4.3 Nahverkehrsplan
„Die Kreise, kreisfreien Städte und Zweckverbände stellen zur Sicherung und zur Verbesserung des ÖPNV jeweils einen Nahverkehrsplan (NVP) auf. Dieser soll die öffentlichen Verkehrsinteressen des Nahverkehrs konkretisieren.“ 54 Der NVP hat eine zentrale Bedeutung für die Ausgestaltung des ÖPNV durch die Aufgabenträger, die Genehmigungsbehörde (Bezirksregierung) und die Verkehrsunternehmen. Er bildet die Basis für die Betrauung der kommunalen Verkehrsunternehmen mit der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung zur Erbringung von ÖSPV- Verkehrsleistungen gemäß der EG-Verordnung. Die Genehmigungsbehörden haben bei der Liniengenehmigung nach PBefG die Inhalte des jeweiligen NVPs zu beachten. Weiterhin stellt der NVP eine wesentliche Grundlage für die Anmeldung von Maßnahmen für die Förderprogramme des Landes dar. Die Nahverkehrspläne sind innerhalb einer Region und auch zu den Nachbarregionen aufeinander abzustimmen. Dieses betrifft sowohl das Zusammenwirken der Aufgabenträger in den Verkehrsverbünden als auch der Zweckverbände auf Landesebene. Der Nahverkehrsplan ist zudem in die kommunale Gesamtplanung einzubinden. 55 Mit der Novellierung des ÖPNVG NRW in 2007 entfällt die Vorgabe, den NVP alle fünf Jahre zu überprüfen, jedoch soll er bei Bedarf fortgeschrieben werden. Es ist allerdings zu beachten, dass der NVP „nicht rechtsverbindend (ist), sondern nur eine rahmengebende Planung, ein rahmengebendes Instrument ist.“ 56
Flexible Bedienungsformen des ÖPNV im ländlichen Raum - das Beispiel: AnrufSammelTaxi (AST) Jülich
5 FlexibleBedienungsformen
5.1 EntwicklungflexiblerBedienungsformen
Die Idee der bedarfsgesteuerten Betriebsweise geht zurück auf die „Dial-a-bus“-Systeme im englischsprachigen Raum, insbesondere in den USA. Nach deren Vorbild begann in Deutschland das „Zeitalter der flexiblen Angebotsformen 1974 mit einer vom Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) in Auftrag gegeben Machbarkeitsstudie für fahrplanfreie Rufbusse zwischen Bedarfshaltestellen.“ 57 Es wurden die Forschungsprojekte „RUFBUS“ im Landkreis Friedrichshafen und „RETAX“ im Landkreis Wunstorf bei Hannover gefördert. 1979 startete der Betrieb des rechnergesteuerten Taxibusses (RETAX) in Wunstorf, nachdem bereits ein Jahr zuvor der Probebetrieb des ersten Rufbusses in Deutschland, in Friedrichshafen, startete. Der Tele-Bus in Berlin, als drittes BMFT-Projekt startete 1982. Allen Projekten war jedoch gemein, dass sie eine unbefriedigende Wirtschaftlichkeit aufwiesen, die durch den forcierten Technikeinsatz hervorgerufen wurde. Insbesondere das Projekt in Friedrichshafen ist daran gescheitert, dass der Linienbetrieb zunächst vollständig durch Rufbusse ersetzt wurde. Dies geschah auch dort, wo konzentrierte Verkehrsströme auf die Mittelzentren zuliefen.
Anfang der 80er Jahre wurden die bisherigen Konzepte u.a. durch das Anruf-Sammeltaxi (AST) ergänzt. Inzwischen kommt das System AST in vielen Landkreisen und Kleinstädten erfolgreich zum Einsatz. Im Laufe der Zeit haben sich statt manueller Steuerung des Fahrtablaufs, immer mehr rechnergestützte Verfahren durchgesetzt.
Auf Bundesebene beschäftigt man sich ebenfalls mit flexiblen Bedienungsformen. Exemplarisch für einen Förderschwerpunkt auf Bundesebene ist das Forschungsprogramm „Personennahverkehr für die Region“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zu nennen, das insgesamt aus zehn Forschungsverbünden mit 30 Einzelvorhaben besteht. Hier steht seit 2001 die Entwicklung und Erforschung von Mobilitätsangeboten im Vordergrund, die die Sicherstellung und Verbesserung einer ökologisch verträglich gestalteten Mobilität auch in schwach besiedelten Räumen gewährleisten sollen. 58
Flexible Bedienungsformen des ÖPNV im ländlichen Raum - das Beispiel: AnrufSammelTaxi (AST) Jülich
Auch im europäischen Kontext wurden eine Reihe von unterschiedlichen bedarfsgesteuerten Bedienungsformen erprobt und umgesetzt, insbesondere im Rahmen von EU-Forschungsvorhaben ab den 90er Jahren. Beispielhaft sollen hier die Modellvorhaben der EU SAMPO (System of Advanced Management of Public Transport Operations) und SAMPLUS (System For The Advanced Management Of Public Transport Operations Plus) genannt werden. Zielsetzung von SAMPO und seinem Nachfolgeprojekt SAMPLUS war die Ermittlung von Steigerungspotenzialen für Bedarfsverkehre durch Einsatz von Telematik bei gleichzeitiger Reduzierung der Betriebskosten. 59
Seit 1995 ist in der Schweiz das nachfragegesteuerte Bussystem „Publicar“ im Einsatz, das von der schweizerischen Postauto-Gesellschaft entwickelt wurde. Bis heute wurde das System auf 25 Schweizer Regionen ausgedehnt.
„Ein bundes- oder gar europaweit adaptiertes Standardmodell eines alternativen ÖPNV- werden jeweils die lokalen bzw. regionalen Rahmen- und Ausgangsbedingungen analysiert, woraufhin eine entsprechend geeignete Angebotsform gewählt und implementiert wird.“ 60
Im Folgenden soll daher ein Überblick über die verschiedenen Betriebs- und Angebotsformen dargestellt werden.
5.2 ÜbersichtderflexiblenBedienungsformenimländlichenRaum
Zunächst sollen flexible Bedienungsformen vom traditionellen Linienverkehr abgegrenzt werden. Ein wesentlicher Unterschied besteht in der Flexibilisierung der Bedienungszeiten (zeitliche Flexibilisierung) und der versorgten Räume (räumliche Flexibilisierung). Weiterhin können bei flexiblen Bedienungsformen Fahrzeuge bedarfsabhängig eingesetzt werden - in der Regel nach vorheriger telefonischer Anmeldung, während der traditionelle Linienverkehr nach einem festen Fahrplan verkehrt. Zudem betrifft die räumliche Flexibilisierung den Zu- und Abgang und die Verbindung zwischen Quelle und Ziel.
Nach MEHLERT (2001) können flexible Bedienungsformen wie folgt eingeteilt werden:
Flexible Bedienungsformen des ÖPNV im ländlichen Raum - das Beispiel: AnrufSammelTaxi (AST) Jülich
Abbildung 10: Betriebsformen im ÖPNV, Quelle: MEHLERT 2001, S. 31
Der Linienbetrieb
Unter Linienbetrieb wird der traditionelle Linienverkehr verstanden, der auch in Zeiten knapper öffentlicher Kassen immer noch den Regelfall darstellt. Hier wird von einem Fahrzeug eine Fahrstrecke fest bedient, unabhängig von der Nachfrage. Der Fahrtbeginn und das -ende sowie alle dazwischen liegenden Haltestellen sind in einem Fahrplan festgelegt.
Der Bedarfslinienbetrieb
Zwar sind beim Bedarfslinienbetrieb Fahrstrecke und Fahrplan ebenfalls festgelegt, doch ist im Unterschied zum Linienverkehr für die Durchführung der Fahrt eine Anmeldung unter Angabe der Bedarfshaltestellen für Ein- und Ausstieg erforderlich. Dies führt dazu, dass eine Fahrt nur auf einem Teil, der im Fahrplan veröffentlichten Strecke oder überhaupt nicht durchgeführt wird, sofern keine Anmeldung für Streckenabschnitte vorliegen. Beim Bedarfslinienbetrieb gibt es keine fest bedienten Haltestellen mehr.
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Flexible Bedienungsformen des ÖPNV im ländlichen Raum - das Beispiel: AnrufSammelTaxi (AST) Jülich Der Richtungsbandbetrieb
Beim Richtungsbandbetrieb - korrekterweise müsste statt von Richtungsband von Korridor gesprochen werden - liegt zwar ebenfalls ein Fahrplan vor, der genaue Fahrtverlauf ergibt sich jedoch aus den Fahrtwunschanmeldungen, ist aber immer richtungsgebunden. Der Richtungsbandbetrieb wird gekennzeichnet durch wenige fest bediente Haltestellen mit hohem Fahrgastaufkommen, sowie Bedarfshaltestellen in kleineren Ortschaften, die nur nach vorheriger Anmeldung angefahren werden. Der Ausstieg erfolgt entweder an Bedarfshaltestellen oder aber vor der Haustüre, was in der Regel bei AnrufSammelTaxen der Fall ist. Im Richtungsbandbetrieb werden vier verschiedene Ausprägungsformen unterschieden: Linienabweichung, Linienaufweitung, Korridor und Sektor. Insbesondere bei der Fahrgastverteilung nach Veranstaltungen sowie von Bahnhöfen besitzt letztere Form besondere Bedeutung.
Der Flächenbetrieb
Im Flächenbetrieb, der die allgemeinste Form darstellt, liegen wiederum keine fest bedienten Haltestellen mehr vor. Es existieren die Bedienungsformen Haltestelle-zu-Haltestelle und Haustür-zu-Haustürbedienung. Somit bilden alle bedarfsbedienten Haltestellen oder die Haustüren innerhalb des definierten Gebiets eine Einheit, in der die Reihenfolge der Bedienung zufällig ist und sich ausschließlich aus der räumlichen und zeitlichen Verteilung der Fahrtwünsche ergibt....