkt – wenige zehntausend Jahre zurück genügt schon –, dann waren alle Menschen »Wilde«. Die gleichen Umstände und Kräfte, durch die Wolfshunde zu Haushunden domestiziert wurden, zähmten auch die »wilden« Menschen. Dies ist der Prozess der Zivilisation, und es liegt auf der Hand, dass er der Menschheit viele Vorteile gebracht hat. Wir wollen das keineswegs abstreiten. Das, worum es uns geht, hat mehr mit Genen, Evolution und Zeit zu tun. Die Evolution des Menschen vollzog sich fast ausschließlich unter den Bedingungen des Lebens in der freien Wildnis. Auch der moderne Mensch lebt genetisch noch unter den annähernd gleichen Bedingungen. Unsere Gene sind auf ein Leben und Überleben in freier, wilder Natur programmiert. Wenn wir es uns mit diesem Genprogramm in gezähmten, domestizierten, zivilisierten Lebensumständen bequem machen, machen wir uns krank und unglücklich.

Wir werden Ihnen eine ganze Reihe faszinierender Details aufzeigen, die sich aus diesem Genprogramm ergeben: dass Menschen dazu geboren sind, sich mit Anmut zu bewegen, dass es sozusagen in unseren Genen steckt, uns für Neues zu interessieren, dass wir uns von Natur aus zu offenen Räumen hingezogen fühlen, und vor allem, dass wir zur Liebe geboren sind. Eine weitere grundlegende Tatsache der menschlichen Existenz ist die Fähigkeit zur Heilung im Sinne der Selbstheilung. Dahinter steckt das Konzept der sogenannten Selbstregulierung, ein ganz fabelhaftes Reparatursystem angesichts des Verschleißes und des Stresses des alltäglichen Lebens. Daran denken wir im Wesentlichen, wenn wir von Go Wild sprechen.

Zu Beginn unseres Plädoyers für Go Wild zeigen wir Ihnen die wahrhaft dramatischen Folgen des Zivilisationsprozesses auf, die in mancher Hinsicht in die Katastrophe führen. Die weltweit wichtigsten Krankheits- und Todesursachen – Killer wie Herzkrankheiten, Fettleibigkeit, Depression, Krebs – sind der Preis, den wir zahlen, wenn wir unser eigenes Genprogramm ignorieren. Dabei ist es gar nicht so schwierig, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag, diese Fehlentwicklung ganz individuell, durch persönliches Verhalten, wieder einzurenken. Das bewirkt das Wunder der Selbstregulierung. Die Aufgabe besteht darin, gewohnte Trampelpfade zu verlassen, um es dem Körper zu ermöglichen, seine Selbstheilungskräfte zu entfalten. Sie sind ein Geschenk der Evolution. Die Schritte dorthin sind leicht nachzuvollziehen, selbst in der modernen Zivilisation. Wir tragen hier keine bloßen Theorien oder Vermutungen vor. Viele Menschen haben diese Schritte bereits vollzogen, auch die Autoren dieses Buches. Wenn Sie unseren Gedanken folgen, werden Sie eine ganz neue Einstellung zu den natürlichen Lebensumständen des Menschen gewinnen. Dazu sollte unter anderem die Erkenntnis zählen, dass alles, was wir tun und denken, miteinander verbunden ist. All das beeinflusst unser Wohlbefinden. Diese an sich einfache Erkenntnis widerspricht in geradezu eklatanter Weise den grundsätzlichen Kategorien westlichen Denkens in den Wissenschaften und vor allem in der modernen Medizin. Die wissenschaftlichen Prinzipien fordern, ein Problem analytisch in seine einzelnen Bestandteile zu zerlegen, die fehlerhafte Komponente zu definieren, zu reparieren oder zu ersetzen. Das funktioniert bei Maschinen tadellos, aber wir sind keine Maschinen. Wir sind Geschöpfe der Wildnis, wilde Tiere. Und das oberste Prinzip der Wildnis lautet: Stelle dich auf Komplexität ein.

Es ist eine Tatsache, dass Ihre depressive Stimmung nicht nur ein bestimmter Geisteszustand ist, der sich irgendwo im Gehirn lokalisieren lässt. Sie kann direkt mit Ihren sportlichen (vielmehr: unsportlichen) Gewohnheiten zu tun haben oder damit, welche Gemüse oder Proteinarten Sie zu sich nehmen. Die Ursache für Ihre Fettleibigkeit könnte mit Ihrer Ernährung zu tun haben, aber genauso gut mit einer Infektion oder Schlafmangel – oder, selbst das ist denkbar, mit dem zu geringen Geburtsgewicht Ihrer Großmutter mütterlicherseits. Möglicherweise lassen sich Ihre beruflichen Probleme durch lange Spaziergänge in den Bergen mit Ihrem Hund lösen.

Jeder weiß, dass der Oberschenkelknochen mit dem Hüftknochen verbunden ist. Diese Erkenntnis wollen wir sehr viel weiter ausdehnen, um Ihnen eine Vorstellung von der enormen Komplexität und der Vernetzung verschiedener Aspekte des menschlichen Lebens zu geben.

In den folgenden Kapiteln werden wir das Thema Schritt für Schritt aufrollen, indem wir die relevanten Hauptpunkte in Unterthemen aufgliedern; darunter finden sich dann auch einige der üblichen Verdächtigen. Wir beginnen mit einigen grundlegenden Sachverhalten wie Ernährung und sportlichem Training, aber das soll nicht bedeuten, dass wir hier in gängiger Weise Ratschläge erteilen wollen – nach dem Motto: Tu das! oder: Iss nicht jenes! Vielmehr wollen wir auf bestimmte grundlegende Einsichten hinwirken, auf eine neue innere Einstellung zur menschlichen Lebensweise. Darauf aufbauend sollen weitere Verhaltenssituationen und Aspekte betrachtet werden, wie Schlaf, Achtsamkeit, Gemeinschaft, menschliche Beziehungen und Biophilie. Im weiteren Verlauf werden Sie sehen, dass eine ganze Reihe von Themen zur Sprache kommen, und Sie werden schnell feststellen, dass unsere Untergliederung, die Eingrenzungen und Abgrenzungen zwischen verschiedenen Teilen des Buches durchlässig sind, sich überschneiden und wiederholen. So werden wir uns als Erstes mit Ernährungsfragen beschäftigen. Dabei kommt man fast unausweichlich auf Dinge wie Hirnfunktion oder Immunsystem zu sprechen, die jedes für sich ein eigenes Thema bilden können. Darin spiegelt sich eben auch die Realität in all ihrer Komplexität.

Viel wichtiger aber ist es zu sehen, dass jedes dieser Themen einen bestimmten Verlauf hat und jeder dieser Verläufe irgendwann im Gehirn und im Bewusstsein endet. Das ist keineswegs überraschend. Schließlich ist das Wohlbefinden eine Sache des aktiven Bewusstseins. Dies wiederum führt zu einer Reihe von Grundsätzen oder Theorien, die den weiteren Gedankengang prägen. Manche dieser Theorien oder Behauptungen widersprechen einander. Aber jede hat etwas für sich, und man kann viel daraus ableiten und lernen.

Der erste Grundsatz taucht in der einen oder anderen Form immer wieder auf. Seine beste Formulierung findet sich in einem Satz, der amerikanischen Ureinwohnern zugeschrieben wird: »Jedes Tier weiß mehr als wir Menschen.« Die gegenteilige Behauptung hat eine lange, ungebrochene Tradition im westlichen Denken: Es ist die Vorstellung vom Menschen als »Krone der Schöpfung«, die in der jüdisch-christlichen Tradition tief verwurzelt ist. Danach stehen die Menschen an der Spitze der Evolutionspyramide, deutlich getrennt vom Tierreich und allen anderen überlegen.

Vielleicht ist es am besten, für den erstgenannten Standpunkt die Stimme eines Feldbiologen zu hören. Oftmals haben solche Forscher das beste Verständnis dafür, ähnlich einst die Indianer. Die genaue Beobachtung einer beliebigen Wildtierart ermöglicht vor allem ein tiefes Verständnis für die im Tier angelegten subtilen Möglichkeiten, wie es sich an seine Umgebung anpasst. Ein Biologe hat dieses Konzept der bestmöglichen Anpassung an eine gegebene Umwelt einmal als treffsichere Replik auf die herausfordernde Frage »Wenn Eulen angeblich schlau sind, wie Sie behaupten, warum bauen sie dann keine Häuser, Autos oder Computer?« auf den Punkt gebracht: »Sie sind so schlau, dass sie diese Dinge nicht brauchen.«

Die gleiche Vorstellung lässt sich aus viel alltäglicheren Zusammenhängen ableiten. Man muss nicht unbedingt studierter Biologe sein, um das Verhalten von Tieren zu beobachten. Viele Menschen machen das im normalen Leben ganz unwillkürlich, indem sie beispielsweise ihre Hunde beobachten. Schon viele Hundehalter haben gesehen, wie ihr Haushund einen Wurf Junge zur Welt brachte. Als verantwortungsbewusste Hunde-Übereltern bereiten wir uns so gut wie möglich auf das Ereignis vor. Wir konsultieren den Tierarzt, wir lernen etwas über die verschiedenen Möglichkeiten, wie man sicherstellt, dass die Jungen anfangen zu atmen; man muss eine Reihe von Dingen beachten, damit die Ankunft der Kleinen auf dieser Welt gelingt: etwaige Gegenstände, die die Atemwege verstopfen und Schleim wegwischen und dann durch sanftes Streicheln und Massieren den kleinen Körper so...

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