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Zur Diskussion um den Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt

AutorMaria Lehner
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2005
Seitenanzahl157 Seiten
ISBN9783638440387
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis59,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich VWL - Konjunktur und Wachstum, Note: 1,0, Universität Regensburg, 59 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: 'Der Stabilitätspakt ist dumm' (Prodi, 2002, S. 5), 'Der Stabilitätspakt ist tot' (von Hagen, 2004, S. 11), 'Dieser Pakt ist ein Dinosaurier' (Solow, 2004, S. 26) - diese und ähnliche kritische Statements im Hinblick auf den Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt lassen sich in letzter Zeit gehäuft vernehmen; es entsteht so der Eindruck eines dringenden Reformbedarfs des Paktes. Deutschland, auf dessen Druck hin der Stabilitäts- und Wachstumspakt einst verabschiedet wurde, hat sich angesichts der derzeit schlechten Haushaltslage inzwischen zu einem der schärfsten Gegner des Paktes gewandelt; sogar die Aussetzung des laufenden Defizitverfahrens gegenüber Deutschland und auch Frankreich wurde im November letzten Jahres im ECOFIN-Rat durchgesetzt und damit eine Klage der Europäischen Kommission beim Europäischen Gerichtshof in Kauf genommen. In Anbetracht der heftigen Kritik am Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt soll im Rahmen dieser Arbeit herausgearbeitet werden, ob der Pakt tatsächlich einer Reform bedarf und wie eine solche Reform ausgestaltet sein könnte. Hierzu werden zunächst die aktuellen Regelungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sowie die Gründe, die zu seiner Verabschiedung führten, vorgestellt. In einem nächsten Schritt wird auf die zentralen Kritikpunkte am Stabilitätspakt eingegangen, bevor anschließend einige der derzeit meistdiskutierten Reformvorschläge dargestellt werden. Diese Reformkonzepte werden in einem weiteren Schritt hinsichtlich verschiedener Kriterien analysiert, um letztendlich einige zentrale Schlussfolgerungen ziehen zu können.

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Leseprobe

Im Zuge des Frühwarnsystems nach Artikel 99 EGV und Verordnung (EG) Nr. 1466/97 kann der ECOFIN-Rat auf Empfehlung der Europäischen Kommission denjenigen Ländern der Europäischen Union eine Frühwarnung mit Empfehlungen zu notwendigen Anpassungsmaßnahmen aussprechen, die erheblich von dem mittelfristigen Haushaltsziel oder dem entsprechenden Anpassungspfad abweichen. Im Laufe des Verfahrens können diese Empfehlungen auch veröffentlicht werden.

Das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit nach Artikel 104 EGV und Verordnung (EG) Nr. 1467/97 wird durch die Europäische Kommission eingeleitet. Dies geschieht im Falle der tatsächlichen oder drohenden Überschreitung des 3%-Kriteriums der Neuverschuldung durch ein Land der Europäischen Union mit der Erstellung eines

2 Im Rahmen dieser Arbeit beziehen sich alle Verweise auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemein- auf die Fassung des EGV von Nizza vom 26.02.2001

Der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt


Defizit die Ausgaben für öffentliche Investitionen übersteigt (Art. 104 Abs. 3 EGV). Nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses gibt die Europäische Kommission eine eigene Stellungnahme und Empfehlung an den Rat der Europäischen Finanzminister ab (Art. 104 Abs. 5 EGV). Der ECOFIN-Rat entscheidet dann nach Prüfung der Gesamtlage mit qualifizierter Mehrheit und unter Einbezug des betroffenen Landes darüber, ob ein übermäßiges Defizit vorliegt (Art. 104 Abs. 6 EGV). Im folgenden Ablauf des Verfahrens werden alle Entscheidungen des Rates mit Zweidrittelmehrheit und unter Ausschluss des betroffenen Staates getroffen (Art. 104 Abs. 13 EGV). Stellt der Rat ein übermäßiges Defizit fest, richtet er Empfehlungen an das betroffene Land mit der Aufforderung zur Korrektur des übermäßigen Defizits spätestens im darauffolgenden Jahr und setzt ihm eine Frist von höchstens vier Monaten für das Ergreifen wirksamer Maßnahmen (Art. 104 Abs. 7 EGV; Art. 3 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1467/97). Nach erfolglosem Fristablauf kann der Rat seine Empfehlungen direkt nach Ablauf der Viermonatsfrist veröffentlichen (Art. 104 Abs. 8 EGV) und bei weiterer Untätigkeit kann er, sofern es sich um ein Mitglied der Europäischen Währungsunion handelt, dieses innerhalb einer weiteren Frist von einem Monat gerechnet ab dem Ablauf der vorhergehenden Viermonatsfrist mit Maßnahmen zum Defizitabbau in Verzug setzen (Art. 104 Abs. 9 EGV; Art. 5 VO (EG) Nr. 1467/97). Befolgt der Mitgliedstaat diese Maßnahmen nicht, wird von ihm spätestens nach Ablauf zweier weiterer Monate (Art. 6 VO (EG) Nr. 1467/97) eine unverzinsliche Einlage in Höhe einer festen Komponente von 0,2% des Bruttoinlandsprodukts und einer variablen Komponente in Höhe eines Zehntels des Wertes, um den das Defizit die 3%-Grenze überschreitet, verlangt (Art. 104 Abs. 11 EGV; Art. 12 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1467/97). Bei fortgesetztem Fehlverhalten wird die Einlage pro Jahr um ein Zehntel der Differenz zwischen dem Defizit des Vorjahres und dem 3%-Referenzwert erhöht (Art. 12 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1467/97). Die Höchstgrenze einer einzelnen unverzinslichen Einlage beläuft sich auf 0,5% des Bruttoinlandsprodukts (Art. 12 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1467/97), ist demnach bei einem Defizit von sechs Prozent erreicht. Ist das übermäßige Defizit zwei Jahre nach der Aufforderung, eine Einlage zu leisten, nicht abgebaut, wird die Einlage in eine Geldbuße umgewandelt (Art. 13 VO (EG) Nr. 1467/97). Daneben können gegen den betroffenen Mitgliedstaat weitere Sanktionen beschlossen werden, wie beispielsweise eine Überprüfung der Darlehenspolitik der Europäischen

Der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt


Nicht angewandt wird das Defizitverfahren, wenn zum einen die Neuverschuldung eines Landes erheblich und laufend zurückgegangen ist und sich in der Nähe der 3%- Grenze befindet und zum anderen, wenn das Defizit nur ausnahmsweise, vorübergehend und geringfügig über die 3%-Marke steigt (Art. 104 Abs. 2 a) EGV); „ausnahmsweise“ bedeutet in diesem Zusammenhang das Vorliegen eines schwerwiegenden Wirtschaftsabschwungs in der Größenordnung eines Rückgangs des Bruttoinlandsprodukts um mehr als 2%, in Ausnahmefällen schon ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts ab 0,75% (vgl. Entschließung des Europäischen Rates vom 17.6.1997) bzw. das Eintreten eines außergewöhnlichen Ereignisses, das sich der Kontrolle des betreffenden Mitgliedstaates entzieht und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt. Als „vorübergehend“ gilt ein Überschreiten des Referenzwertes, wenn Anzeichen auf ein baldiges Unterschreiten der 3%-Marke vorliegen bzw. wenn das außergewöhnliche Ereignis nicht mehr vorliegt oder der schwerwiegende Wirtschaftsabschwung beendet ist (Art. 2 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1467/97).

2.2 Formale Darstellung der Regelungen zum Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt Von den bisher skizzierten Regelungen des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes sollen nun die drei Referenzwerte, also die 3%-Grenze der jährlichen staatlichen Neuverschuldung, das 60%-Kriterium des öffentlichen Schuldenstandes sowie das mittelfristige Ziel eines ausgeglichenen oder sich im Überschuss befindlichen Staatshaushalts, formal dargestellt werden. In Anlehnung an Buiter lassen sich

Der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt


Δ − B B B < = = t t t 1 (1) 03 , 0 : d

t Y P Y P

t t t t B ≤ = t (2)

Gleichung (1) drückt das Kriterium für die jährliche staatliche Neuverschuldungsquo- d aus. auf das nominale Bruttoinlandsprodukt P muss die Nettokreditte t t Y

t

Δ eines Staates bzw. die Differenz zwischen dem Umfang der nominalen aufnahme B

t

Staatsschuld einer Periode zur Vorperiode unterhalb des Referenzwertes von drei Pro- liegen.

Gleichung (2) beschreibt das 60%-Kriterium des öffentlichen Schuldenstandes; die b bzw. der Nominalwert der ausstehenden Staatsstaatliche Schuldenstandsquote t B bezogen auf das nominale Bruttoinlandsprodukt P darf einen Wert von schuld t t Y

t

sechzig Prozent nicht überschreiten.

Das mittelfristige Ziel eines ausgeglichenen oder sich im Überschuss befindlichen Staatshaushalts, womit eine Bewältigung normaler Konjunkturschwankungen auch in konjunkturell schlechten Zeiten sichergestellt werden soll, wird durch Gleichung (3)

abgebildet; 6 Gleichung (3) besagt, dass der um Konjunktureinflüsse bereinigte Wert ~ einen Wert kleiner oder gleich

der jährlichen staatlichen Neuverschuldungsquote t d null annehmen muss.

Da der Stabilitäts- und Wachstumspakt in seiner Dauer als unbegrenzt gültig angelegt

∞ → = mit . wurde, gelten Gleichungen (1) bis (3) für alle Perioden T T t ,..., 1

Für die weiteren Ausführungen ist es zweckmäßig, Gleichungen (1) und (3) in zwei weiteren Varianten darzustellen. In Bezug auf die erste Möglichkeit formt man die

Der Europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt


B B = t t 1 unter Berücksichtigung der Terme für Inflationsrate Definition d :

t Y P

t t

− − P P Y Y π − − = = t t t t 1 1 und Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts sowie der : : n

t t P Y − − t t 1 1

B B b = = t t 1 Ausdrücke und um zu Gleichung (4): b

t t 1 Y P Y P − − t t t t 1 1

B B B − − − = = 1 1 t t t d b

t t Y P Y...

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