Vom Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich zum Reichsdeputationshauptschluss 1755 – 1803
Preußische Werbungen und Siebenjähriger Krieg bis 1763
Fremde Werbungen für den Militärdienst waren in Mecklenburg schon im 17. Jahrhundert und auch zuvor nichts Ungewöhnliches – das bewies eine Vielzahl herzoglicher Edikte gegen das Werben. Im 18. Jahrhundert jedoch begannen mit der Herrschaft des Preußenkönigs Friedrich Wilhelms I. gewaltsame Rekrutierungen von Mecklenburgern für das preußische Heer.
Die überlieferten Beispiele setzten im Jahre 1711 mit der Verschleppung eines Schulmeisters ein und wurden in den 1720er Jahren zu einer ständigen Plage der Bevölkerung. Betroffen waren vor allem jüngere Männer, in Kriegszeiten auch ältere. Zuerst traf es die Ärmeren, die ohne größeren Widerstand eingefangen wurden.
Aber auch die Rittergutsbesitzer zeigten sich nicht geneigt, ihre besten Leute für die Feldarbeit zu verlieren und meldeten teilweise Widerstand an. So starb 1721 der Gutsbesitzer von Freyberg auf Karchow an den Folgen seiner Gegenwehr gegenüber den aufgebrachten preußischen Werbern.
Die mecklenburgischen Herzöge, die zu dem starken südlichen Nachbarn, wie die Strelitzer, recht gute Beziehungen hatten oder, wie die Schweriner, haben wollten, waren in ihren Protesten gegenüber dem preußischen König zu halbherzig, um Änderungen dieser misslichen Lage herbeizuführen. Selbst ein Gebot des Kaisers von 1725 mit der Weisung, alle fremden Werber festzunehmen, kümmerte weder den König, noch unternahmen die Herzöge etwas gegen die Preußen. Als Karl Leopold 1733 bis 1735 selbst drei Regimenter preußische Truppen ins Land holte, verstärkten sich die gewaltsamen Werbungen wieder, die der Herzog sogar teilweise begünstigte, um bei König Friedrich Wilhelm I. Unterstützung zu bekommen.
Sogar Frauen, Kinder und Hausrat wurden mit den Männern weggeschleppt, um so Desertionen vorzubeugen. Die durch die mecklenburgischen Herzöge zum Teil selbstverschuldeten Rekrutierungen setzten sich auch unter Friedrich II. (1712 – 1786) fort. Als der Schweriner Herzog 1743 dem Preußenkönig aus finanzieller Not heraus das Herzoglich-Holsteinische Infanterieregiment überließ, desertierten die Mecklenburger. Die Gegenreaktion der Brandenburger waren erneute, monatelange Streifzüge der Husaren zur Gewinnung neuer Soldaten für die Armee. Dabei wurden Bauern-, Guts- und Domanialhöfe gleichermaßen geplündert.
Bis zu Beginn des Siebenjährigen Krieges setzten sich diese Werbungen in ganz Mecklenburg fort, während des Krieges war das Schweriner Land in besonderem Maße davon betroffen.
Im August 1756 besetzte der Preußenkönig das neutrale Sachsen und löste damit den Dritten Schlesischen oder auch Siebenjährigen Krieg (bis 1763) aus. Preußen stand einer Koalition gegenüber, der Österreich, Russland, Frankreich und Schweden angehörten.
Dem Beschluß einer Reichsexekution, d. h. des Reichskrieges, gegen Preußen im Januar 1757 schloss sich der seit Mai des Vorjahres regierende Schweriner Herzog Friedrich sofort an. Das Motiv war naheliegend – erhoffte man sich in Schwerin doch, verpfändete Ämter zurückzuholen und neue Gebiete zu gewinnen. Dass Preußen den Kampf gegen die gegnerische Übermacht verlieren würde, schien klar zu sein und so glaubten sich die Mecklenburger auf der Seite der Stärkeren. Für den Landesherrn war es eine Chance, verlorene Gebiete zurückzuholen. Die Ansprüche des Schweriner Herzogs klagte dieser beim kaiserlichen Hof ein und war für deren Anerkennung bereit, Kontingente für die kaiserlichen Truppen zu stellen.
Ebenso schloss Herzog Friedrich im März 1757 mit dem französischen König Ludwig XV. (1710 – 1774) einen Vertrag, der den Franzosen Truppendurchzug und den Mecklenburgern militärische Hilfe garantierte. Der Schweriner musste sich auf die Unterstützung durch die Franzosen und durch die Schweden verlassen können, denn das eigene verstreut im Lande liegende Kontingent umfasste nur 1 300 Mann. Diese riskante Kalkulation Herzog Friedrichs sollte auch durch die Unzuverlässigkeit dieser beiden Kriegspartner nicht aufgehen. Der unter der Vormundschaft seiner Mutter stehende Strelitzer Herzog Adolf Friedrich IV. (1738 – 1794) hingegen erklärte die Neutralität seines Landes und bewahrte es so vor dem größten Unheil, obwohl es territorial zwischen drei Kriegsländern lag.
Ein Jahr lang blieb Mecklenburg vom Krieg verschont. Dann sollte es in mehreren Schüben immer wieder von Truppen überrannt werden. Die mecklenburgischen Truppen wurden selbst nicht aktiv. Statt großer Schlachten gab es in Mecklenburg-Schwerin während der fünf Kriegsjahre immer wieder kleinere Gefechte, ständige Geld- und Naturallieferungen, meist an das verfeindete Preußen und gewaltsame Soldatenanwerbungen und Plünderungen.
Die erste Invasion der Preußen in Mecklenburg dauerte von Dezember 1757 bis zum Juni 1758. Die Reaktion des Schweriner Herzogs und seines Militärs sollte sich in diesem Kriege noch oft wiederholen: Friedrich floh diesmal nach Lübeck, von wo aus er weiterregierte, die Truppen erhielten den Befehl, den Kampfhandlungen auszuweichen und nach Schwerin zu kommen. Je nach Kriegssituation im Süden gegen Österreich, Frankreich und Russland warfen sich die Preußen mehr oder weniger offensiv den Schweden entgegen, Mecklenburg wurde nicht zum Hauptschauplatz des Krieges. Zogen die Preußen ab, so stießen die Schweden nach und besetzten Mecklenburg. Der Osten des Landes war am meisten von den Werbungen, Plünderungen, der Gestellung von Pferden und von der Versorgung der Truppen betroffen. Die ständig an Preußen zu zahlenden Kontributionen wurden nur kurzfristig durch die Schweden verhindert, in dem sie selbst die Gelder übernahmen. Die diplomatischen Verhandlungen des Herzogs mit Frankreich und Österreich ließen keine schnelle Hilfe erhoffen, lediglich einige Unterstützungsgelder kamen vom französischen König für die herzoglichen Soldaten.
Die zweite Angriffswelle der Preußen startete im Dezember 1758 bei Stavenhagen und Malchin. Bis dahin wurden schon 1 500 Mecklenburger in preußische Uniformen gesteckt, 8 000 weitere sollten nach dem Willen Friedrichs II. noch folgen. Der Herzog floh diesmal nach Altona. Die gesamten mecklenburgischen Truppen in einer Stärke von 800 Mann zogen sich nach Schwerin zurück und flüchteten von dort weisungsgemäß über den Schweriner See.
Im September 1759 begannen die Preußen mit ihrer dritten Invasion in Mecklenburg. Durch einen Vertrag mit Schweden brachte man die 1 000 mecklenburgischen Soldaten ab November für ein halbes Jahr auf Rügen in Sicherheit, das Land blieb ohne eigene Verteidigung. Im August 1760 wurde durch einen Vorstoß der Schweden erstmals das Strelitzer Land in größerem Maße in den Krieg einbezogen und teilweise verwüstet. Der Preußenkönig geriet in Schlesien und Sachsen immer mehr in Bedrängnis, entsprechend stärker griff er auf Mecklenburg als Reserve für Mann und Material zurück. Die letzten Kriegsjahre ab 1761 waren die schlimmsten, da von den Kontributionen und Werbungen kaum jemand verschont blieb, die Wirtschaften aber wegen der sich meist versteckt haltenden Männer stark geschwächt waren. Preußen drohte mit Brandschatzungen, wenn Lieferungen ausbleiben sollten. Selbst die mecklenburgischen Behörden wurden zur Durchsetzung von Zahlungen gefangen gesetzt.
In aussichtsloser Lage für die Preußen kam die Wende mit dem Tod der russischen Zarin im Januar 1762. Ihr Nachfolger Peter III. (1728 – 1762) galt als ein Freund Preußens, fast schien für Mecklenburg das Leid noch größer zu werden. Da schloss Russland mit Preußen einen Waffenstillstandsvertrag und im Mai 1762 kam es zum Hamburger Frieden zwischen Preußen und Schweden unter Beteiligung Mecklenburgs. Gegen die Zahlung weiterer Kontributionen aus Mecklenburg zogen die preußischen Truppen ab.
Die Schäden für Mecklenburg-Schwerin über den Zeitraum von Dezember 1757 bis Mai 1762 wurden mit über 15 Millionen Talern berechnet, über 4 000 Mecklenburger zog man gewaltsam in die Preußische Armee, viele Höfe und Häuser waren abgebrannt. Durch seine Neutralität war das Strelitzer Herzogtum vor allem von Truppendurchzügen betroffen, hier wurde der Krieg zum umfangreichen Handel mit den Kriegsparteien genutzt und soll sich eher vorteilhaft auf die Wirtschaft des Landes ausgewirkt haben.
Weder unter Christian I. noch unter Karl Leopold war die Wirtschaft des Landes in Ordnung gekommen. In den folgenden Nachkriegsjahren kamen durch die Münzverschlechterungen Rittergüter, Domänen und auch Kaufleute und Handwerker in den Städten in Zahlungsschwierigkeiten. Allein 1775/76 wurde über ein Achtel aller Landgüter zum Verkauf angeboten. Spekulanten, die das Land jedoch nicht bewirtschaften konnten, griffen zu. Nicht zuletzt war es die unsichere wirtschaftliche und damit auch politische Lage, die alte Auseinandersetzungen der Landesherrschaft mit den Ständen wieder aufleben ließen.
Innerständische Konflikte und neue Auseinandersetzungen zwischen...