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E-Book

Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung

AutorSigmund Freud
Verlage-artnow
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl460 Seiten
ISBN9788026826125
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,99 EUR
Dieses eBook: 'Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Die Geschichte der Psychoanalyse begann Ende des 19. Jahrhunderts mit den Arbeiten Sigmund Freuds. Die Psychoanalyse wurde als Methode der modernen Psychotherapie entwickelt, deren Wurzeln bis ins 18. Jahrhundert, etwa zu Franz Anton Mesmer, zurückreichen. Sofern Psychoanalyse Religionskritik und Kulturkritik übte, stand sie zudem in der Tradition der Aufklärung. Freud selbst meinte, dass der beste Weg zum Verständnis der Psychoanalyse das Studium ihrer Geschichte sei. Seinen ersten diesbezüglichen Text Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung schrieb er 1914, also nach dem Bruch mit Alfred Adler und C. G. Jung, mit apologetischem Interesse. Sigmund Freud (1856-1939) war ein österreichischer Neurologe, Tiefenpsychologe, Kulturtheoretiker und Religionskritiker. Als Begründer der Psychoanalyse erlangte er weltweite Bekanntheit. Freud gilt als einer der einflussreichsten Denker des 20. Jahrhunderts; seine Theorien und Methoden werden bis heute viel diskutiert.

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Leseprobe

II



Vom Jahre 1902 an scharte sich eine Anzahl jüngerer Arzte um mich in der ausgespro­chenen Absicht, die Psychoanalyse zu erlernen, auszuüben und zu verbreiten. Ein Kol­lege, welcher die gute Wirkung der analytischen Therapie an sich selbst erfahren hatte, gab die Anregung dazu. Man kam an bestimmten Abenden in meiner Wohnung zusam­men, diskutierte nach gewissen Regeln, suchte sich in dem befremdlich neuen For­schungsgebiete zu orientieren und das Interesse anderer dafür zu gewinnen. Eines Tages führte sich ein absolvierter Gewerbeschüler durch ein Manuskript bei uns ein, welches außerordentliches Verständnis verriet. Wir bewogen ihn, die Gymnasialstudien nachzu­holen, die Universität zu besuchen und sich den nichtärztlichen Anwendungen der Psychoanalyse zu widmen. Der kleine Verein erwarb so einen eifrigen und verläßlichen Se­kretär, ich gewann an Otto Rank6 den treuesten Helfer und Mitarbeiter.

Der kleine Kreis dehnte sich bald aus, wechselte im Laufe der nächsten Jahre vielfach in seiner Zusammensetzung. Im ganzen durfte ich mir sagen, in dem Reichtum und der Mannigfaltigkeit der Begabungen, die er umschloß, stand er kaum hinter dem Stab eines beliebigen klinischen Lehrers zurück. Von Anfang an waren jene Männer darunter, die in der Geschichte der psychoanalytischen Bewegung später so bedeutungsvolle, wenn auch nicht immer erfreuliche Rollen spielen sollten. Aber diese Entwicklung konnte man damals noch nicht ahnen. Ich durfte zufrieden sein, und ich meine, ich tat alles, um den anderen zugänglich zu machen, was ich wußte und erfahren hatte. Von übler Vor­bedeutung waren nur zwei Dinge, die mich endlich dem Kreise innerlich entfremdeten. Es gelang mir nicht, unter den Mitgliedern jenes freundschaftliche Einvernehmen her­zustellen, das unter Männern, welche dieselbe schwere Arbeit leisten, herrschen soll, und ebensowenig die Prioritätsstreitigkeiten zu ersticken, zu denen unter den Bedingun­gen der gemeinsamen Arbeit reichlicher Anlaß gegeben war. Die Schwierigkeiten der Unterweisung in der Ausübung der Psychoanalyse, die ganz besonders groß sind und an vielen der heutigen Zerwürfnisse die Schuld tragen, machten sich bereits in der privaten Wiener psychoanalytischen Vereinigung geltend. Ich selbst wagte es nicht, eine noch unfertige Technik und eine im steten Fluß begriffene Theorie mit jener Autorität vorzu­tragen, die den anderen wahrscheinlich manche Irrwege und endliche Entgleisungen er­spart hätte. Die Selbständigkeit der geistigen Arbeiter, ihre frühe Unabhängigkeit vom Lehrer, ist psychologisch immer befriedigend; ein Gewinn in wissenschaftlicher Hin­sicht ergibt sich aus ihr nur, wenn bei diesen Arbeitern gewisse, nicht allzu häufig vor­kommende persönliche Bedingungen erfüllt sind. Gerade die Psychoanalyse hätte eine lange und strenge Zucht und Erziehung zur Selbstzucht gefordert. Der Tapferkeit we­gen, die sich in der Hingabe an eine so verpönte und aussichtslose Sache erwies, war ich geneigt, den Mitgliedern der Vereinigung mancherlei angehen zu lassen, woran ich sonst Anstoß genommen hätte. Der Kreis umfaßte übrigens nicht nur Ärzte, sondern auch andere Gebildete, welche in der Psychoanalyse etwas Bedeutsames erkannt hatten, Schriftsteller, Künstler usw. Die Traumdeutung, das Buch über den »Witz« u.a. hat­ten von vornherein gezeigt, daß die Lehren der Psychoanalyse nicht auf das ärztliche Gebiet beschränkt bleiben können, sondern der Anwendung auf verschiedenartige ande­re Geisteswissenschaften fähig sind.

Von 1907 an änderte sich die Situation gegen alle Erwartungen und wie mit einem Schlage. Man erfuhr, daß die Psychoanalyse in aller Stille Interesse erweckt und Freun­de gefunden habe, ja, daß es wissenschaftliche Arbeiter gebe, welche bereit seien, sich zu ihr zu bekennen. Eine Zuschrift von Bleuler hatte mich schon früher wissen lassen, daß meine Arbeiten im Burghölzli studiert und verwertet würden. Im Jänner 1907 kam der erste Angehörige der Züricher Klinik, Dr. Eitingon,7 nach Wien, es folgten bald andere Besuche, die einen lebhaften Gedankenaustausch anbahnten; endlich kam es über Einladung von C. G. Jung, damals noch Adjunkt am Burghölzli, zu einer ersten Zusammenkunft in Salzburg im Frühjahre 1908, welche die Freunde der Psychoanalyse von Wien, Zürich und anderen Orten her vereinigte. Eine Frucht dieses ersten psycho­analytischen Kongresses war die Gründung einer Zeitschrift, welche als Jahrbuch für psychoanalytische und psychopathologische Forschungen, herausgegeben von Bleuler und Freud, redigiert von Jung, im Jahre 1909 zu erscheinen begann. Eine innige Arbeitsgemeinschaft zwischen Wien und Zürich fand in dieser Publikation ihren Aus­druck.

Ich habe die großen Verdienste der Züricher psychiatrischen Schule um die Ausbreitung der Psychoanalyse, des besonderen die von Bleuler und Jung, wiederholt dankend an­erkannt und stehe nicht an, dies heute, unter so veränderten Verhältnissen, von neuem zu tun. Gewiß war es nicht erst die Parteinahme der Züricher Schule, welche damals die Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Welt auf die Psychoanalyse richtete. Die La­tenzzeit war eben abgelaufen und an allen Orten wurde die Psychoanalyse Gegenstand eines sich steigernden Interesses. Aber an allen anderen Orten ergab diese Zuwendung von Interesse zunächst nichts anderes, als eine meist leidenschaftlich akzentuierte Ab­lehnung, in Zürich hingegen wurde die prinzipielle Übereinstimmung der Grundton des Verhältnisses. An keiner anderen Stelle fand sich auch ein so kompaktes Häuflein von Anhängern beisammen, konnte eine öffentliche Klinik in den Dienst der psychoanalyti­schen Forschung gestellt werden, oder war ein klinischer Lehrer zu sehen, der die psy­choanalytische Lehre als integrierenden Bestandteil in den psychiatrischen Unterricht aufnahm. Die Züricher wurden so die Kerntruppe der kleinen, für die Würdigung der Analyse kämpfenden Schar. Bei ihnen allein war Gelegenheit, die neue Kunst zu erler­nen und Arbeiten in ihr auszuführen. Die meisten meiner heutigen Anhänger und Mitar­beiter sind über Zürich zu mir gekommen, selbst solche, die es geographisch weit näher nach Wien hatten als nach der Schweiz. Wien liegt exzentrisch für den Westen Europas, der die großen Zentren unserer Kultur beherbergt; sein Ansehen wird seit vielen Jahren durch schwerwiegende Vorurteile beeinträchtigt. In der geistig so rührigen Schweiz strömen Vertreter der bedeutsamsten Nationen zusammen; ein Infektionsherd an dieser Stelle mußte für die Ausbreitung der psychischen Epidemie, wie Hoche in Freiburg sie genannt hatte, besonders wichtig werden.

Nach dem Zeugnis eines Kollegen, der die Entwicklung im Burghölzli mitgemacht, kann man feststellen, daß die Psychoanalyse dort schon sehr frühzeitig Interesse er­weckte. In Jungs 1902 veröffentlichter Schrift über okkulte Phänomene findet sich be­reits ein erster Hinweis auf die Traumdeutung. Von 1903 oder 1904 an, berichtet mein Gewährsmann, stand die Psychoanalyse im Vordergrunde. Nach der Anknüpfung persönlicher Beziehungen zwischen Wien und Zürich bildete sich, Mitte des Jahres 1907, auch im Burghölzli ein zwangloser Verein, der in regelmäßigen Zusammenkünf­ten die Probleme der Psychoanalyse diskutierte. Bei der Union, die sich zwischen der Wiener und der Züricher Schule vollzog, waren die Schweizer keineswegs der bloß empfangende Teil. Sie hatten selbst bereits respektable wissenschaftliche Arbeit gelei­stet, deren Ergebnisse der Psychoanalyse zugute kamen. Das von der Wundtschen Schule angegebene Assoziationsexperiment war von ihnen im Sinne der Psychoanalyse gedeutet worden und hatte ihnen unerwartete Verwertungen gestattet. Es war so mög­lich geworden, rasche experimentelle Bestätigungen von psychoanalytischen Tatbestän­den zu erbringen und einzelne Verhältnisse dem Lernenden zu demonstrieren, von de­nen der Analytiker nur hätte erzählen können. Es war die erste Brücke geschlagen wor­den, die von der Experimentalpsychologie zur Psychoanalyse führte.

Das Assoziationsexperiment ermöglicht in der psychoanalytischen Behandlung eine vorläufige qualitative Analyse des Falles, leistet aber keinen wesentlichen Beitrag zur Technik und ist bei der Ausführung von Analysen eigentlich entbehrlich. Bedeutsamer noch war eine andere Leistung der Züricher Schule oder ihrer beiden Führer Bleuler und Jung. Der erstere wies nach, daß bei einer ganzen Anzahl von rein psychiatrischen Fäl­len die Erklärung durch solche Vorgänge in Betracht käme, wie sie mit Hilfe der Psy­choanalyse für den Traum und die Neurosen erkannt worden waren (»Freudsche Me­chanismen«). Jung wendete das analytische Deutungsverfahren mit Erfolg auf die son­derbarsten und...

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