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Anforderungen der wachsenden Zahl älterer geistig behinderter Menschen an deren Wohn- und Betreuungsformen

AutorRaphaela Steffens
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl129 Seiten
ISBN9783640592517
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Pädagogik - Pädagogische Soziologie, Note: 2,3, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Sprache: Deutsch, Abstract: Die demografische Entwicklung weist daraufhin, dass es mehr alte, als junge Menschen in der Bundesrepublik Deutschland gibt und zukünftig geben wird. Dieser Verlauf wird sich in den nächsten Jahren noch einschneidender fortsetzen (vgl. Kapitel 2). Der Trend der Alterung der Gesellschaft wird vor geistig behinderten Menschen nicht innehalten. Erstmalig hat diese Bevölkerungsgruppe die Chance alt zu werden. Bis ins letzte Jahrhundert hinein war ein 'alt werden' durch nicht ausreichende medizinische und psychosoziale Versorgung schlechter und viel seltener möglich. Zudem wurden insgesamt 120.000 geistig behinderte und psychisch kranke Menschen in der Zeit des NS-Regimes getötet (vgl. Stöppler, 2004, S.20). Ausgehend von diesen Fakten ergibt sich die Aktualität des oben angeführten Themas. Denn erstmalig stehen die Einrichtungen der Behindertenhilfe vor der Aufgabe, ein adäquates Wohn- und Betreuungsangebot für alte Menschen mit geistiger Behinderung schaffen zu müssen.

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Leseprobe

2. Demografische Entwicklungen


 

Um den Anforderungen der wachsenden Zahl älterer geistig behinderter Menschen bezüglich ihrer Wohn- und Betreuungsformen nachgehen zu können, bedarf es zunächst einer Situationsanalyse. Wie sieht die Bevölkerungsstruktur Deutschlands allgemein aus? Sind geistig behinderte Menschen gleichermaßen von den Tendenzen der Gesamtbevölkerung betroffen? Diesen und weiteren Fragen widmet sich das nächste Kapitel.

 

2.1 Bevölkerungsstruktur und -entwicklung


 

Der Altersaufbau der Bevölkerung hat sich von der Pyramide (Anfang des 20. Jahrhunderts) bis hin zum gegenwärtigen Bild eines Pilzes (vgl. Abbildung 1) ausgebildet (vgl. Backes/Clemens, 2003, S.32). Diese Entwicklung wird durch eine doppelte Bevölkerungsdynamik begünstigt. Auf der einen Seite nimmt die Bevölkerung Deutschlands allgemein ab und auf der anderen Seite wird sie immer älter (vgl. Driller/Pfaff, 2006, S.27). Ausschlaggebend dafür ist die geringe Geburtenhäufigkeit pro Frau, welche derzeit bei 1,4 Kindern liegt sowie die verbesserte medizinische Versorgung, die unter anderem für eine höhere Lebenserwartung der Bevölkerung verantwortlich ist (vgl. Statistisches Bundesamt, 2006 (a), S.38).

 

Abbildung 1: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland 2004 und 2050

 

 

Quelle: Statistisches Bundesamt, 2006 (b), S.1.

 

Bevölkerungsvorausberechnungen stellen die Entwicklung der Bevölkerung bis zum Jahr 2050 dar. Die Kalkulationen werden unter Berücksichtigung verschiedener Zuwanderungszahlen aufgestellt, sodass sich mehrere Varianten für die Berechnungen ergeben. Laut Variante I (Zuwanderungssaldo ca. 100.000 pro Jahr) „sinkt die Bevölkerung bis zum Jahr 2050 von heute 82 Mio. auf 65 Mio." (Statistisches Bundesamt, 2003, S.94). Bei Durchführung der Berechnung ohne Zuwanderungssaldo schrumpft die Bevölkerung dagegen auf 59 Millionen (vgl. ebd.). Der Anteil der älteren Menschen an der Gesamtbevölkerung wird „von 16 Prozent im Jahr 2000 auf 29 Prozent im Jahr 2050" (ebd., S.95) steigen. Ein weiterer Aspekt, welcher einen großen Einfluss auf die Bevölkerungsentwicklung hat, ist die erhöhte Lebenserwartung. Anfang des 20. Jahrhunderts lag die durchschnittliche Lebenserwartung bei 48 Jahren. Die 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung hat für Neugeborene der Jahre 2002-2004 eine Lebenserwartung für Mädchen von 81,5 und für Jungen von 75,9 Jahren ermittelt (vgl. Statistisches Bundesamt, 2006 (a), S.7).

 

Die fernere Lebenserwartung eines 60-Jährigen Mannes betrug in den Jahren 2002-2004 durchschnittlich 20 Jahre. Für Frauen lag dieser Wert bei 24,1 Jahren. Ein heute 60-Jähriger Mann wird somit 80 Jahre alt, eine Frau sogar 84,1 Jahre. Bei den 70-Jährigen liegt die fernere Lebenserwartung für Männer bei 12,8 und für Frauen bei 15,7 Jahren. BeiMenschen mit 90 Jahren liegt sie bei 3,6 Jahren für Männer und 4 Jahren bei Frauen (vgl. ebd., S.12). Somit wird ein Großteil der älteren Bevölkerung auch noch im hohen Alter über eine vergrößerte Lebenserwartung verfügen. Frauen haben durchschnittlich eine höhere Lebenserwartung als Männer.

 

2.2 Menschen mit (geistiger) Behinderung


 

Wie in der Einleitung bereits erwähnt, ist die Datenlage in Bezug auf die demografische Entwicklung geistig behinderter Menschen sehr spärlich. Dieses liegt unter anderem daran, dass „weder eine Meldepflicht noch eine spezielle Behindertenstatistikexistiert" (Stöppler, 2004, S.20). Es sind vor allem Behinderteneinrichtungen, anhand derer bundes- und landesweite Erhebungen durchgeführt werden (vgl. Theunissen, 2002, S.12f.). Die meisten Quellen nehmen keinen oder nur sehr geringen Bezug auf geistig behinderte Personen im Speziellen. Die Erhebungen haben eine konkrete Fragestellung, auf deren Hintergrund eine eigens abgestimmte Unterteilung der zu Befragenden vorgenommen wird, wie z. B. die Einteilung nach dem Grad der Behinderung (vgl. Kapitel 1.1).

 

Der Fokus der folgenden Ausführungen wird zunächst auf die demografische Entwicklung von behinderten Menschen allgemein gelegt. Darauf aufbauend wird die Datenlage bezüglich geistig behinderter Menschen erweitert. Anschließend wird die Entwicklung der Lebenserwartung der zu beschreibenden Personengruppe aufgegriffen.

 

2.2.1 Demografische Entwicklung von (geistig) behinderten Menschen


 

Im Jahr 2005 lebten in Deutschland, laut Mikrozensus, rund 8,6 Millionen Menschen mit anerkannter Behinderung. 54% dieser Menschen waren männlichen Geschlechts. 6,7 Millionen waren schwer und 1,7 Millionen Menschen leicht behindert (vgl. Pfaff u.a., 2005 (a), S.194). Die Zahl der geistig behinderten Menschen, welche in Deutschland leben, beläuft sich schätzungsweise auf 353.000 Personen (vgl. Stöppler, 2004, S.21). Aufgrund der geringen Datenlage lässt sich die Altersstruktur dieser Personengruppe nur ansatzweise darstellen. Es wird kaum zwischen angeborener und im Alter erworbener geistiger Behinderung unterschieden. Darüber hinaus können keine eindeutigen Aussagen darüber getroffen werden, wie sich die Zahl älterer (geistig) behinderter Menschen in den nächsten Jahren insgesamt entwickeln wird.

 

 Tabelle 1 stellt die Alters- und Geschlechtsstruktur behinderter Menschen dar. Durch die Erhebung des Mikrozensus konnte eine Häufung von Behinderung bei Menschen mit 45-55 Jahren (1.217.000 Betroffene), 6065 (1.139.000), 65-70 (1.162.000) und Menschen über 80 Jahren (1.197.000) festgehalten werden. Darüber hinaus ist auffällig, dass Männer bis zum 80. Lebensjahr (w: 752.000, m: 445.000) deutlich häufiger von Behinderung betroffen sind als Frauen. Es ist zu vermerken, dass es gegenwärtig mehr ältere (ab dem 45. Lebensjahr) als jüngere behinderte Menschen gibt. Dieses verhält sich komplementär zu der allgemeinen Bevölkerungsentwicklung.

 

Tabelle 1: Behinderte Menschen nach Alter und Geschlecht

 

 

Quelle: Pfaff u.a., 2005 (a), S.194.

 

Bezogen auf den Personenkreis geistig Behinderter, wiesen Studien darauf hin, dass bis zum Alter von 55 bis 64 Jahren noch ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis vorherrscht. Die darauf folgenden Alterskohorten wiesen einen erheblichen Frauenüberschuss auf (vgl. Wacker, 2001(a), S.54). Dieses verhält sich homogen zur restlichen Bevölkerungsentwicklung. In diesem Zusammenhang wird auch von der Feminisierung des Alters gesprochen.

 

2.2.2 Die Lebenserwartung


 

Schon seit den 1980er Jahren gibt es einschlägige Untersuchungen (z. B. Oesterreich 1988, Carter & Jancar 1983) zur Entwicklung der Lebenserwartung von geistig behinderten Menschen (vgl. Theunissen, 2002, S.12). Es wurde festgestellt, dass sich die Lebenserwartung der zu beschreibenden Personengruppe, derjenigen der „Normalbevölkerung" angleicht. So stieg die Lebenserwartung seit den 1920er Jahren (hier gibt es nur Schätzungen) von ca. 20 auf durchschnittlich 58 Jahre in den 1980er Jahren (vgl. ebd., S.12f.).

 

Im Allgemeinen muss festgehalten werden, dass es sich bei geistig behinderten Menschen nicht um eine homogene Gruppe handelt. Vor allem bei der Darstellung der Lebenserwartung ist der Schweregrad der Behinderung von großer Bedeutung. So lässt sich bei Personen mit leichter bis mittlerer Behinderung kaum ein Unterschied zu der Lebenswartung der übrigen Bevölkerung festhalten. Menschen mit einer schweren Behinderung weisen dagegen eine stark dezimierte Lebenserwartung auf (vgl. Driller/Pfaff, 2006, S.43f.). Die Sterblichkeitsrate von geistig Behinderten verläuft u-förmig. In den ersten Lebensjahren ist sie sehr hoch nimmt dann ab und steigt mit zunehmendem Alter wieder an (vgl. ebd., S.47).

 

Die Lebenserwartung von Menschen mit Down Syndrom (DS), ist in den letzten Jahrzehnten beachtlich angestiegen. 1947 lag die Lebenserwartung eines Neugeborenen mit DS bei 15 Jahren. Bis zu den 90er Jahren hat sich diese Zahl ungefähr verdreifacht auf durchschnittlich 50 Jahre. Die Sterblichkeitsrate von Menschen mit Down-Syndrom ist in den ersten 10 Jahren und ab dem 50. Lebensjahr sehr hoch (vgl. ebd., S.45ff). 2.3 Zwischenbilanz

 

Insgesamt lässt sich eine Alterung der deutschen Bevölkerung feststellen. Dieses liegt zum einen an der geringen Geburtenhäufigkeit und zum anderen an der steigenden Lebenserwartung. Folgende Generationen werden zahlenmäßig kleiner. Zusätzlich werden Menschen immer häufiger alt beziehungsweise hochaltrig.

 

Da anzunehmen ist, dass sich die Altersstruktur und die Lebenserwartung von behinderten Menschen allgemein und von geistig behinderten Menschen im Speziellen, derjenigen der Gesamtbevölkerung angleichen wird, kann man von einer assimilierenden Alterseinteilung sprechen. Gegenwärtig gibt es einen zahlenmäßig kleinen Personenkreis von älteren (geistig) behinderten Menschen. Die besondere zukünftige Herausforderung besteht in der zu erwartenden quantitativen Ausweitung von älteren Menschen mit geistiger Behinderung. Darüber hinaus wird auch bei geistig Behinderten im Alter, ein deutlicher Frauenüberschuss im Alter wahrgenommen. Der Behindertenhilfe obliegt die Aufgabe sich auf die Bedürfnisse dieser Personengruppe einzustellen. Um eine möglichst realitätsnahe Ermittlung der Anforderung vornehmen zu können,...

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