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Die stille Integration

Identitätskonstruktionen von polnischen Migranten in Deutschland

AutorThea D. Boldt
VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl223 Seiten
ISBN9783593412139
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Etwa zwei Millionen Menschen polnischer Herkunft leben in Deutschland. Anhand von biographischen lebens- und familiengeschichtlichen Erzählungen polnischer Migranten schildert Thea Boldt deren Identitätskonstruktionen und Alltagserfahrungen. Sie zeigt, welche wichtige Rolle dabei die schwierige deutsch-polnische Kollektivgeschichte bis heute spielt.

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Leseprobe
Vorwort Spätestens seitdem die Integrationsdebatte in Deutschland durch die Thesen von Thilo Sarrazin über die genetischen Grundlagen der Zugehörigkeit zu ethnischen Gruppen und die damit verbundenen essentialistischen Identitätsmerkmale polarisiert wurde, wurde erneut deutlich, dass sich die Wissenschaft mit den in den vorherigen Jahren als politisch unkorrekt in der deutschen Öffentlichkeit verschwiegenen Meinungen und Einstellungen zur Ethnizität, Migration und Identität doch verstärkt auseinandersetzen muss. Dieses Buch hat den Anspruch zu dieser Auseinandersetzung in mehrerer Hinsicht beizutragen. Einerseits macht es empirisch nachvollziehbar, dass Identität und Ethnizität nicht als essentialistische, sondern vielmehr als prozesshafte Phänomene zu betrachten sind. So wird hier an Fallbeispielen gezeigt, wie die Menschen ihre Identitäten in unterschiedlichen historischen und sozialen Kontexten aushandeln und wie in diesem Prozess ethnische Zugehörigkeiten als gesellschaftliche Konstruktionen zu einem relevanten Bezugspunkt ihrer Handlung werden. Dabei wird die Ethnizität nicht als Persönlichkeitsmerkmal, sondern als eine soziale Kategorie zur Bewältigung biographischer Erfahrungen und Organisation sozialer Beziehungen im Alltag gesehen. Andererseits möchte dieses Buch eine neue Perspektive auf die multiethnische Zusammensetzung der deutschen Gesellschaft eröffnen um damit einen Beitrag zur öffentlichen Diskussion über die multikulturelle Identität Deutschlands zu leisten. Deutschland ist ein Einwanderungsland, in welchem in der Diskussion um die Integration bestimmte Einwanderer als problematisch gesehen und diskursiv zu Gruppen zusammengefasst werden, wohingegen andere zwar als unproblematisch gelten, damit aber gleichzeitig unsichtbar bleiben. Vor allem bezüglich der polnischen Einwanderer hat sich in Deutschland über die Jahre die Meinung etabliert, dass diese besonders integrationsfähig seien. Da sich die polnischen Migranten und ihre zivilgesellschaftlichen Vertreter in Deutschland selten zur deutschen Einwanderungs- und Integrationspolitik äußern und kaum über ihre Erfahrungen als Migranten in Deutschland berichten, verläuft ihre Integration fernab der deutschen Öffentlichkeit. Dies führte dazu, dass sie als eine unsichtbare Minderheit wahrgenommen bzw. eben nicht wahrgenommen werden (vgl. Pallaske 2002: 13). Zu diesem Umstand trägt deutlich auch die Komplexität der problematischen statistischen Erfassung der Bevölkerung polnischer Herkunft in Deutschland bei. Zwar sprechen einige polnische Organisationen von etwa zwei Millionen Menschen in Deutschland, die sich selbst als polnisch definieren, Statistiken richten sich jedoch nicht nach der Selbstdefinition der Menschen, sondern nach der Staatsangehörigkeit. Bis zum Beitritt Polens zur Europäischen Union im April 2004 war die doppelte deutsch-polnische Staatsangehörigkeit nicht möglich. Dies führte dazu, dass diejenigen, die sich vor 2004 in Deutschland hatten einbürgern lassen, die polnische Staatsangehörigkeit aufgeben mussten und so in einigen Statistiken zur deutschen Wohnbevölkerung gezählt werden. Darüber hinaus ließ sich ein Großteil der Menschen der sogenannten zweiten großen Migrationswelle aus Polen (1980er- und 1990er-Jahre) in Deutschland über das günstige Verfahren der Anerkennung als deutsche Spätaussiedler einbürgern, obwohl sie überwiegend polnisch sozialisiert waren und vor ihrer Einreise zumeist nichts über ihre deutschen Vorfahren wussten (vgl. Pallaske 2002: 11). Nichtsdestotrotz werden sie statistisch als Menschen deutscher Herkunft erfasst und betrachtet. Die stille Integration der Menschen polnischer Herkunft in Deutschland wie auch das fehlende Wissen über die Bedeutung der bis in das 19. Jahrhundert zurückreichenden Geschichte der Migrationsströme aus Polen nach Deutschland für die deutsch-polnische Kollektiverfahrung tragen dazu bei, dass die tatsächliche über mehrere Generationen hinweg historisch entstandene ethnische und kulturelle Vielfalt der deutschen Gesellschaft nicht wahrgenommen wird. Um diesem Trend entgegenzuwirken und gleichzeitig für das Thema zu sensibilisieren, werden in diesem Buch die biographischen Verläufe einiger Menschen analysiert, die auf Dauer in Deutschland leben und sich selbst jenseits der statistischen Zuschreibung der Staatsangehörigkeit als polnisch definieren. So geht es in diesem Buch nicht zuletzt darum, die auch in der Forschung fehlende Perspektive der sozialen Subjekte auf ihre eigene Migration und Identität stärker aufzunehmen. Ein Blick auf den Forschungsstand stützt die Aussage, dass bei den bisherigen Studien zur polnischen Migration nach Deutschland vorwiegend quantitativ auf die ökonomischen und politischen 'Push and Pull'-Faktoren fokussiert wurde. Diese Zugangsweise jedoch lässt nicht nachvollziehen, welche Handlungsgeschichte mit der Migration verbunden ist und wie sich diese in den gesamtbiographischen Zusammenhang fügt. Da die bisherigen wissenschaftlichen Analysen kaum Einblick in die Alltagswirklichkeit der polnischen Migranten gewähren, soll dieser Bereich hiermit eröffnet werden. Diese qualitative biographietheoretische Studie zeigt, dass die familiären narrativ tradierten Diskriminierungserfahrungen aus der deutsch-polnischen Kollektivgeschichte einen wesentlichen Einfluss auf die Selbstverortung der polnischen Migranten in der deutschen Gesellschaft haben und macht deutlich, dass sich die Migranten bis heute in ihrem Alltag mit vielfältigen Diskriminierungserfahrungen auseinandersetzen müssen. Auch wenn diese Themen bis dato in der deutschen Öffentlichkeit kaum einen politischen Diskussionszusammenhang darstellen, so zeigt sich in den Interviews mit den polnischen Migranten, dass gerade diese Erlebnisse im Prozess der Herausbildung ihrer ethnischen Identitäten eine zentrale Rolle spielen.
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