Sie sind hier
E-Book

Zur Kulturgeschichte Roms

Vollständige Ausgabe

AutorTheodor Birt
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl169 Seiten
ISBN9783849623029
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Birts detaillierte Abhandlung befasst sich mit dem Kulturleben der römischen Gesellschaft der Antike. Kurz und prägnant bieten die einzelnen Kapitel eine lebhafte Vergegenwärtigung des Stoffes. Inhalt: Vorwort zur ersten Auflage Aus dem Vorwort zur dritten Auflage I. Ankunft in Rom II. Im Hause III. Die Bevölkerung IV. Zum Rechtsleben. V. Die Bäder. VI. Gottesdienst und Glaube VII. Erziehung und geistiges Leben VIII. Spiel und öffentlicher Zeitvertreib IX. Die Kunst X. Die Sittlichkeit

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

 


Aber wir treten aus dem Privathaus und dem familiären Leben endlich wieder hinaus auf die offene Straße. Heute besichtigt der Reisende in den Großstädten pflichtgemäß die Kirchen, Museen und Schlösser, das Rathaus, das Parlamentsgebäude. In der Antike lockten die Göttertempel das Auge; mächtiger als sie noch die Hallenbauten der Basiliken; kolossaler als diese alle die Bäder, Theater und Amphitheater.

 

Nähern wir uns zuerst der Basilika. Sie ist eine meist am Forum gelegene große Durchgangshalle, die nicht nur als Bazar für allerlei Waren dient, sondern in der zumeist auch Recht gesprochen wird. Es ist Vormittag: Sklaven schleppen Kästen voll Akten herbei. Die Menge der Zeugen, der Verwandten, der Müßigen strömt zusammen; denn jeder will den Angeklagten sehen, jeder die Advokaten hören. Und die Vorstellung vom römischen Recht taucht vor uns auf.

 

Das römische Volk war das klassische Volk der Justiz, der Rechtsprechung und Rechtsfindung, und das war vielleicht sein bleibendster Wert; denn das ganz Erstaunliche ist geschehen, daß das römische Recht bei uns noch in modernen Zeiten gegolten hat, anderthalb Jahrtausende nach seiner Entstehung. Gewiß war der Römer zu dieser Leistung besonders befähigt durch seinen grellen Wirklichkeitssinn, durch seinen starken administrativen Ordnungstrieb, die kühle Berechnung der Konjunktur, den Zahlensinn, die Pünktlichkeit im Geben und im Fordern und endlich durch seine eigene Habsucht, die zur Errichtung des Rechtsschutzes drängte. Daher sagt auch der Römer nicht: wir halten das Gesetz, sondern das Gesetz hält uns, leges nos tenent.

 

So hat er von vornherein das Privatrecht vom Staatsrecht scharf gesondert, um den Privatverkehr von Bürger zu Bürger zu sichern. Gleichwohl war das römische Zwölftafelgesetz, das noch in die Zeit der Vorherrschaft der Etrusker (451–450) fiel und zuerst das uralte Gewohnheitsrecht zu ergänzen versuchte, andern Stadtrechten der Zeit schwerlich überlegen, und es ist auch nicht einmal ohne griechisches Vorbild zustande gekommen. Erst seit der Besiegung Hannibals, als Rom seine politische zentrale Machtstellung für immer gesichert hatte, begann es den großen Ausbau des römischen Privatrechts, die Regulierung des allgemeinen menschlichen Verkehrs. D. h. die unterjochten Völker regten zu dieser Leistung an, und sie gaben auch Hilfe. Die Griechen halfen. Die römischen Juristen waren schon damals, um 100 v. Chr., von griechischer Bildung erfüllt; die stoische Philosophie übte Einfluß mit ihrer Dialektik und mit ihrer sittlichen Anschauung vom Menschenrecht.

 

Man unterschied die Bürger betreffendes Recht (Zivilrecht) und Völkerrecht. Zunächst hatte sich in den engen Grenzen des eigentlichen Römertums das Zivilrecht ausgebildet. Darin aber waren schon alle Grundprinzipien gegeben. Es herrscht schon hier im griechisch-demokratischen Sinn und in großartiger Folgerichtigkeit die vollständige Gleichheit jedes Bürgers vor dem Gesetz. Eine vollständige Nivellierung. Jedes Sonderrecht des Adels oder der Kultusbeamten fehlt. Schon damit trug das Recht den Stempel ewigen Wertes. Das Gerichtsverfahren aber ist öffentlich, und nicht nur der Jurist, sondern vor allem der Laie richtet. Grundlegende Unterscheidungen, wie die vom Besitz und Eigentum, grundlegende begriffliche Zusammenfassungen wie die der Person als Rechtssubjekt, wurden geschaffen. Der gutgläubige Besitzer wird gegen den Eigentümer geschützt. Neben das Familienrecht (Eherecht, Vormundschaftsrecht) trat das Sachenrecht mit der Kasuistik über Besitz und Eigentum, mit der Sonderung der Servituten und dem Pfandrecht, trat endlich das dauernd vollkommenste, das Obligationenrecht, das den Geschäftsverkehr ordnet und sichert. Denn Obligation ist die geschäftliche Verabredung, die als verpflichtender Kontrakt für Darlehn, Tausch, Kauf und Miete sehr verschiedene Formen annimmt. Sie ist »das eingeräumte Recht auf die Leistung eines anderen«.

 

Alles das war jedoch das Gegenteil eines starren Systems. Gewisse dehnbare Grundbegriffe wie nexum, manus, dolus, metus waren gegeben, und die Kunst bestand darin, den einzelnen Rechtsfall unter einen von ihnen zu subsumieren. Jene Begriffe flossen z. T. aus uralter Symbolik. Symbolisch ist der »Kopf«, caput, womit der Einzelmensch als juristisches Ich bezeichnet ist. Der Mensch, der stirbt, ist zwar ausgetilgt, aber sein »Kopf«, sein juristisches Ich, an welchem ev. eine Schuld haftet, lebt in seinem Erben, der gegebenenfalls seine Schulden bezahlen muß, weiter. Wer dagegen rechtlos ist, hat seinen »Kopf« verloren (capitis deminutio). Ebenso symbolisch ist die »Hand«, manus. Sie bedeutet den Besitz. Der Hausherr hat Frau, Kinder und Diener »in der Hand«, in manu, und jeder Besitzwechsel war gleichsam »handgreiflich«, ein Greifen mit der Hand, mancipare.

 

Jene Einordnung der Rechtsstreitfälle geschah nun mit größter Klugheit und praktischem Geschick, und dabei wurden die Begriffe selbst möglichst weit gefaßt. Unter Diebstahl begriff Mucius Scävola schon den Fall, daß jemand ein Gespann, das bei ihm untergestellt ist, zur Ausfahrt benutzt. Ließ sich ein Grundsatz nicht durchführen, so wurde unbedenklich eine Ausnahme utilitatis causa, d. h. im Interesse des Publikums angesetzt; oder schien ein Begriff wie »Besitz« zu eng, so half man sich mit einem »gewissermaßen«, quasi. Es gibt eigentlich nur körperlichen Besitz; von Anrechten kann es nur Quasibesitz geben: quasi iuris possessio, keine iuris possessio. Die Hypothek entlehnte man aus dem Recht der Griechen; mit dem alten römischen Pfandrecht ließ sie sich schlecht vereinigen, aber man glich das eben aus, so gut es ging. Wie unsystematisch man noch vorzugehen pflegte, zeigt die ganz unordentliche Anlage des Inhalts der erhaltenen Gesetze, wie der Iulia municipalis, der lex Ursonensis, die nicht besser ist als im alten griechischen Stadtrecht von Gortyn.

 

Der Einzelbürger ist frei, hat absolute Freizügigkeit, freieste Wahl des Lebensberufs, und jeder hat gleiches Recht auf Klage. Diese Freiheit beruht auf dem Privateigentum. Das Privateigentum, d. h. das Haben und Herrschen des einzelnen, das war für den Römer die Grundlage alles Bürgerrechts. Bald gab es auch keine Bodensteuer; aller Landbesitz römischer Bürger in Italien wurde steuerfrei. Dies Privateigentum war so stark, daß daneben das anfangs umfangreiche Staatseigentum (ager publicus) allmählich im Verlauf auf ein Minimum eingeschränkt wurde. Aber es gab nicht nur keine Verstaatlichung des Eigentums; auch ein gemeinsames Vermögen mehrerer war dem naiven Römer der älteren Zeiten nicht geläufig. Gegebenenfalls wurde dann angesetzt, daß, wenn 10 Landwirte gemeinsam einen Zuchtbullen besitzen, jedem Besitzer ein Teil des Tieres, also etwa 1 bis 1½ Zentner seines Gewichts gehöre.

 

Auffällig gering war dabei doch der Schutz des Grundeigentums. Denn zwischen Grundeigentum und beweglicher Habe wird in den Rechtsbestimmungen nicht wesentlich gesondert, und der Acker kann ebenso unbedenklich verkauft und verpfändet werden wie das Hemd, ganz anders als im mittelalterlich deutschen Recht. Auch die Bevorzugung des Erstgeborenen im Erbrecht fehlt. In diesem geringen Wertlegen auf die Unverkäuflichkeit und Unteilbarkeit der alten Familienlandstellen verrät sich die unerbittlich strenge Logik des römischen Rechts, sie verrät aber zugleich den Sieg der großstädtischen Interessen über die agrarischen. Rom war von früh an ein Handelsstaat. Die Landwirtschaft ist wohl nie so ungeschützt gewesen wie im römischen Altertum.

 

Charakteristisch ist ferner, daß die Arbeit als solche so wenig gewertet war, daß sie dem Kapital nicht gleichgerechnet wurde; denn ein Besitz des Unkörperlichen war dem alten Römer ursprünglich schwer vorstellbar. Der Acker hat seinen Geldwert; der jährliche Ertrag des Ackers hat gleichfalls seinen Geldwert; die Feldarbeit aber tut der unfreie Knecht, und der Knecht hat wieder seinen Geldwert. Damit war also der Wert der Arbeit als solcher, die der Knecht verrichtet, ausgeschaltet. Von Melioration, von Wertsteigerung durch Arbeit in der Landwirtschaft hören wir deshalb nichts, weil sie tatsächlich nicht bestanden hat. So entstanden nun aber für den Juristen merkwürdige Schwierigkeiten bei Beurteilung künstlerischer Bearbeitungen von Gegenständen. Stritt man um eine Statue, d. h. um einen bearbeiteten Block Marmor, so behaupteten Cassius und Sabinus, die fertige Statue müsse dem Eigentümer des Blocks gehören, sie rechneten also die Arbeit für nichts; nach Proculus wurde sie dagegen Eigentum des Künstlers, wenn auch der Marmor nicht sein war, aber dies geschah um der Gestalt willen, die dem Gegenstand eine neue Form gab (specificatio), nicht aber um der aufgewandten Arbeit willen.

 

Das Geschäftsverfahren im altrömischen Zivilrecht war sehr schwerfällig und durch allerlei symbolische Handlungen behindert. So durfte beim Akt des Kaufs und...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Antike - Antike Kulturen

Troia

E-Book Troia
Mythos und Wirklichkeit (Reclams Universal-Bibliothek) Format: PDF

Troia und Homer: Von diesen beiden Worten geht seit der Antike eine bis heute ungebrochene Faszination aus. Jüngste Grabungen unter der Leitung von Manfred Korfmann haben überraschende Erkenntnisse…

Troia

E-Book Troia
Mythos und Wirklichkeit (Reclams Universal-Bibliothek) Format: PDF

Troia und Homer: Von diesen beiden Worten geht seit der Antike eine bis heute ungebrochene Faszination aus. Jüngste Grabungen unter der Leitung von Manfred Korfmann haben überraschende Erkenntnisse…

Troia

E-Book Troia
Mythos und Wirklichkeit (Reclams Universal-Bibliothek) Format: PDF

Troia und Homer: Von diesen beiden Worten geht seit der Antike eine bis heute ungebrochene Faszination aus. Jüngste Grabungen unter der Leitung von Manfred Korfmann haben überraschende Erkenntnisse…

Von der Vision zur Reform

E-Book Von der Vision zur Reform
Der Staat der Gesetze: Ciceros Programm einer Neuordnung der Römischen Republik: 56–51 v. Chr. Format: PDF

Der Übergang von der Republik zur Kaiserzeit hat in der althistorischen Forschungsdiskussion stets breiten Raum gefunden. Die Gründe für den Verfall der Nobilitätsherrschaft sowie…

Weitere Zeitschriften

ARCH+.

ARCH+.

ARCH+ ist eine unabhängige, konzeptuelle Zeitschrift für Architektur und Urbanismus. Der Name ist zugleich Programm: mehr als Architektur. Jedes vierteljährlich erscheinende Heft beleuchtet ...

Berufsstart Bewerbung

Berufsstart Bewerbung

»Berufsstart Bewerbung« erscheint jährlich zum Wintersemester im November mit einer Auflage von 50.000 Exemplaren und ermöglicht Unternehmen sich bei Studenten und Absolventen mit einer ...

BIELEFELD GEHT AUS

BIELEFELD GEHT AUS

Freizeit- und Gastronomieführer mit umfangreichem Serviceteil, mehr als 700 Tipps und Adressen für Tag- und Nachtschwärmer Bielefeld genießen Westfälisch und weltoffen – das zeichnet nicht ...

BONSAI ART

BONSAI ART

Auflagenstärkste deutschsprachige Bonsai-Zeitschrift, basierend auf den renommiertesten Bonsai-Zeitschriften Japans mit vielen Beiträgen europäischer Gestalter. Wertvolle Informationen für ...

DGIP-intern

DGIP-intern

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Individualpsychologie e.V. (DGIP) für ihre Mitglieder Die Mitglieder der DGIP erhalten viermal jährlich das Mitteilungsblatt „DGIP-intern“ ...

Eishockey NEWS

Eishockey NEWS

Eishockey NEWS bringt alles über die DEL, die DEL2, die Oberliga sowie die Regionalligen und Informationen über die NHL. Dazu ausführliche Statistiken, Hintergrundberichte, Personalities ...

FileMaker Magazin

FileMaker Magazin

Das unabhängige Magazin für Anwender und Entwickler, die mit dem Datenbankprogramm Claris FileMaker Pro arbeiten. In jeder Ausgabe finden Sie von kompletten Lösungsschritten bis zu ...