Abb. 5: Festlegung operativer Markenziele der Retail Brand – Beispiele (eigene Darstellung)
3.2. Gestaltungsansätze zum Aufbau einer starken Retail Brand
3.2.1. Klare wettbewerbsstrategische Positionierung als Voraussetzung für die Profilierung einer Retail Brand
In der Marketingliteratur existiert eine Reihe von Grundsätzen zum Aufbau einer starken Marke.{91} Diese Grundsätze gelten ebenfalls für Handelsunternehmen. Die Einzigartigkeit eines Handelsunternehmens in Form der Abgrenzung von den Wettbewerbern wird dabei durch verschiedene Einkaufsstätteneigenschaften, die zu einer Einkaufsstättenidentität führen, hervorgehoben.{92} Diese Identität steht in Form einer Marke symbolhaft für ein einzigartiges Leistungsversprechen und trägt auf diese Weise zu einer Profilierung bei Konsumenten sowie zu einer Abgrenzung im Wettbewerb bei. Eine klare Markenpositionierung ist damit die Prämisse für den Aufbau des Markenwertes eines Handelsunternehmens und wird in der Marketingliteratur oft als ein wichtiger Wettbewerbsvorteil hervorgehoben.{93} Eine klare, einzigartige wettbewerbsstrategische Positionierung der Retail Brand kann somit als die notwendige Voraussetzung für die Profilierung des Handelsunternehmens im Wettbewerb betrachtet werden. Einen ausführlichen Überblick über empirische Studien zur Positionierung im Handel geben z. B. Liebmann/Zentes/Swoboda.{94}
3.2.2. Einsatz ausgewählter Handelsmarketinginstrumente
Für eine klare wettbewerbsstrategische Position am Markt müssen Handelsunternehmen neben einer spezifischen Auswahl von Profilierungsdimensionen auch den Einsatz und die Ausgestaltung relevanter Handelsmarketinginstrumente festlegen. Handelsmarketinginstrumente sind dabei derart im Mix festzulegen, dass die betrachteten Einkaufsstätten in der Wahrnehmung und Erinnerung der Konsumenten deutlich von der Konkurrenz abgegrenzt sind.{95} Für die Profilierung einer Retail Brand sollen ferner solche Marketinginstrumente eingesetzt werden, die von den Wettbewerbern langfristig nur schwer imitiert werden können.{96} Zahlreiche Untersuchungen zum absatzpolitischen Instrumentariums im Einzelhandelsmarketing wurden in der Literatur bereits diskutiert.{97} Im Folgenden werden einige ausgewählte Handelsmarketinginstrumente{98} dargestellt, die für die Positionierung und Profilierung einer Retail Brand von Bedeutung sind.
3.2.2.1. Sortimentspolitische Gestaltungsansätze
Im Rahmen der Sortimentspolitik versuchen Handelsunternehmen den Konsumenten ein möglichst attraktives Sortiment anzubieten um sich durch eine hohe Sortimentkompetenz von der Konkurrenz abzugrenzen.{99} Zu den Gestaltungsmaßnahmen der Sortimentspolitik zählen unter anderem die Sortimentsdimensionierung, die Profilierung über Impuls- oder Rotationssortimente sowie über Hersteller- und/oder Handelsmarken.
Die Sortimentsdimensionierung beinhaltet die Aspekte Sortimentsbreite und Sortimentstiefe. Die Profilierung über die Sortimentsbreite zielt auf die Befriedigung unterschiedlicher Bedarfe.{100} Hierbei sollen die Einkaufsbequemlichkeit der Konsumenten gewährleistet sowie Cross-Selling-Potenziale ausgeschöpft werden.{101} Allerdings kann ein zu breites Sortiment eine eher geringe Kompetenz des Händlers signalisieren und somit seine Vertrauenswürdigkeit senken. Dagegen ist die Sortimentstiefe auf die Befriedigung nur eines Bedarfes ausgerichtet und gibt die Sortimentskompetenz einer Retail Brand wieder.{102} In einer Reihe von Untersuchungen wurde diese Strategie als eine der Erfolgsfaktoren im Einzelhandel dargestellt.{103}
Ferner kann im Rahmen des Retail Branding die Profilierung über Impuls-Sortimente erfolgen, die ein hohes Involvement der Kunden aufweisen, also Emotionen beim Kauf hervorrufen.{104} Andere Retail Brands wie z. B. Aldi oder Tchibo profilieren sich über Rotations-Sortimente. Dabei handelt es sich um temporäre, variierende Sortimentsbestandteile, die überwiegend aus Non-Food-Artikeln bestehen und die Sortimentskompetenz im Bereich der Aktualität unterstreichen.{105}
Handelsunternehmen haben auch die Möglichkeit, sich durch das Führen von Markenartikeln zu profilieren. Ein Beispiel hierfür ist die Parfümeriekette Douglas, die ausschließlich Markenartikel im Sortiment hat. Dabei kann ein positives Image der Herstellermarke auf das Image der Retail Brands übertragen werden.{106} Jacoby/Mazursky belegen in einer empirischen Untersuchung, dass Markenartikel, die von Konsumenten positiv wahrgenommen werden, das Store Image eines Handelsunternehmens steigern können.{107} In einer weiteren empirischen Untersuchung von Porter/Claycomb wurde aufgezeigt, dass sich sowohl die Anzahl der bekannten Marken als auch eine einzelne sehr starke Marke positiv auf eine Retail Brand auswirken.{108}
Andere Autoren argumentieren allerdings, dass eine Profilierung über ubiquitär verfügbare Herstellermarken nur wenig zu einer Differenzierung im Wettbewerb beiträgt. In diesem Fall bietet sich der Einsatz von Handelsmarken an.{109} Handelsmarken vermitteln dem Sortiment eine gewisse Einzigartigkeit, so dass die Austauschbarkeit des Handelsunternehmens eingeschränkt wird.{110} Eine Retail Brand, die eine nahezu reine Handelsmarkenstrategie verfolgt und dadurch ein unverwechselbares Profil bietet, ist Aldi. Bezüglich der Assoziationen der jeweiligen Retail Brand mit der Handelsmarke lassen sich mindestens drei Formen unterscheiden: Handelsmarken, die identisch zur Retail Brand bezeichnet werden (H&M, Mango und Gap); Handelsmarken, die eine Nähe zur Retail Brand aufzeigen (Zara Lady, Zara Man von Zara, denk mit von dm-drogerie markt); und Handelsmarken, die keine direkten Assoziationen zur Retail Brand beinhalten (Rodeo, Canda oder Yessica von C&A, Tandil oder Karlskrone von Aldi).{111} Mit zunehmender Nähe der Handelsmarke zur Retail Brand wächst allerdings die gegenseitige Beeinflussung.{112} Dabei ist neben den positiven Synergieeffekten auch ein negativer Imagetransfer möglich. Rückrufe von Produkten bei Qualitätsproblemen wirken sich dann nicht nur negativ auf breite Teile des Sortiments, sondern auch auf das Image der Retail Brand aus.
3.2.2.2. Preispolitische Gestaltungsansätze
Den preispolitischen Maßnahmen im Bereich der Sonderangebotspolitik wird bei der Betriebstypenprofilierung aufgrund der Vereinheitlichung der Sortimente insbesondere im deutschen Einzelhandel eine hohe Bedeutung beigemessen. Eine alleinige Konzentration der Handelsunternehmen auf die Aktivitäten der Preispolitik gilt in der Literatur als äußerst umstritten.{113}
Wird die Preisführerschaft als ein zentraler Wettbewerbsvorteil angestrebt, so ist eine assoziative Verknüpfung zwischen der Retail Brand und dem Wettbewerbsvorteil bezüglich der Preisleistung herzustellen.{114} Die Preisführerschaft kann allerdings nur durch die Erlangung einer Kostenführerschaft erreicht werden, welche eine effiziente Gestaltung aller Wertschöpfungsprozesse im Unternehmen voraussetzt.{115} Wenngleich manche Autoren argumentieren, dass die Konkurrenz auf preispolitische Maßnahmen relativ schnell reagieren und diese leicht imitieren kann,{116} bleibt diese Strategie aufgrund der hohen Anforderungen zur Erreichung der Kostenführerschaft nur einigen starken Retail Brands vorbehalten.{117} Zu den Handelsunternehmen, die eine Niedrigpreisstrategie verfolgen und gemäß den Experten als starke Retail Brands gelten, zählen z. B. Aldi und Lidl im LEH, Media Markt, Ikea und H&M im Non-Food-Bereich sowie dm-drogerie markt als Near-Food-Anbieter. Gleichzeitig betonen Davies/Brooks, dass neben den niedrigen Preisen als zentrales Merkmal auch weitere Differenzierungsmerkmale einzusetzen sind.{118} Zentes et al. stellen fest, dass eine Profilierung allein über den Preis auf Dauer nicht zum Erfolg führt. Vielmehr ist der Aufbau eines Preisimages anzustreben, das im Vergleich zu den Konkurrenten von den Konsumenten als preiswürdig und preisgünstig wahrgenommen wird.{119}
Im Rahmen der Sonderangebotspolitik können zwei Strategien unterschieden werden: eine Dauerniedrigpreisstrategie, bei der die Preise dauerhaft auf dem niedrigen Niveau gehalten werden, und eine Aktionspreisstrategie, bei der für einen begrenzten Zeitraum Aktionspreise deutlich unterhalb des normalen Preises gesenkt werden.{120} Während die Aktionspreisstrategie vor allem kurzfristige Kaufanreize bietet, soll die Dauerniedrigpreisstrategie durch die Schaffung einer Preiskonstanz vertrauensbildend auf die Konsumenten wirken.{121} Vor der Wahl der Preispolitik als...