Die Qualifizierung für einen sozialpädagogischen Beruf, auf den die Erzieherinnenausbildung vorbereitet, ist seit Ende der 1960er Jahre auf allen Ebenen des bundesdeutschen Ausbildungssystems möglich. Die Qualifizierungslandschaft bildet ein hierarchisches Ausbildungsgefüge, welches von der Berufsfachschule bis hin zur Universität reicht. An der Berufsfachschule, deren Zugang auch für Hauptschulabsolventen/innen möglich ist, werden
die Assistenzberufe ,Kinderpflegerin' und ,Sozialassistentin[33]' angeboten. Die Ausbildung bereitet in einer berufsqualifizierenden Form auf angeleitete Tätigkeiten besonders für (so- zial-)pflegerische und betreuende Aufgaben vor, wobei die Kinderpflegerinnen und Sozialhelferinnen anschließend nur selten Entscheidungen treffen sowie eigenverantwortlich arbeiten und die Arbeit mit kleineren Kindern im Vordergrund steht (vgl. Beher/Rauschenbach 2004, 2f.). Auf der zweiten Stufe des Ausbildungssystems sind die Fachschulen angesiedelt, die laut der Fachschulvereinbarung von 2002 als Orte der beruflichen Weiterbildung gelten. Sie bereiten auf Führungsaufgaben sowie auf eine selbstständige und verantwortungsvolle Berufstätigkeit vor und führen zu einem staatlichen postsekundären Abschluss nach Landesrecht. In den beruflichen Bildungsgängen kann ferner die Fachhochschulreife sowie allgemeine Hochschulreife erworben werden (vgl. KMK 2002, 2). Mit Gründung der Fachhochschulen im Jahr 1971 wurde die Sozialarbeiter-/Sozialpädagogenausbildung in den tertiären Sektor integriert. Die Fachhochschule zeichnet sich dabei durch ihre Ausrichtung der wissenschaftlich fundierten Ausbildung an den Anforderungen der Berufspraxis aus. Abschlüsse auf vergleichbarem Ausbildungsniveau können an den Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg erworben werden. Auf der obersten Stufe der Ausbildungspyramide befinden sich die Universitäten, an denen der Diplomstudiengang Erziehungswissenschaft mit der Studienrichtung Sozialpädagogik für akademisch qualifizierte Fach- und Führungskräfte, die in einem außerschulischen sozialpädagogischen Berufsfeld tätig werden wollen, eingerichtet ist (vgl. Beher/Rauschenbach 2004, 3). Durch die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge an den Fachhochschulen und Universitäten werden die Diplomstudiengänge sukzessive abgelöst.
Abbildung 4: Pyramide der sozialpädagogischen Ausbildungslandschaft (eigene Darstellung)[34]
Die erwähnten unterschiedlichen Möglichkeiten, eine Ausbildung für ein sozialpädagogisches Arbeitsfeld zu erhalten, sind, wie die Diskussionen um die Erzieherinnenausbildung
zeigen, nicht unumstritten. Die Auseinandersetzung mit dem Status des Qualifikationsprofils und mit der berufspraktischen sowie wissenschaftlichen Ausrichtung in den einzelnen Institutionen, beschäftigt die Fachöffentlichkeit seit mehreren Jahrzehnten. Dabei beruht die Ausrichtung nicht zuletzt auf den unterschiedlichen Zielen der jeweiligen Institutionen. So wird beispielsweise in der Fachschulausbildung als wesentliches Ziel anvisiert, den Absolventinnen Sicherheit für das Handeln in der Praxis zu vermitteln. Die Ausbildung auf Hochschulebene fokussiert hingegen Ziele wie die Entwicklung einer kritischen Analysefähigkeit sowie der Fähigkeit, Wissen wissenschaftlich fundiert in Frage zu stellen. Des Weiteren zielt sie auf die Heranführung an einen qualifizierten Umgang mit Komplexität und Uneindeutigkeit sowie an ein „offenes Denken im Sinne einer ,Rezeptunabhängigkeit'" (Wildgruber/Nagel 2007, 7). Generelle Kriterien zur Unterscheidung zwischen Fachschule und Hochschule sehen Andreas Wildgruber und Bernhard Nagel (2007) darin, dass Fachschulen Wissen auf der Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen vermitteln, die Studierenden die Generierung des Wissens jedoch nicht nachvollziehen müssen. An der Hochschule hingegen werden die Studierenden an der Generierung neuer Erkenntnisse im Rahmen des Studiums beteiligt und zur wissenschaftlichen Wissenserzeugung befähigt (vgl. ebd.)[35]. Die Einführung von gestuften Bachelor- und Masterstudiengängen an Fachhochschulen und Universitäten hat das Bild der Ausbildungslandschaft verändert und rückt u. a. die Neuordnung der Erzieherinnenausbildung, die an der Fachschule für Sozialpädagogik schon länger um ihren Status und ihr Qualifikationsprofil ringt, in den Vordergrund der aktuellen Fachdebatte. Die Uneindeutigkeiten im Hinblick auf ihre Positionierung zwischen Fachschule und Hochschulebene sind dabei auch darauf zurückzuführen, dass die Erzieherinnenausbildung an den Fachschulen in ihren Grundstrukturen bereits vor der Entstehung der Fachhochschulen angelegt wurde (vgl. Beher/Rauschenbach 2004, 3f.). Die Ausführungen im vorangegangenen Kapitel haben gezeigt, dass auf die Erzieherinnen und ihre pädagogische Arbeit neue und vielschichtige Aufgaben zukommen. Eine zukünftige Erzieherinnenausbildung muss daher die aktuellen Entwicklungen berücksichtigen und die Erzieherinnen auf die neuen Herausforderungen vorbereiten. Allerdings lässt sich konstatieren, dass Erzieherinnen nicht die Professionalität aufweisen, die insbesondere hinsichtlich des Handelns in
Ungewissheit von elementarer Bedeutung ist[36]. Daher steht die Struktur der Erzieherinnenausbildung sowie ihre didaktische, curriculare und inhaltliche Gestaltung besonders seit Anfang des Jahrtausends wieder verstärkt in der Diskussion. So hat z.B. die aktuelle Rahmenvereinbarung der Kultusministerkonferenz (2000) zu einer Veränderung der inhaltlichen und strukturellen Rahmenbedingungen an der Fachschule geführt. Der internationale Vergleich der Ausbildungsstandards der Erzieherinnenausbildung zeigt allerdings dennoch einen Rückstand des deutschen Systems im Hinblick auf die Qualifikation auf. So erfolgt in fast allen anderen europäischen Ländern die Ausbildung für Erzieherinnen für Kindertageseinrichtungen auf Hochschulniveau, sodass im Vergleich zu den deutschen Kindertageseinrichtungen hier v. a. akademisch qualifizierte Fachkräfte arbeiten (in deutschen Kindertageseinrichtungen beträgt der Anteil der Beschäftigten mit akademischen Qualifikationen nur 3%, siehe Kapitel 1.1) (vgl. Cloos 2008, 163). Die OECD-Studie Starting Strong kommt zu dem Schluss:
There should not be any difference in level of competence between teachers working in ECEC [Early Childhood Education and Care] or compulsory schools. Staff working with young children need special training, and the teachers leading, developing and assuring the quality of ECEC ought to have university degree (OECD 2004, 28; Zus. v. J.P.).
Diese Ergebnisse sowie die sich anschließenden Diskussionen nach der Veröffentlichung der PISA-Studie und im Besonderen der Bologna-Prozess führten im Bereich der Frühpädagogik zur Entstehung der ersten Studiengänge auf Hochschulniveau, die wichtige Impulse für die Erzieherinnenausbildung auch auf Fachschulebene liefern können. Daher soll im Folgenden mit Blick auf die der Masterarbeit zugrunde liegenden Fragestellung die Erzieherinnenausbildung auf Fachschul- und Hochschulniveau betrachtet und das Professionalitätsverständnis auf diesen beiden Ebenen anhand einer Durchsicht der Dokumente der Institutionen, wie u. a. der Rahmenvereinbarungen, der Orientierungsrahmen sowie der Lehrpläne u. w. herausgestellt werden. Darüber hinaus werden die derzeit hervorgebrachten Kritikpunkte an der Erzieherinnenausbildung beleuchtet und die derzeitige Debatte um die Akademisierung der Erzieherinnenausbildung umrissen.
Die Erzieherinnenausbildung an der Fachschule hat eine 180-jährige Tradition und steht nicht zum ersten Mal in der Diskussion. Vielmehr wird sie verstärkt seit dem 20. Jahrhundert immer wieder reformiert.
Die Erzieherinnenausbildung im 19. und 20. Jahrhundert
Erste Anfänge zur Etablierung einer Ausbildung für die vorschulische Erziehung gehen auf Theodor Fliedners Ausbildungsinstitution in Kaiserwerth für Kleinkinderlehrerinnen zurück, die dazu ausgebildet wurden, eine Kleinkinderschule selbstständig zu leiten. Die Ausbildung war dabei an Diakonissenanstalten angeschlossen und dauerte 1850 ein halbes und ab 1854 ein Jahr. Kritisiert wurde an Fliedners Ansatz die überwiegende Ausrichtung an
christlichen Werten. Ein weiteres Ausbildungskonzept für Kindergärtnerinnen[37] lieferte Friedrich Fröbel, der sich v. a. an dem aufkommenden bürgerlichen Familienideal der mütterlichen Liebe' orientierte. In seiner Konzeption überlegt er bereits damals, wie Erzie- hungs- und Bildungsprozesse im Kindergarten unterstützt werden können. Prinzipiell war die Ausbildungsstruktur für Kindergärtnerinnen im 19. Jahrhundert in Deutschland sehr heterogen. Erst 1911 erfolgte eine erste einheitliche Regelung der Kindergärtnerinnenausbildung, durch die nun auch eine staatliche Anerkennung erworben werden konnte. Das Professionsprofil war überwiegend an der Mütterlichkeit ausgerichtet (vgl. König 2008, 756ff.; Metzinger 2006, 350f.; Engelhardt/Ernst 1992, 425; von Derschau 1976, 34ff.). Einen weiteren wichtigen Meilenstein der Institutionalisierung und Konsolidierung der Erzieherinnenausbildung bildet die 1928 in der Weimarer Republik vom preußischen Kultusministerium veröffentlichte gemeinsame Vereinbarung der...